Der Sonntag hat es wieder in sich: Neues Kapitel aus "Eisen und Magie: Nordwind"!

Ich weiß nicht, wie das Wetter bei Euch ist. Bei mir ist es dafür gemacht, zuhause bei einer guten Tasse Kaffee, Tee oder Kakao schön im Warmen zu sitzen. Für diese Gelegenheit kann ich Euch das neuste Kapitel aus "Eisen und Magie: Nordwind" als Lesestoff bieten.

Heute kommen alle Hauptfiguren der Geschichte zum ersten Mal zusammen. Allerdings nicht ohne Konflikte. Doch zunächst gilt es, den Ring der Untoten zu durchbrechen und den sicheren Wehrturm zu erreichen.

Viel Spaß dabei! (Ich meine beim Lesen)






Eisen und Magie:

Nordwind

von Peter H.Brendt 
Bei der Fülle bösartigen Energie, die da draußen versammelt war, gelang es ihm nur mit äußerster Willenskraft, die rechte Hand ruhig zu halten. Unter dem Handschuh tobten die Dämonen und verlangten ihre Freiheit.

Mir der Linken suchte er nach der Zwergenpfeife, die er vor kurzem erwarb. Ein günstiges Geschäft auf seinem Weg in den Norden. Zusammen mit einem Beutel Kraut für den Preis einer guten Flasche Wein. Verschaffte Entspannung, machte jedoch niemals trunken. Und auf einer langen Reise leichter zu transportieren, als zerbrechliches Glas oder Ton. Ihr Genuss beruhigte überraschenderweise die Wesen, mit denen er den Körper teilte.

Mit einer Hand stopfte er die Pfeife, ließ aber die Neuankömmlinge vor der Mauer nicht aus den Augen. Das Urteil über den Mann auf dem Karren fiel schnell. Ein Händler, sehr vertraut mit Wagen und Zugtier.

Seine Passagiere bereiteten ihm Kopfschmerzen. Zwei junge Frauen. Kein Zweifel. In frischem grünem Samt. Und ziemlich neuwertige Sachen. Kaum getragen. Und ohne Spuren einer langen Reise auf einem Händlerkarren.

Zunächst kam ihm der Gedanke, dass es sich um Freudenmädchen handelte, die kurz vor dem Eintreffen eine Rast nutzten und hübsche Klamotten überstreiften, um den Soldaten im besten Licht zu begegnen. Die Jüngere erinnerte ihn an ein einfaches Clanmädchen. Sie trug bestimmt zum ersten Mal ein Kleid. Die Dämonen in ihm erzählten, dass in ihr eine Kraft lebte, die ihr ewiger Hunger begehrte. Schwer festzustellen, ob es das Mädchen selbst war. Oder ein Gegenstand in ihrem Besitz.

Ihre Begleiterin kleidete der gleiche Samt. Doch mit anderen Bewegungen, als ob das Gewand sie wie eine zweite Haut bedeckte. Auch dort gab es Magie. Flackernd zwar und kaum erkennbar. Aber zweifellos vorhanden.

All das passte nicht zum ersten Eindruck.

Er verdrängte den Gedanken, dass auf dem Wagen Freudenmädchen warteten. Hätte es doch auch bedeutet, dass der Mann auf dem Karren ihr Zuhälter war. Seine und ihre Körpersprache verrieten jedoch dem kundigen Auge, dass die Drei sich seit kurzer Zeit kannten.

Dann durchfuhr ihn die Erinnerung wie ein Blitz. Die Art des zweiten, eleganteren Mädchens, war ihm schon einmal begegnet. Damals, als er noch einem anderen Herrn diente.

Nie würde er den Geruch vergessen, als er die Gefangene auf den Stamm eines gefällten Baums legte und sie schändete. Ein Akt, der ihm bei seinen Leuten eine Menge Achtung und Autorität verschaffte. Der Ausdruck hündischer Ergebenheit in ihren Augen wuchs, als er der Elfe anschließend die Kehle durchschnitt. Mordlust war nicht der Grund für das unaussprechliche Sakrileg, das den Schrecken, den er über alle Feinde brachte, mehrte. Er wollte jedoch verhindern, dass jemand aus der kriegstollen Meute, die mit ihm zog, das gleiche Verbrechen an ihr beging und ihm das Privileg streitig machte. Sie durften erst an ihr nagen, nachdem sich sein Rabe satt gefressen hatte.

Seit diesem Tag hassten ihn die Elfen. Das versprach eine interessante Begegnung zu werden. Vorausgesetzt, die Drei schafften es, durch die Menge an Untoten den Wehrturm zu erreichen.

Er verfluchte die Entscheidung, hier zu übernachten. Gestern Abend schien es, als ob sie an der Befestigung vorbeilaufen würden. Ihre Gesichter oder das, was davon übrig war, in Richtung Norden gerichtet.

Auf seinem Weg quer durch den Wald begegnete er mehrfach wandernden Leichen, die jedoch keine Anstalten machten, ihn anzugreifen. Ein ungewöhnliches Verhalten für ihre Art. Niemals standen sie aus eigener Kraft aus ihren Gräbern auf. Jemand rief sie.

Einige Formen der Dämonendiener, die ihre Seele einem Herrn der Zwischenwelt verkauften, erhielten als Belohnung die Fähigkeit, Kadaver wiederzubeleben und sie für ihre Zwecke einzusetzen. Ihre geringe Intelligenz und durch die Fäulnis eingeschränkten Möglichkeiten machten sie durch ihre dumpfe Masse wett. Dazu die Unempfindlichkeit gegen Schmerz, ihre Zähigkeit bei Verletzungen. Auch das Fehlen von Hunger und Durst verschafften ihnen einen gewissen Wert.

Aber Untoten brauchten einen einzelnen Führer, dem sie gehorchten und folgten. Sie kannten weder Offiziere noch Unteroffiziere, an die man einen Teil der Befehlsgewalt abgab. Dafür ließen auferstandenen Kadaver sich aus der Ferne kontrollieren. Ihr Herr benötigte daher in der Schlacht keine Banner und Hornsignale, um ihre Bewegungen zu kotrollieren.

Er selbst lehnte solche Gefolgsleute ab. Es gab Dinge, die blieben besser unangetastet. Die unverrückbare Zweisamkeit von Leben und Sterben gehörte dazu. Niemand, der auf der Seite des Todes ging, sollte auf die andere wechseln dürfen.

Anfangs tötete er jeden Untoten im Wald, dem er begegnete. Seinen Weg zum Wehrturm zeichneten zahlreiche Köpfe, aber es gab einfach zu viele wandernden Leichen. Irgendwann gab er es auf, zumal sie ihn niemals beachteten. Jetzt, angesichts der Hunderten von faulenden Körper, die den Turm belagerten, erwies sich das als Fehler.

Unverzeihbar, das Verhalten der lebenden Kadaver als dauerhaft einzuschätzen. Nun kannte er ihr Ziel. Ihre Passivität besaß nur einen Sinn. Eine möglichst große Zahl unauffällig und auf einsamen Wegen, zum Wehrturm zu bringen. Aber was wollten sie hier?

Die Befestigung verlor ihren strategischen Wert seit dem Bau der Landstraße. Dafür lag sie zu abseits. Und für wertvolle Manöver warteten hier zu wenige Soldaten. Und so, wie sich bisher aufführten, verstärkte sie den Eindruck, dass sie bestenfalls drittklassig waren.

Und jetzt diese seltsamen Neuankömmlinge. Eine Elfe, ein Clanmädchen und ein alter Mann. Sein Rabe landete neben ihm und bettelte um Futter. Der Vogel, sonst keinesfalls abgeneigt, frisches Aas zu fressen, mied die wandernden Kadaver da draußen. Fordernd pickte er gegen einen Lederbeutel am Gürtel, in dem, wie er wusste, Streifen aus getrocknetem Fleisch steckten.

Aber der Angesprochene konzentrierte sich auf das Geschehen vor dem Tor. Der Händler gab dem Zugtier die Peitsche. Eine Behandlung, die das Muli offenbar überraschte. Es schoss so schnell nach vorne, dass die beiden jungen Frauen Mühe hatten, nicht vom Karren zu stürzen.

Sofort rückten die Untoten vor, um den Weg zu blockieren. Langsam zwar, wie es ihre Art war, aber unaufhaltsam. Allein ihre Masse reichte aus, die Flüchtenden aufzuhalten. Befehle vom Hof bewiesen, dass in dem Kommandanten doch ein kleiner Funken Voraussicht steckte. Die Soldaten öffneten einen Flügel des Tors, falls wider Erwarten dem Gespann die Flucht gelang.

Vor dem Wehrturm sah es allerdings nicht gut aus. Die erste, noch dünne Reihe Gegner, besaß keine Chance. Sie blieben unter den Hufen des Zugtiers und den schweren Rädern liegen. Eine zweite Linie durchbrach der Wagen mit viel Glück. Für einen Moment schien es, als ob er steckenblieb. Aber eine unglaubliche Kraftanstrengung des Muli sprengte den Ring der Untoten.

Doch selbst jemand mit einem schlechteren Blick auf das Geschehen wusste, dass sie den dritten Wall stinkender Leichen nicht mehr überwinden würden. Dafür war die Geschwindigkeit des Wagens zu gering geworden und die Mauer aus Toten zu dicht.

Schade, er hatte interessante Gespräche erwartet. Da hatte der Kommandant das Tor zu früh geöffnet. Ein paar Soldaten standen draußen und feuerten den Wagenlenker an. Vielleicht freuten sie sich auch die drei Neuankömmlinge. Die Begegnung mit einer Frau lag bestimmt schon Wochen zurück.

Der Rabe gab auf und flog vom Turm. Wahrscheinlich wusste er, was gleich vor ihm passierte. Selbst das kleine Vogelhirn war dazu fähig. Im ersten Schwung überrollte der Karren vermutlich noch die vordersten Untoten. Aber da warteten zu viele davon. Die zerschmetterten Körper der wandernden Leichen sorgten dafür, dass die Holzräder blockierten. Andere fielen vor die Hufe des Zugtiers. Dann würde der Wagen kippen und die Insassen schnell unter den Angreifern begraben und zerrissen werden. Vielleicht hoffte der Vogel, ein paar Brocken frisches Fleisch zu ergattern.

Kurz vor dem Zusammenprall kletterte die Elfe trotz der wilden Fahrt auf den Kutschbock und hob die Faust. Helle Blitze blendeten die Augen der Zuschauer und fuhren in die Masse der Untote vor ihnen. Eine gewaltige Explosion zerschmetterte den Pulk und machte den Weg frei. Für einen Moment stand der Erfolg auf der Kippe. Bei dem Lärm scheute das Zugtier, der Wagen drohte umzukippen, doch die feste Hand des Wagenlenkers sorgte dafür, dass das Gespann seinen Weg fortsetzte. Der Geruch von verbrannter Luft drang bis auf den Turm.

Unter dem Jubel der Beobachter vor dem Tor und auf den Mauern fuhr der Karren in den Hof. Mit einem lauten Knall schlugen die Soldaten das Tor zu und verschlossen es mit schweren Balken. Das Geräusch übertönte das Flügelschlagen des Raben, als er neben ihm landete.

«Da haben wir uns beide getäuscht!» Hungrig klopfte der Vogel mit dem Schnabel gegen den Lederbeutel mit dem Trockenfleisch. Sein Herr scheuchte ihn mit einer Handbewegung fort. «Such weiter! Dieses Heer besteht aus allem, was zwischen hier und den Städten zwanzig Tagesreisen im Süden vergraben wurde. Die Untoten brauchen einen Anführer. Ich muss wissen, ob es Rieser ist.

***

Opappa erkannte erst in dem Moment, als sie das Holztor passierten, wie klein die Befestigungsanlage war. Zwischen dem Wehrturm und dem Tor lag nur ein enger Hof. So kurz, dass der Platz kaum ausreichte, den Karren, der auf der Flucht ein hohes Tempo erreichte, anzuhalten. Zum Glück bemerkte auch Esah, in welcher Gefahr sie sich befanden. Daher arbeiteten Mensch und Tier zusammen, um einen Zusammenprall mit der Turmmauer zu vereiteln. Das Muli stemmte die Hufe gegen das Pflaster, so dass die Funken flogen. Gleichzeitig zog der Kaufmann die Wagenbremse an, damit das schwere Gefährt nicht auf das arme Zugtier prallte.

Dabei machte er den Fehler, den Hebel zu stark anzuziehen. Zwar konnten sie verhindern, dass Karren und Insassen mit dem Turm kollidierten, das Gespann kippte jedoch mit einem lauten Krachen um. Dem Händler und den Mädchen gelang es, rechtzeitig abzuspringen, aber der Wagen zerbarst auf dem ausgetretenen Pflaster in Dutzende von Einzelteilen.

Opappa griff sich erleichtert ans Herz, als Esah in dem Durcheinander aufstand, verwirrt den Kopf schüttelte und dann blökend seinen Protest verkündete. «Den Göttern sei Dank. Dir ist nichts passiert», meinte er. Der Händler schaute nach den Mädchen, die fluchend Staub und Holzsplitter abklopften, aber unversehrt schienen.

«Hätte ich gewusst, wie Ihr Euren Karren anhält,» sagte Elo`tah, «wäre ich schon vor dem Tor abgesprungen.»

«Woher sollte ich wissen, wie winzig diese Anlage hier ist. Das ist mein erster Besuch. Der Platz reichte ja kaum aus, das Gespann zu wenden.»

«Normalerweise rasen unsere Besucher auch nicht wie von tausend Teufeln gejagt durch das Tor!» Eine dunkle Stimme mischte sich in das Gespräch. Ein schwer gerüsteter Ritter betrachtete das Chaos aus Holzteilen, Leinen und Fracht im Hof. Seine sorgfältig gepflegte Uniform mit dem goldenen Wappen des Landesherrn wies ihn als Befehlshaber der Befestigung aus.

«Sie halten vor dem Tor an, werden kontrolliert und fahren anschließend langsam hinein. Der enge Hof soll Belagerer behindern, wenn sie das Tor überwinden konnten. Sie bilden dann, dicht an dicht zusammengepfercht ein leichtes Ziel für die Besatzung im Wehrturm.»

Der Unbekannte stellte sich vor. «Gundur vom Weißfels. Ich trage hier die Verantwortung.» In den Augen des Offiziers blitzte Verbitterung. Der Blick, mit dem er die heruntergekommene Befestigung streifte, ließ erkennen, dass er lieber an einem anderen Ort seinem Herrn dienen würde.

«Macht Euch keine Gedanken, über das kleine Chaos hier. Bringt eure Waren in Sicherheit und sorgt für das Muli. Den Stall findet Ihr im Untergeschoss des Turms. Ihr müsst euer Zugtier nur überreden, durch die schmale Pforte da vorne zu gehen. Aber es ist der einzige Zugang für Mensch und Tier. Ich erwarte Euch da drinnen.»

Ein letzter Blick auf den zerstörten Karren. «Den Müll könnt Ihr liegenlassen. Der fällt hier kaum auf!»

***

Viel war nicht auf dem Wagen gewesen. Eine geringe Menge Futter, das nun auf dem Hof verstreut lag. Ein paar solide Kisten, die die Tauschwaren des Händlers enthielten und den Zusammenprall bis auf kleinere Kratzer überstanden. Den Inhalt wollte Opappa nachher im Turm überprüfen. Mensch und Tier schienen wohlauf. Das war das Wichtigste. Ihr Abenteuer hätte um ein Haar einen ganz anderen Verlauf nehmen können.

Eine Handvoll Soldaten, keineswegs so gepflegt wie ihr Kommandant, betrachtete das Durcheinander. Keiner machte Anstalten, ihm zu helfen. Viel lieber beobachteten sie die zwei jungen Frauen und sicher galten ihnen auch die geflüsterten Bemerkungen.

Er beschloss, das Maultier erst am Schluss in den Stall zu bringen. In der Zeit, in der sie die Waren reinbrachten, sollte das treue Muli zur Ruhe kommen. Mühsam stapelte er drei kleinere Kästen übereinander und hob sie an. Die beiden Mädchen trugen im Moment eine größere Kiste gemeinsam durch den schmalen Eingang und verschwanden im Inneren. Was für ein Glück, dass der magische Stab der Elfe am Ende einen letzten Rest seiner Kraft besaß. Wie immer es auch funktioniert hatte. Mit Magie wollte er nichts zu tun haben. Aber gut, dass Elo´tah damit umgehen konnte. Anderenfalls lägen sie alle jetzt zerrissen vor dem Tor.

Er rätselte, warum die Untoten ihr Verhalten so unvermittelt änderten. Ihre scheinbare Gleichgültigkeit hatte er bisher für selbstverständlich gehalten. Trotz des abschreckenden Äußeren. Ihm wurde das Herz schwer, als ihm der Gedanke kam, dass seine geliebte Ehefrau vielleicht zu den Belagerern vor der Mauer gehörte.

Eine Hand nahm ihm einen der Kästen ab. «Lasst Euch helfen. Ihr wirkt noch ein wenig mitgenommen. Seid sicher, ich trage ihn gern.»

Opappa schaute den Unbekannten an. Vor ihm stand in Leder und Stahl gerüstet ein kräftiger Mann. Allerdings gehörte er auf keinen Fall zu den Soldaten, denn die Rüstung trug nirgends die Farben der Burg und schien aus verschiedenen Quellen zu stammen. Im Stiefel steckten zwei Messer, die einem kleineren Krieger als Schwert gedient hätten. Ein Schlachtschwert hing am Gürtel, doch der Händler ahnte, dass sein Gegenüber weitere Waffen versteckte.

Die Miene des Mannes ließ erkennen, dass er nicht zu der Sorte gehörte, die Befehle annahm. Ein Einzelkämpfer. Vermutlich ein Söldner. Die vielen Kämpfe schienen ihre Spuren hinterlassen zu haben, denn er trug die rechte Hand in einem unförmigen Handschuh.

«Danke. Ich bin für jede Hilfe dankbar.» Der Kaufmann war im Laufe der Zeit weit herumgekommen. Mit diesem Mann legte man sich besser nicht an. «Ich heiße Opappa. Ein reisender Händler. Und wer seid Ihr?»

«Mein Name ist Sandos. Und ich bin ein Mörder.»

***






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