Sonntags wartet das neuste Kapitel aus "Eisen und Magie: Nordwind"

Es ist wieder soweit! Zum Wochenende etwas Lektüre für den Freund gepflegter Fantasy. Diesmal ist es wieder ein neues Kapitel aus "Eisen und Magie: Nordwind."

Die Helden aus den letzten Kapitel treffen aufeinander. Und die Sache mit den Untoten nimmt eine neue Wendung ...

Viel Spaß mit der neusten Folge aus "Eisen und Magie" von Peter H. Brendt.







Eisen und Magie:

Nordwind

von Peter H. Brendt 
Elo`tah dankte den Göttern für die letzten Reste an Kraft, die in ihrem Magierstab steckten. Ein kurzer Gedankenbefehl und ein Wink ließ die zwei tödlichen Geschossen im Flug verschwinden.

Stumm schimpfte sie für ihre Unvorsichtigkeit. Die Idee, ohne Vorwarnung von einem tiefhängenden Ast auf den Wagen zu springen, kam ihr nun nicht mehr so gut vor. Reisende Händler rechneten auf ihren gefahrvollen Wegen mit Hinterhalten und bereiteten sich darauf vor. Nur ihrer schnellen Reaktion verdankten sie und Mirgha ihr Leben.

Im Gesicht des Wagenlenkers erkannte sie den eigenen Schrecken wieder. Offenbar bereute er es, die Armbrüste abgeschossen zu haben. Der arme Mann schwankte zwischen dem Erstaunen über das Verschwinden der beiden Bolzen und der Erkenntnis, dass er um ein Haar zwei dürre und unbewaffnete Mädchen erschossen hatte.

»Verzeiht ... », stammelte er. Die Hände zitterten so stark, dass ihm die kleinen Waffen aus den Fingern fielen und auf den Boden des Kutschbocks polterten. »Aber ... ihr habt mich überrascht. Wie konnte ich ahnen ...!«

Elo`tah hob beschwichtigend die Arme. »Die Schuld liegt bei mir. Ein dummer Gedanke, einfach und ohne Vorwarnung auf den Wagen zu springen. Vor allen Dingen, wenn es hier im Wald nur so von wandernden Toten wimmelt.

Meine Freundin Mirgha und ich versteckten uns vor dem Geräusch des Karrens. Dann sah ich, dass wir uns vor Euch nicht zu fürchten brauchten. Aus lauter Angst, Ihr würdet vorbeifahren und verschwinden, bevor wir Euch ansprechen konnten. Ich Name lautet Elo`tah, und wenn Ihr schimpfen wollt, beschimpft mich, denn es war meine Idee.«

»Wir haben alle drei Glück gehabt. Eine Elfe zu töten, darüber wäre ich niemals weggekommen!«

»Ihr kennt das Elfenvolk?«

»Es ist eine Weile her. Ganz am Anfang, als ich den Beruf des Händlers von meinem Vater lernte, erzählte er mir viele Geschichten über euch. Ich erkenne es an den Gesichtszügen und dann dieser Magierstab. Da gibt es keine Zweifel.« Immer noch zitternd zeigte auf Mirgha. »Früher, als ich weite Reisen unternahm, besuchte ich auch ihren Stamm. Ein Mädchen vom Clan der Steinmesser. Da bin ich sicher. Vielleicht trafen wir uns, als Du ein Kind warst. Ich tauschte gerne Steinschnitzereien gegen Perlen, Krüge und Wein. Messer, Äxte und andere Dinge aus Metall habt ihr stets abgelehnt. Aber für die Kleinen hatte ich jedes Mal in Honig gebackene Haferkekse.«

Mirgha wollte antworten, der Händler suchte jedoch in einem Sack, den er neben sich auf dem Sitz verwahrte und hob den Kopf erst, als er mit einem zufriedenen Grinsen zwei Kekse heraushob. »Wusste ich es! Es sind die Letzten. Die sind vom Bäcker aus dem Dorf. Früher hat meine Ehefrau sie gemacht. Die waren leckerer. Doch mir schmecken sie und Esah, das Maultier mag sie auch.«

Verblüfft nahmen die beiden jungen Frauen das Geschenk an. Mirgha biss ein Stück ab und meinte wirklich, den Geschmack aus Kindheitstagen wieder zu entdecken. Sie wollte sich bedanken, aber der Alte schien froh zu sein, mit jemand reden zu können und fuhr fort: »Was für Zeiten. Eine Elfe, von der ich nur hörte, aber nie eine sah. Magie. Ein Mädchen aus dem Clan der Steinmesser. Und ein Wald voller toter Menschen, die keine Lust haben, in ihren Gräbern zu bleiben und nach Norden wandern.«

Er schaute die Beiden traurig an. »Meine liebe Frau ist unter ihnen. Ich muss sie finden und zurückbringen. Was soll sie dort. So weit weg von mir!«

Mirgha sammelte die Krümel auf ihrem Gewand ein. Die zwei Mädchen hatten sich aus den Resten der Zelte, halbwegs brauchbare Leinenstücke gesucht, sie mit ihrem abgebrochenen Steinmesser so zurechtgeschnitten, dass sie wenigstens nicht nackt flüchten mussten. «Unsere Erfahrungen mit Untoten sind keineswegs so gut. Ein Trupp von ihnen hat das Lager der Elfen in der Oase Bir Lesh angegriffen und vernichtet. Sie töteten alle dort. Nur wir beide sind entkommen.»

«Ihr ward da! Ein legendärer Ort. Ich hätte sie gern mal besucht.» Opapa kletterte auf die Ladefläche und öffnete eine alte Kiste. «Mir tun sie nichts. Und Esah lassen sie auch in Ruhe. Sogar die Soldaten sind völlig harmlos. Trotz ihrer Waffen. Hier! Wusste doch, dass ich sowas dabeihabe.»

Er zog zwei Gewänder heraus und präsentierte sie den Beiden. «Grüner Samt. Nicht die beste Qualität, aber durchaus haltbar. Die Farbe ist allerdings diese Saison kaum gefragt. Ich verwahre die alten Sachen immer. Irgendwann werden sie wieder modern. Sollten auch passen. Ich besitze eine Schere, falls sie zu lang sind. Nehmt sie bitte an. Als Entschuldigung dafür, dass ich euch um ein Haar erschossen hätte.»

Zufrieden stellte er fest, dass Mirgha und Elo´tah das Geschenk annahmen. Mit den Kleidern unter Arm kletterten sie vom Wagen und zogen sich hinter ein paar Büschen um.

Opappa überprüfte den Wagen. Er wollte den beiden Mädchen Gelegenheit geben, sich umzuziehen. Wenn er ehrlich war, freute er sich trotz der unerfreulichen Begleitumstände über die Begegnung. Sie brachte Abwechslung in die langweilige Fahrt. Dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Es tat so gut, sich mit jemandem zu unterhalten.

«Ich bin auf dem Weg zum Wehrturm», rief er ihnen hinterher. «Ihr solltet dort richtige Gewänder tragen. Da leben recht raue Burschen. Oh ...!»

Der Händler staunte mit offenem Mund. Die Beiden kehrten zurück. Mirgha schaute ein wenig unsicher, denn sie trug noch nie ein so aufwendiges Kleid. Sie bemerkte die Bewunderung des alten Mannes und lächelte dankbar zurück. Samt auf der Haut. Dieses Gefühl kannte sie nicht. Ihr Stamm nutzte nur schlichtes Leinen oder Leder. Da war sie eher die grob zurechtgeschnittenen Zeltplanen gewohnt, in denen sie aus der Oase flüchtete.

Elo´tah bewegte sich in ihrem Kleidungstück, als hätte sie nie etwas anderes getragen. Opappa erkannte das Kleid kaum wieder. Die Elfe bewies erstaunliche Fertigkeiten. Trotz der kurzen Zeit und der einfachen Schere, war es ihr gelungen, dem Gewand einen neuen Schnitt zu geben. Es stand den teuren Ballkleidern, die er in der Hauptstadt bewunderte, in Nichts nach.

Mit einem eleganten Sprung nahm sie neben ihm auf dem Wagen Platz. «Ihr spracht vom Wehrturm. Ich kenne ihn nur aus den Erzählungen und von weitem. Mein Volk meidet solche Orte. Die Menschen dort sind selten höflich zu Elfen.»

«Es sind Soldaten», antwortete der Händler. «Beauftragt, die Grenze zum Norden zu bewachen. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren stetig gesunken, da der Fürst Männer für den Krieg gegen die Orks brauchte. Es ist ein trostloser Posten, fern der Zivilisation und nur mit wenig Bequemlichkeit. Eher eine Stelle für eine Strafversetzung, als Belohnung für gute Dienste.»

Opappa wartete, bis auch Mirgha auf dem Wagen Platz nahm. Er trieb das Maultier an und erklärte. «Ich würde den Wehrturm lieber meiden. Der Besuch kostet mich Zeit. Ich möchte verhindern, dass meine Ehefrau einen zu großen Vorsprung erhält. Aber die Vorräte gehen zur Neige. Mit etwas Glück kann ich einen Teil der Waren auf dem Karren eintauschen.»

Er fing den amüsierten Seitenblick der Elfe auf. «Ich danke den Göttern, dass ich nicht nur Samtkleider dabei habe.», ergänzte der Händler schmunzelnd.

«Wenn Ihr erlaubt, begleiten wir Dich. Zumindest einen Teil des Wegs. Vielleicht erhalten wir von den Soldaten mehr Auskünfte, wie es im Norden aussieht. Mirghas Leute leben dort, ein wichtiges Fest steht an und sie werden von einer unheimlichen Schar Bewaffneter bedroht und gejagt. Wir sind ihnen nur knapp entkommen. Dieselbe Meute hat meine Familie getötet.

«Davon habe ich keine Ahnung. Ich bin nur den Untoten begegnet. Und die machten nirgends Schwierigkeiten. Mittlerweile ist mir ihr Anblick und Gestank gleich. Sie lassen mich in Ruhe und ich sie. Ich suche im Norden meine Frau und will ihr ein anständiges Grab besorgen. Das ist alles, was ich möchte. Aber ihr Beide seid herzlich willkommen. Es schadet nie, wenn man in dieser Gegend nicht allein reist.»

«Wie lange dauert es, bis wir dort sind?»

«Ich kenne den Weg nur aus Erzählungen. Falls keine Hindernisse auf dem Weg liegen, womit man hier immer rechnen muss, sind wir vermutlich in einer knappen Stunde da. Vielleicht kommt uns sogar eine Streife aus dem Turm entgegen.»

Doch Opappas Hoffnung erfüllte sich nicht. Zwar behinderten nirgends ein umgefallener Baum oder andere Probleme ihre Fahrt. Es dauerte dennoch bis kurz vor Sonnenuntergang, bis sie das Ziel nach einer Wegbiegung zum ersten Mal sahen.

Hinter einer Kurve wartete ein seltsames Bild. Bevor der Großvater des jetzigen Fürsten die Straße durch den Wald baute, führte nur der Pfad, auf dem jetzt die drei Gefährten reisten zur unerforschten Tundra. Da immer wieder Orks die menschenverlassene Ebene nutzten, um ins Reich einzufallen, suchte man eine Möglichkeit, schnell Truppen hierhin zu verlegen. Im Vorfeld entstand der Wehrturm, der nun vor ihnen lag.

Die Befestigung lag am Rande eines kleinen Sees, der aus eine runterirdischen Quelle gespeist wurde. Er garantierte die Wasserversorgung der Burg. Wichtiger für die Auswahl des Platzes war ein harter, teilweise mit Felsbrocken gespickter Boden. Der weiche Waldboden der Umgebung bot nicht genügend festen Grund für ein Bauwerk aus Stein. Holzpalisaden pflegten die Grünhäute auf ihrem Marsch einfach zu überrennen. Daher fiel die Wahl der Erbauer auf diesen Ort.

Wirklich bewähren musste sich der Turm nie. Während des Baus der Straße nutzten die Truppen ihn als Lager- und Rückzugsgelegenheit. Dabei lagerte der Großteil der Mannschaften außerhalb der Befestigung, die selbst kaum Raum für drei Dutzend Bewaffneter bot. In der Folge entstand vor den Mauern eine weite Lichtung, da auch der Wald ringsum gerodet wurde, um Schützen keine Deckung zu geben.

Der wenige Platz zwang die Erbauer die Festung als Dreieck anzulegen. Die Spitze bildete ein Tor flankiert von zwei Steinwällen. Der massige Turm stellte die breite Basis der Konstruktion dar. Aber nicht der außergewöhnliche Baustil forderte die Aufmerksamkeit des Trios auf dem Karren.

Auf der Lichtung vor dem Wehrturm wimmelte es von Untoten, die ihn umzingelten. Opappa fiel auf, dass die Menge nur aus toten Soldaten bestand. Als sie die Neuankömmlinge bemerkten, drehten sie langsam ihre Körper in ihre Richtung. Der Gestank, der in der Luft schwebte, raubte den Dreien den Atem.

«Puh», stieß Mirgha aus. «Wie sollen wir zur Burg kommen? Meint Ihr, die lassen uns einfach durch?»

Elo´tah ließ ihre Sinne über den magischen Stab wandern. Die letzte Erinnerung an die zerstörte Heimat und ihre einzige Waffe. Sie fand nur wenige Funken der Macht darin, die einst in dem Holz wohnte. Der Kampf gegen Herkosh und seine untote Garde forderte alle Kraft, die er früher besaß. «Da sind zu viele», sagte sie. «Ich kann uns nicht beschützen.»

«Keine Sorge!» Opappa wies auf drei Soldaten am Rand der Belagerer. «Da sind ja Mi, Ma und Mo. Die sehe ich jeden Morgen. Die sind harmlos. Gucken ein bisschen blöde und laufen dann an einen vorbei.»

Er hatte kaum den Satz beendet, als ein Ruck durch die Masse der Untoten lief. Das Geräusch, mit dem sie wie auf ein unhörbares Kommando die Waffen zückte, zerriss die Stille über der Lichtung. Auch die drei angesprochenen Soldaten richteten ihre Köpfe auf die Neuankömmlinge.

«Ich fürchte», sagte Opappa, «wir haben nur eine einzige Möglichkeit!»






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