Sonntagslektüre : Eisen und Magie: Dämonenhand die 5. Episode

Pünklich zum Wochenende das neuste Kapitel aus Eisen und Magie. In dieser Folge von "Dämonenhand" scheint es unserem Helden an den Kragen zu gehen. Oder besser an den Hals.

Ihm steht eine öffentliche Hinrichtung bevor. Köpfen und Verbrennen stehen auf dem Plan. Doch der Lebenswille des Kopfgeldjägers ist gebrochen. Selbst die edle Rettung einer jungen Frau schreckt ihn nicht aus seinem Lebensüberdruss.

Aber wie sagte schon der Kaiser immer: Schau' mer mal

Viel Spaß mit der 5. Episode aus Eisen und Magie: Dämonenhand!

Die vorherigen Kapitel findet Ihr wie immer auf diesem Blog.




Eisen
und
Magie

Die Dämonenhand

von Peter H. Brendt 
Rob, der Kahle riss ihn in die Wirklichkeit zurück. «Träumst du! Narr, es geht los. Die Wachen sind da, um uns zur Hinrichtung abzuholen.» Eine Handvoll Bewaffneter stand im Raum und richteten ihre Lanzen auf die Gefangenen. Das Hämmern und Lärmen der Handwerker auf der Straße war verstummt. Abgelöst worden war es durch die Stimmen der wartenden Menschenmenge, die auf das Spektakel warteten.

Das Gerücht, dass ein Dämonenfreund enthauptet werden sollte, trieb offenbar eine erwartungsvolle Menge auf den Hinrichtungsplatz. Die halbe Stadt musste auf den Beinen sein. Sie erwartete ein Schauspiel, das sich von der Exekution eines gewöhnlichen Verbrechers unterschied. Die Axt des Scharfrichters würde heute das Urteil fällen, nicht wie sonst ein simpler Hanfstrick.

Das versprach den Stadtbewohnern vermutlich mehr Unterhaltungswert als das einfache Hängen eines Verurteilten. Die gefesselten Füße zuckten kurz, ein wenig Darminhalt tropfte herab und das Spektakel war vorbei. Die Enthauptung eines Dämonendieners besaß dagegen Seltenheitswert.

Sandos hörte, wie einige Zuschauer stritten. Ihr Streit entzündete sich an der Frage, wie lange das Herz des Geköpften noch das Blut aus dem kopflosen Rumpf pumpte. Der Kopfgeldjäger hätte den Angebern aus seinem Erfahrungsschatz darüber erzählen können. Sie lagen alle falsch.

Spätgekommene zankten um die besten Plätze mit den Neugierigen, die vor ihnen von der Hinrichtung erfuhren. Geld wurde geboten, die Angebote schwankten, je nach Blickwinkel auf den Richtplatz. Hier und da wurde auch Prügel angedroht und Beleidigungen ausgetauscht. Frauen spornten ihre Männer an, Kinder bettelten um Aufmerksamkeit oder Süßigkeiten. Wettgebote und fantasievolle Beschimpfungen wechselten einander ab. Sandos erkannte etliche Dialekte und Mundarten, selbst aus weiter entfernten Gegenden. Offenbar besuchten mehr Reisenden den abgelegenen Ort, als der Kopfgeldjäger vermutete.

Über dem Lärmen der Menge schwebte das Rufen und Werben von Händlern, die Pasteten, Wein und Zuckerwaren anboten. Es hatte schon ruhigere und einsamere Ort gegeben, an denen der Tod auf ihn wartete. Doch dieser Platz war so gut wie jeder andere.

Sandos schüttelte Robs Griff ab. «Ob Ihr es glaubt oder nicht. Ich hatte Besuch.»

«Besuch?» Der Schmuggler schaute ihn an, wie einen Irren.

«Ich hoffe, es war nicht wirklich Eure Tochter.»

«Narr. Das sind unsere letzten Minuten. Was erzählst du für einen Irrsinn.»

Der Kopfgeldjäger grinste ihn an. «Zumindest weiß ich jetzt, wer in Wahrheit hinter der Sache steckt.» Er verbeugte sich übertrieben höflich vor den Wachen, die ihm mit den Spitzen ihrer Lanzen den Weg hinauswiesen. Zusammen mit Rob und seinen Männern verließ er durch einen engen Gang den Raum und trat nach wenigen Schritten auf die Straße.

Die Lautstärke der grölenden Zuschauer schwoll bei ihrem Erscheinen an. Die Mauern warfen den Lärm wie ein Echo zurück. Ein paar Steine flogen in ihre Richtung. Doch als er aus dem Schatten des Gefängnistors hinaustrat und die Menge musterte, verstummte sie sofort.

«Der Dämonenjäger.» Es war nur noch ein Flüstern. «Er soll unsterblich sein ...» Der Kopfgeldjäger blinzelte und suchte den Weg zum Richtplatz. Es musste heute ein Ende finden. Er achtete nicht mehr auf die Wachen, die ihn mit übertriebener Wachsamkeit beobachteten. Ein Betrunkener trat vor, in der Hand hielt er einen faulenden Apfel. Als er ihn hob, begegnete er Sandos Blick. Im nächsten Augenblick ließ er das Obststück fallen. Dann wich er in den Schutz der Menge zurück. Zuvor entleerte er knatternd seinen Darm in die Hose, so dass sich die Meute schnell vor ihm teilte.

Endlich gaben die Zuschauer den Weg auf die kurze Treppe frei, die auf den Richtplatz führte. Oben wartete eine maskierte Gestalt mit einer mächtigen Axt auf die Gefangenen. Neben ihm bemerkte Sandos einen dunkel gekleideten Mann in einer dunkelgrünen Robe, die Kapuze tief in die Stirn gezogen. Die eher zierliche Hand schmückten auffallend bunte und große Ringe. Es musste sich um den Magier in Gerush Diensten handeln, mit dessen Hilfe sie in der Schenke überwältigt worden waren. Auf einem Balkon eines Gebäudes dahinter saß, wenn er ihre Kleidung und Amtsketten richtig deutete, die vornehme Bürgerschaft. Sie besaßen mit Abstand die beste Sicht auf das angekündigte, blutige Schauspiel.

Sandos ging so schnell zur Treppe, dass er die Wachen fast überholte.

«Nun renn nicht so!» Rob hielt ihn kurz fest. «Man sollte meinen, du suchst den Tod. Nimm ein wenig Rücksicht auf uns. Wir möchten uns damit noch etwas Zeit lassen.»

«Entschuldigt.»

«Selbst wenn du als Erster auf das Podest mit dem Henker stolperst, wirst du warten müssen. Die Enthauptung eines Dämonenjägers dürfte als Höhepunkt des Schauspiels erst als Letztes stattfinden. Dir bleibt also etwas Zeit.»

Während sie gemeinsam die knarrende Holztreppe hinaufstiegen, fragte ihn der Schmuggler: «Was sollte das Gerede von meiner Tochter. Und weißt du wirklich, wer hinter der Sache steckt?»

Die Beiden nahmen neben dem Richtblock Aufstellung. Sandos begrüßte Henker und Magier mit einem freundlichen Kopfnicken, das sie jedoch nicht erwiderten. Der Scharftrichter packte die Axt fester, aber die Waffe zitterte jetzt merklich.

Sein Nachbar trat zwei Schritte zurück, bis er fast an den Rand der Plattform kam. Die Rechte formte unsichtbaren Zauber, der Kopfgeldjäger erkannte Schutz- und Bannzeichen. Das Gesicht blieb im Schatten der Kapuze verborgen, doch Gang und Bewegungen wiesen auf einen sehr jungen Vertreter der Magiergilde hin.

«Da ist der Typ, der uns in meiner Schenke fertiggemacht hat», flüsterte ihm Rob zu. «Er heißt Felten. Hält sich in der letzten Zeit häufig bei Gerush auf.»

«Eure Tochter ...»

«Was ist mit ihr?»

Sandos wartete, bis auch die übrigen Männer des Schmugglers auf dem Podest standen. Drei hatten den Überfall überlebt. Sie würden seins und das Schicksal des Anführers teilen. In ihren Blicken erkannte der Kopfgeldjäger die gleiche Hoffnungslosigkeit. Doch sie blickten voller Angst in die Zukunft, während er den Tod nicht erwarten konnte.

«Redet. Was weißt du über sie?»

«Gerush hat ein Auge auf sie geworfen!»

«Das ist bekannt. Er wollte sie heiraten. Aber sie lehnt ihn ab. Ließ ihn abblitzen. Sehr geräuschvoll!»

«Und ihr?»

«Nun ja, eine Verbindung mit dem Stadtkommandanten ...! Das könnte mir nutzen. Doch ich würde Sisa nie gegen ihren Willen ...! Moment mal! Steckt er hinter ihrem Zustand?»

«Er hat sich auf ein Geschäft mit einem Dämon eingelassen. Ein Tauschgeschäft. Gerush erhält deine Tochter. Dazu Hilfe, die ihm die Kontrolle über die Stadt verschafft. Was die Ausschaltung des Anführers der mächtigesten Schmugglerband beinhaltet. Dafür baut ihm der Stadtkommandant einen Tempel. Einen Stützpunkt, an dem der Dämon sich, vor aller Augen verborgen, manifestieren kann. Von da aus wird er seinen Einfluss immer weiter ausdehnen.»

«Aber ...! Der Heiler, von dem ich dir erzählte, gab mir den Rat, ein Pentagramm um sie herum zu zeichnen. Aus geweihtem Öl aus dem Heiligtum der Ira. Das sollte böse Geister fernhalten. Nicht gerade billig, das Zeug!»

«Geweihte Pisse hätte es auch getan», spuckte Sandos aus. «Das Zauberzeichen bannt ihn. Das hielt den Dämon davon ab, sie zu übernehmen. Doch sobald ihr aus dem Weg geräumt seid, wird sich jemand finden, der es entfernt! Dann hat Gerush sein Ziel erreicht!»

Rob schlug die Hände über den Kopf zusammen. Das dabei die Eisenkette gegen die Stirn prallte, schien ihn nicht zu stören.

«Wachen. Sorgt dafür, dass die Gefangenen ruhig sind!» Die Worte kamen aus dem dunklen Schatten der Kapuze des Magiers. Wie befohlen traten die Soldaten näher, die Spitzen ihrer Lanzen richteten sie auf die Brust der Verurteilten.

«Was habt ihr vor», fuhr sie Rob an. «Mich aufspießen?» Er wies auf den Scharfrichter. «Wollt ihr den armen Kerl um seinen Henkerlohn bringen.» Der Kopfgeldjäger musste ihn zurückhalten, sonst hätte sich der Schmuggler auf die Lanzenspitzen geworfen.

«Lass mich los! Dieses Schwein auf dem Balkon will Sisa. Das steckt hinter den ganzen Angriffen auf meine Leute und Transporte. Jedes Mal kannten sie unsere Verstecke und geheime Pfaden. Ich ahnte, dass Zauberei dahintersteckt.»

Sandos packte ihn erneut. «Ihr seid Händler. Versucht einen Handel. Vielleicht lässt Gerush mit sich reden.»

Rob brach zusammen. Er kauerte auf dem Holzpodest und schlug mit der Faust auf den Boden. «Ich hätte es wissen müssen. Seit Jahren ist der Kerl hinter ihr her. Aber konnte ich ahnen, dass er einen Pakt mit Dämonen eingeht, um sein Ziel zu erreichen!»

In dem Augenblick sah Sandos die unbekannte Frau wieder. Sie trat immer noch nackt aus dem Schatten einer Gasse und zwinkerte ihm zu. In ihrer Begleitung befanden sich drei große Hunde, die neugierig hinüberschauten. Im ersten Moment dachte der Kopfgeldjäger, sie hätte wirklich ein paar Köter gefunden, um ihre brunftige Gier zu befriedigen. Doch dann erkannte er die Tiere.

Zuletzt war ihn anderen Exemplare im Labyrinth von Koth begegnet. Schwere Halsbänder aus Eisen, in denen ihr Herr Dämonenzeichen geritzt hatte, um sie aus seinem Reich aus zu kontrollieren.

Dämonenhunde!

Nun erkannten auch sie, wer auf dem Holzpodest stand. Sofort erschien in ihren Augen das Licht glühender Kohlen. Die Hunde zogen ihre Lefzen zurück und entblößten eine Viererreihe großer Zähne, von denen giftiger Speichel tropfte. Ungeduldig kratzten die Krallen ihrer Pfoten auf dem Straßenboden. Die Meute erinnerte sich an die Jagd und den Tod einiger Mitglieder. Einmal auf einen Feind gehetzt, ließen sie nicht eher Ruhe, bis ihre Beute zerstückelt war. Sandos war ihnen damals nur mit viel Glück entkommen. Etliche der vierbeinigen Gegner blieben tot oder verstümmelt in den Irrgärten liegen. Sein altes Schwert, Dämonenherz, hatte unter den Verfolgern zahlreiche Opfer gefunden. Doch die Hunde vergaßen nie. Sie brannten darauf, die Sache zu Ende zu bringen. Aber noch hielt die der Willen ihrer Herrin sie in der Gasse fest.

Der Kopfgeldjäger rätselte über den Schachzug des Dämons. T’zhKam wollte nach seiner Verweigerung, ihm zu dienen, Sandos Tod. Dafür würde die Klinge des Henkers sorgen. Auch aus diesem Grund hatte er mit Gerush die Intrige eingefädelt. Doch was machte es für einen Sinn, die Dämonenhunde einzusetzen? Außer ihm gab es niemanden, den er fürchten musste. Um die anderen Männer auszuschalten, brauchte er die blutrünstigen Jagddämonen nicht.

Es dauerte einen Moment, bis er auf die Lösung kam. In der Zwischenzeit kniete der Erste von Robs Komplizen vor dem Richtblock. Ein junger Spund, ein Milchbart. Sandos erinnerte sich, dass er in der Schenke hinter der Theke stand und Becher spülte. Gerush kannte offenbar keine Skrupel, er plante, die Bande des Schmugglers bis auf den letzten Mann auszulöschen. Die Axt des Scharfrichters fiel und der Kopf polterte auf den Holzboden. Noch einige Schläge lange pumpte das Herz weiter und spitzte schaumiges Blut in die Menge, die entsetzt zurückwich.

Der Kupfergeruch weckte den Klumpen in der rechten Hand des Kopfgeldjägers. Sofort meldete sich der alte Blutdurst in ihm zurück.

Mit dem Schmerz kam die Erkenntnis. T’zhKam wollte mehr als nur seinen Tod!

***








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