Die Antworten und neue Fragen ...

... in der neuen Episode von "Eisen und Magie: Nordwind". Mirgha hat die rettende Oase erreicht und ist auf die gesuchten Elfen gefunden. Elfen in der Wüste? Ein neues Rätsel, dass der Kurzroman lösen muss und wird. Heute wird klar, warum die junge Priesterin fliehen musste.

Doch wie passt das zu den aufgeweckten Toten im Familiengrab des Weinhändlers. Und was plant der Unbekannte, der eben noch versuchte einen zum Tode Verurteilten vom Richtplatz zu holen?

Freut Euch also auf weitere Kapitel von "Eisen und Magie: Nordwind!"


Eisen und Magie:

Nordwind

von Peter H. Brendt 
Der Trank schmeckte bitter. Mirgha versuchte, den Geschmack wieder zu erkennen, aber ohne Erfolg. Sie durchsuchte ihre Erinnerung, doch da klang nur ein Lied. Die Melodie kam ihr bekannt vor, die Sängerin weckte in ihrem Gedächtnis einen Pfad, dem sie erfreut folgte.

Dann erkannte sie die Stimme. Es war ihre Eigene. Sie selbst sang das Lied und auch der Ort, an sie es zuletzt gesungen hatte, tauchte vor ihrem Auge auf. Der Platz der Steine wartete auf seine Priesterin. Und im nächsten Augenblick floss die Erinnerung wie ein munterer Fluss zurück.

***

Mirgha überprüfte leise singend die Reihe der armdicken Baumstämme. Die Männer hatten sie sorgsam entrindet und jeden Ast entfernt. Nur die Stämme kamen in die engere Auswahl, die möglichst gerade wuchsen. Es brauchte die Kraft von vier Erwachsenen, um ein Exemplar zu tragen. Aber dies war nicht die schwierigste Aufgabe, die vor dem Clan der Steinmesser lag.

Auf der Reihe der Baumstämme lag ein schwerer Stein. Dreimal höher als Mirgha und fünf Männer besaßen kaum genug Armlänge, ihn gemeinsam zu umfassen, als er noch senkrecht auf dem Boden stand. Allein die Mühe, ihn langsam zu kippen und ohne Beschädigung flach auf die hölzernen Rollen zu legen, dauerte vier Tage und Nächte voller Anspannung.

Mirghas Stimme klang rissig und rau, denn die ganze Zeit sang sie beinahe pausenlos ihre Lieder, um den Beistand ihrer Götter für die schwere Arbeit zu erflehen. Die nächsten zwei Wochen bestanden ihre Aufgaben darin, die Stammesmitglieder zu unterstützen. Ihnen Essen und Getränke zu bringen, kleinere Wunden zu versorgen und für ausreichend Schlaf zu sorgen. Sie wusste, müde, hungrige oder kraftlose Menschen machten Fehler und Fehler verzieh der Transport des riesigen Steins nie. Auf fremde Hilfe brauchte sie nicht zu hoffen, denn die Errichtung eines neuen Pfeilers an der Begräbnisstelle der Ahnen gehörte zu den Prüfungen, die dem Clan alle vier Jahre auferlegt wurden. Gelang es, konnten sie sicher sein, auch für die nahe Zukunft das Wohlwollen der Erdgötter zu besitzen.

Zwei Wochen rollten, stemmten und schoben die Mitglieder des Stamms den Steinblock bis zu dem vorbestimmten Aufstellungsort. Dort richten sie ihn an einem genau festgelegten Platz auf, nicht weit von den Vorgängern vergangener Zeiten. Dieser hier würde den dritten Kreis endlich schließen. 24 Pfeiler aus den letzten beinahe hundert Jahren warteten auf den Schlussstein, der den äußeren Kranz aus riesigen Steinen vollendete.

In vier Sommern und Wintern konnte ein neuer Steinkreis begonnen werden. So war es immer gewesen und sollte es sein, solange der Stamm der Steinmesser existierte. Das Ritual hielt den Clan zusammen und die gemeinsame Anstrengung festigte die Bindungen untereinander.

Sobald der Steinpfeiler aufgestellt war, begann ein siebentägiges Fest voller Essen und Ausschweifungen. Die Belohnung für harte Arbeit. Die nächsten vier Jahre lang brachen die Steinhauer einen neuen Pfeiler aus dem Steinbruch. Er würde auf dem gleichen Weg zur Tempelanlage gebracht werden und den Anfang für einen weiteren Kreis bilden.

Mirgha wechselte einen Blick mit dem Oberpriester. Ein alter, weißhaariger Mann, der nur zu diesem Ereignis den Tempel verließ. Dort lebte er als Einsiedler, nur dem Dienst an der Erdgöttin verpflichtet.

In seinem Gesichtsausdruck leuchtete die Zufriedenheit über den gelungenen Ablauf der Vorbereitungen. Ein letztes Gebet und ein gemeinsames Mahl, dann begann der mühevolle Transport des Tempelsteins.

Doch bevor sie das Essen beendeten, ertönte lautes Hufgetrappel. Der Boden zitterte unter der Last donnernder Hufe. Mirgha erschrak. Gelegentlich tauchten räuberische Nomaden auf, die in waghalsigen Unternehmen die Wüste aus dem Osten durchquerten. Auf schnelle Beute aus, streiften sie auf leichten Pferden durch ihr Stammesgebiet, flüchteten jedoch stets, wenn die Elfen aus der Oase ihre Anwesenheit bemerkten und sie jagten. Dies hier klang nach starken Schlachtrössern mit gepanzerten Reitern. Die junge Frau erkannte sogar das Rumpeln schwerer Räder, die den Reitertross begleiteten.

Aus einer Staubwolke schälte sich ein Trupp Bewaffneter heraus, die anhielten, als sie die Arbeiter bemerkten. Ihr Clan griff zu den wenigen Waffen, die sie trotz der heiligen Aufgabe mitführten. Steinmesser, Hämmer und Äxte, um Strauchwerk wegzuschlagen und kleinere Hindernisse zu beseitigen. Rüstungen oder gar Panzer besaß niemand.

Ein Karren, gezogen von vier schnellen Schecken, zog an die Spitze der Neuankömmlinge. Die Reiter wichen dem Gespan bereitwillig, fast unterwürfig aus. Der Wagenführer hielt sein Gefährt an, noch bevor die Räder zum Stillstand kamen, sprang ein schlanker, ganz in Leder gekleideter Mann herab. Er zog ein Tuch vom Gesicht, das ihn vor dem aufgewirbelten Staub schützte. Darunter sah Mirgha die ebenmäßig geschnittenen Züge eines Jünglings. Nur der stechende Blick störte das gewinnende Lächeln, mit dem er den Oberpriester begrüßte.

»Ich grüße Euch. Hekosh ist mein Name!« Er deutete mit einer weiten Geste über den Steinpfeiler, der auf den Holzstämmen auf den Transport wartete. »Ich bin gekommen, um Euch diese elende Plackerei abzunehmen.«

Das Gesicht des Priesters verfärbte sich. Jede Farbe wich daraus, er riss den Mund auf und schnappte nach Atem. »Ihr beschimpft die Erdgötter. Lästert und beleidigt unsere Rituale«, stammelte er. »Warum wollt Ihr das tun?«

Hekosh lächelte freundlich. »Ihr müht Euch Tage über Tage. Riskiert das Leben und die Gesundheit der Männer, die mit ungeheurer Kraftanstrengung den schweren Stein zum Tempel bringen. Ich nehme Euch die Strapazen und Mühen ab!«

»Beantwortet die Frage. Wie hoch ist der Preis für diesen ... Gefallen? Wie wollt Ihr das schaffen?« Der Priester zeigte auf die Pferde. «Sollen die Tiere den Pfeiler ziehen?«

»Nein, die Soldaten benötigen ihre Reittiere. Mir stehen andere Mittel zur Verfügung.« Herkosh hob die rechte Hand und im selben Moment schwebte der schwere Stein zwei Handbreit über den Holzstämmen. »Seht, wie leicht es für mich ist! Und der Preis? Nun ...«

»Ich kenne den Preis«, unterbrach ihn der Priester. »Ihr wollt den Pfeiler mit eurem Zeichen versehen und ihn in den heiligen Kreis der Tempelanlage stellen.«

»Ihr seid klüger, als ich dachte«, grinste Herkosh. »Denkt nach! Ihr verliert nichts, sondern schützt diese Männer hier vor Verletzungen und Verstümmelungen. Und niemand wird verbieten, dass sie danach ein Fest feiern dürfen. Ich beteiligte mich gerne daran. Ich braucht Rinder? Weizen? Bier oder Branntwein? Kein Problem. Ihr bekommt so viel ihr wollt!«

»Wir verlieren zuviel.« Mittlerweile war der Kopf des Priesters vor Zorn rot angelaufen. »Das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das die gemeinsame Anstrengung schafft. Die Freude über das gelungene Werk. All das gibt dem Stamm neue Kraft für die Zukunft. Und das Zeichen eines fremden Magiers hat im Heiligtum des Clans niemals einen Platz!«

»Verschwindet! Und nehmt die Männer mit, die Ihr mitgebracht habt. Dies ist unser Land. Wir haben keine Verwendung für Euch!«

Die Mitglieder des Clans griffen nach ihren primitiven Steinwaffen und stellten sich schützend um den Oberpriester. Viele schimpften und stießen Drohungen aus. Ihre Anzahl überstieg die der Reiter, die Herkosh mitbrachte deutlich. Doch ihre Bewaffnung wirkte kümmerlich im Vergleich mit den Waffen der Neuankömmlinge. Einfache Kleidung aus Wolle und Leder standen gegen Plattenrüstung und Kettenhemden. Niemand konnte voraussehen, wie eine Auseinandersetzung enden würde.

Das erkannte auch der fremde Magier. Ein schriller Pfiff, und ein zweiter Karren rollte nach vorne. Deutlich schwerer und stabiler. Vier starke Kaltblüter zogen ihn an die Spitze des Trupps. Alle sahen sofort, warum man so kräftige Tiere vor den Wagen spannte.

Die Zugtiere schienen vor Erleichterung zu seufzen, als ein wahrer Hüne vom Kutschbock stieg. Dicke Eisenplatten beschützten jede Handbreit seines Körpers. Mirgha erkannte verwundert, das die Platten teilweise auf der Haut geschmiedet oder genietet waren. Als der Unbekannte langsam nach vorne stampfte, überragte er selbst die Häupter der großen Pferde deutlich. Überraschenderweise schützte den Kopf nur eine einfache Kapuze, aber ein dunkelgrünes Schimmern deutete an, dass dort ein magischer Schutz existierte.

Der Riese schwang einen Steinhammer, den fünf von Mirghas Steinmetzen nicht gehoben hätten. Jedem Schwung, jedem Hieb folgte an dem Ende, wo zwei dunkle Granitsteine den Hammerkopf bildeten, ein feuriger Schweif. Das Geräusch, mit dem die Waffe den Boden traf, kannte die Priesterin gut. Zweimal erlebte sie, dass einer der Steinpfeiler, der zum Heiligtum geschleppt werden sollte, noch im Steinbruch umfiel und ein Beben auslöste, das allen in der Nähe die Knie schlottern ließ.

Der Priester versuchte, den Clan zu schützen. Waffenlos und nur in einer einfachen Tunika stellte er sich dem Riesen entgegen. Zauberformeln murmelnd warf er mehrere Feuerbälle, die in seinen Händen erschienen, auf den Angreifer. Aber der Gegner schwang den schweren Kriegshammer, wie ein Kinderspielzeug und wehrte sie mit einer unvorstellbaren Geschwindigkeit ab. Dabei schritt er immer näher auf den Magier zu. Der steigerte das Tempo, mit er der die Geschosse erzeugte und auf den Feind schleuderte, doch ohne Erfolg. Der Hüne lenkte auch sie mit erstaunlicher Leichtigkeit zur Seite. Schließlich geriet der alte Mann in die Reichweite des Hammers. Ein wütender Schlag zerschmetterte ihn, als sein Körper den Boden berührte, erschien kurz eine dichte Staubwolke, dann verschwand er.

Für einen Augenblick starrten alle Clanmitglieder auf die Stelle, an der ihr Priester eben noch kämpfte. Mit einem Wutschrei stürmten sie wie eine geschlossene Welle auf den Hammerkämpfer zu. Sie erreichten ihn nicht einmal. Denn die schwer gepanzerten Reiter traten den leicht bewaffneten Angreifern entgegen und richteten ein Blutbad an.

Mirgha riss sich von dem Anblick der niedergemetzelten Mitglieder des Stammes los. Bisher hatte sie niemand von den Fremden beachtet. Sie fand ihr Pferd und ritt los. Nur ein Gedanke beherrschte sie: Sie musste die Oase der Elfen erreichen, die ihrem Volk in alten Zeiten beistanden und Hilfe holen. Ohne sie waren ihr Clan und das Heiligtum verloren.

In dem einen Augenblick presste sie das Gesicht fest in die Mähne des Schimmels und roch den Geruch des Pferdehaares. Im nächsten Moment schlug sie die Augen auf und blickte in Elo´tahs freundliches Lächeln.

«Sei unbesorgt! Du bist in Sicherheit!»





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