Es ist wieder soweit ...


... das letze Kapitel.

Lektüre für den Sonntag. Der letzte Teil von "Eisen und Magie: Die Dämonenhand"!

Auch dieser Kurzroman muss einmal ein Ende finden.

Ende??

Ihr erinnert Euch an die Kurzgeschichte "Eisen und Magie: Leichte Beute"? Diese Episode mit unserem Protagonisten Sandos wird der Epilog von einem neuen Roman sein. Und diese Episoden aus den vergangenen Wochen, die Fortsetzung. Das Mittelteil eines kompletten Romans.

Daraus folgt: Auch diese Episoden werden fortgesetzt werden und bilden dann eine neue Geschichte, die als Buch erscheinen wird.

Doch bis dahin dauert es noch etwas.

Aber dennoch werdet Ihr hier weitere Kurzgeschichten aus der Welt von "Eisen und Magie" lesen können. Den Anfang macht noch diese Woche die Kurzgeschichte "Eisen und Magie: Kampf am Krähenbaum".

Doch nun viel Spaß mit dem (vorläufig) letzten Kapitel von "Eisen und Magie: Dämonenhand".




Eisen und Magie


Dämonenhand


von Peter H. Brendt

Die Kontrahenten gönnten sich nur eine kurze Verschnaufpause. Gerush setzte seine alte Taktik fort, die Sandos entsprechend konterte. Doch das abgebrochene Schwert zersplitterte schnell unter den rasenden Hieben des Statthalters. Der Verlust der Waffe zwang den Kopfgeldjäger, beide Klingen mit der klauenbewehrten Dämonenhand abzuwehren.

Sofort erhöhte sich das Tempo des Kampfes. Immer unberechenbarer nutze Gerush die Enden des Doppelschwerts. Hatte er vorher häufig zwei Angriffe in gleicher Höhe gestartet, wechselte er jetzt stets von einem Hieb oder Stich zum Kopf zu einer Attacke gegen Hüfte und Beine. So zwang er Sandos, mit der rechten Hand weite Wege zu gehen, um die Klingen mit den um das Handgelenk gewickelten Tentakeln abzuwehren.

Nur viel Erfahrung rettete den Kopfgeldjäger im wilden Wirbel blitzender Schwerter davor, verletzt zu werden. Erneut erkannte er den Rhythmus und die Kampftechnik des alten Kampfmeisters. Das half ihm, die Angriffe Gerushs vorherzusehen, der mit seinen Attacken häufig diesem Muster folgte. Vermutlich rechnete der Statthalter damit, dass Sandos Kräfte erlahmten und einer der Schwertklingen am Ende das Ziel fand.

Von den bunt bemalten Wänden der Kammer hallte der Kampflärm wieder, als zwei in der Höllenwelt geschaffene Waffen aufeinanderprallten. Jeder Kontakt öffnete für einen Wimpernschlag die Grenze zwischen der Welt der Menschen und der Dämonen. Um die Risse zuckten dünne Blitze, die zunächst schnell verschwanden, aber mit der Fortdauer des Kampfs immer länger existierten. Sandos ahnte, das ihr Duell auf der anderen Seite mehrere Beobachter aufmerksam verfolgten. Und er wusste, wem ihre Sympathien galten.

Noch einmal steigerte Gerush das Tempo. Klingen verwandelten sich in wirbelnde Schemen. Es gelang dem Kopfgeldjäger jedoch, stets im letzten Augenblick einem Hieb auszuweichen oder ihn mit dem von Tentakel geschütztem Handgelenk zu blocken. Doch beide Kämpfer bewiesen, dass sie eine ausgezeichnete Ausbildung erhielten. In den Augen des Gegners glaubte Sandos sogar, Anzeichen von Enttäuschung zu erkennen. Möglich, dass er einen leichteren Sieg erwartete.

Aber der Kopfgeldjäger wartete auf eine Gelegenheit, einen eigenen Angriff vorzutragen. Seitdem er das Schwert verlor, stand ihm nur die Dämonenhand zur Verfügung. Das wenige, was er an Rüstung am Leib trug, reichte nicht aus, um ihn vor den Klingen zu schützen. Jeder Treffer bedeutete das Ende des Duells.

Sandos versuchte es mit einem Trick. Er täuschte vor, zu stolpern, um Gerush zu einem Fehler zu verleiten. Wirklich setzte der Statthalter einen Fuß ein winziges Stück zu weit nach vorne. Blitzschnell fand der Kopfgeldjäger sein Gleichgewicht wieder und nutzte den kleinen Moment der Verwirrung. Er trat gegen das Fußgelenk des Gegners und stellte befriedigt fest, dass er vor Schmerz aufstöhnte. Aber die Wucht des Tritts reichte nicht aus, ihn zu Fall zu bringen.

Gerush sprang zurück und gönnte ihm ein anerkennendes Lächeln. Bei den folgenden Attacken hinkte er ein wenig. Doch Sandos blieb skeptisch. Er traute seinem Gegenüber zu, dass er die Wirkung des Konters übertrieb, um ihn seinerseits zu einem überhasteten Manöver zu verleiten. Dennoch bewegte er sich so, dass der Statthalter das Gewicht häufiger auf den getroffenen Fuß legen musste. Allerdings besaß er nicht mehr viel Zeit, denn er bemerkte, dass der Gegner langsam die Überhand gewann. Er selbst konnte zu selten eigene Angriffe starten. Früher oder später, das sagte ihm die Erfahrung Hunderter von Zweikämpfen, fand eine der blitzenden Klingen ihr Ziel.

Doch auch Gerush brannte auf eine Entscheidung. Er eröffnete die nächsten Attacken in einem Muster, das Sandos bekannt vorkam. Das Kenji-Spiel zielte darauf aus, den in die Defensive gedrängten Kämpfer mit einer schnellen Folge bestimmter Hiebe und Stiche aus der Balance zu bringen. Am Ende erwartete ihn ein mit viel Kraft ausgeführter Stoß auf den Solarplexus. Selbst wenn der Angegriffene ihn abwehren konnte, befand er sich so sehr aus dem Gleichgewicht, dass er nicht genug Standfestigkeit besaß, der Klinge standzuhalten.

Sandos hörte in seiner Vorstellung die Worte des Schwertmeisters: «Kenji bedeutet, dass dein Gegner praktisch nur noch auf den Zehenspitzen steht. Dann nimm alle Kraft zusammen, ein kleiner Vorwärtsschritt und stoße ohne Gnade zu!»

Der Kopfgeldjäger verbarg die Genugtuung. Was Gerush nicht wissen konnte, dass es ein einfaches Mittel gab, den Angriff gegen ihn selbst zu wenden. Daher ließ er zu, dass der Statthalter ihn mit immer heftigeren Attacken in exakt diese Situation brachte.

Am Ende zeigte sich, dass Sandos Zweifel, dass der Tritt vorhin die erhoffte Wirkung hatte, berechtigt waren. Als sein Gegner das Gewicht in den finalen Stoß zum Bauch legte, nutzte er dazu das angeblich verletzte Bein.

Aber er war nicht der Einzige, der eine Finte einsetzte. Der Kopfgeldjäger fing die zustoßende Schwertklinge mit den Klauen der Rechten ab und ging dabei leicht in die Knie. Es wirkte so, als ob er um das Gleichgewicht kämpfte.

Gerush legte noch mehr Gewicht in den Stoß, um den Widerstand zu überwinden. Damit reagierte er so, wie es Sandos erwartete. Doch gegen das Kenji-Manöver gab es einen einfachen Trick.

Der Kopfgeldjäger klammerte mit den Schnäbeln der Dämonenhand die Klinge fest und zog sie zu seinen Gegner zu sich heran. Gleichzeitig trat er einen kurzen Schritt zur Seite. Auf diese Weise brach er das Gleichgewicht des Statthalters. Dabei wollte er die eigene Linke über die Schwertklinge führen und ihm einen Schlag gegen den Kehlkopf versetzen. Leider besaß er das Schwert nicht mehr, aber ein kräftiger Hieb zum Hals sollte Gerush ernsthaft verletzen.

Doch zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass der Gegner ein besonderes dämonisches Geschenk erhielt.

Der Statthalter strich mit den Fingern über den Griff, der das Doppelschwert verband. Der Schwertgriff teilte sich, plötzlich hielt er zwei Schwertklingen in der Hand und brachte Sandos damit in tödliche Gefahr. Die Klauenhand blockierte zwar die Waffe vor dem Bauch, aber schon holte Gerush aus, um mit dem zweiten Schwert zuzuschlagen.

Triumph leuchtete in den Augen, der Kopfgeldjäger besaß keine Chance zur Gegenwehr. Selbst wenn er die Linke rechtzeitig hochbrachte, er konnte die ungepanzerte Faust mit Leichtigkeit durchschlagen.

Der Statthalter holte tief Luft, um alle Kraft in den Schlag legen zu können, doch als er ausatmen wollte, verweigerte die Kehle den Dienst. Stattdessen peinigten ihn grausame Schmerzen. Er schaute herab und sah, dass die Tentakel an Sandos Hand eine größere Reichweite besaßen, als erwartet. Sie hatten sich soweit verlängert, dass sie seinen Hals umschlangen. Deutlich dünner als zuvor, bestanden sie nach wie vor aus der gleichen unzerstörbaren Substanz, die ihren Besitzer vor den Schwerthieben schützte.

Die Fangarme entwickelten enorme Kräfte, immer enger wurden die Schlingen um Gerushs Kehlkopf. Schließlich rissen sie den Kopf des Statthalters vom Körper.

Der Rumpf stand für einen Augenblick senkrecht. Ein paar Schläge lang versuchte das Herz, Blut in den Schädel zu pumpen. Es spritze als rote Fontäne gegen die hohe Decke, sein Kupfergeruch verdrängte für einen Moment den Gestank des Schwefels, dann sank der verstümmelte Torso zu Boden.

Sandos verschnaufte kurz. Er wusste, dies war noch nicht das Ende. Jetzt verlangte die Höllenwelt ihren Tribut.

An einer Wand erschien zunächst nur ein schmaler Riss, der bald größer wurde. Zusammen mit dem bekannten Geruch aus Schwefel und Verwesung schossen dünne Blitze an ihren Rändern. Sie schienen wie die Tentakel des Kopfgeldjägers nach Beute zu suchen. Die Hölle schuf einen Zugang in diese Welt und verlangte ein Opfer.

Die ersten Möbelstücke rutschten über den Fußboden in Richtung des Tors zur Höllenwelt. Auch Sandos spürte bereits die tastenden Fühler der Kraft, die ihn dorthin ziehen wollte, um ihn zu verschlucken. Er warf sich auf den Boden, um so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Seine ungeheure Körperkraft würde ihn jedoch nicht retten.

Genau vor ihm stand das Bett, auf dem Robs Tochter lag, immer noch im Todesschlaf. Die Ecken und Kanten der Tücher und Decken darauf zeigten bereits zum Höllenloch, doch im Augenblick reichte das Gewicht der jungen Frau aus, sie an Ort und Stelle zu halten. Irgendwann würden sie zusammen mit der Person, die dort ruhte, hineingezogen werden.

An dem flatternden Stoff vorbei erkannte Sandos, dass Rob die Ruhestätte, die er für seine Tochter ausgewählt hatte, am Boden fest mauern ließ. Vielleicht nutzte er auch einen alten Hausaltar aus Marmor oder Granit. Denn der Kopfgeldjäger bemerkte Reliefs und Zeichen auf dem Stein. Er musste versuchen, dahinter zu gelangen und hoffen, im Windschatten des massiven Möbelstücks Schutz zu finden.

Obwohl er es als unwürdig empfand, kroch er mit der Nase am Fußboden vorwärts. Doch der Sog verstärkte sich und wurde rasch mächtiger. Bald wusste Sandos, dass ihm die Zeit davonlief. Der Weg bis zur Deckung war noch weit, aber er wagte es nicht, aufzustehen. Das hätte das Ende nur beschleunigt. Er verspürte bereits den Sog, der an seinen Füßen zerrte.

Der Gestank, der aus der Höllenwelt strömte, raubte ihm den Atem. Der Riss nahm an Umfang schnell zu und damit entwickelte er immer neue Kraft. Der Kopfgeldjäger fürchtete, dass er ihm bald nicht mehr standhalten konnte.

Vor ihm lag die schmale Rinne, die als Pentagramm um die Ruhestätte führte. Ihre Form und das heilige Öl, das Rob in sie einleitete, schützte die junge Frau vor den Dämonen, bis Sandos eintraf und die Linien unterbrach.

Der Kopfgeldjäger hieb die zu Hornschnäbeln mutierten stahlharten Finger in die dünne Rille. Die Klauen bohrten sich in den Stein, unterstützt von den Tentakeln, und so gelang es ihm, seine Position für den Moment zu halten. Aber er fürchtete, dass die kümmerliche Kante, in der er sich festklammerte, unter der Belastung bald abbrach oder einfach weg krümelte.

Der Sog erfasste auch die Leiche des Statthalters und der kopflose Körper glitt an ihm vorbei. Im letzten Augenblick schaffte es Sandos, ihn mit den Beinen zu packen und festzuhalten. Dann fasste er mit der Linken nach und zog den Rumpf heran.

Verzweifelt suchte der Kopfgeldjäger in seiner Erinnerung einen Gott, den er noch nicht beleidigt, verletzt oder getötet hatte. Irgendwen, der er um Hilfe bitten könne, aber da war niemand. Jeden Moment würde ihn der Sog erfassen und in den Höllenschlund schleudern.

Es brauchte alle Kraft, Geschicklichkeit und Glück, bis er die Leiche so nah herangezogen hatte, das er genau in den offenen Hals schauen konnte. Ein zufriedenes Lächeln spielte auf seinen Lippen, als er den blutigen Stumpf erblickte.

Noch schenkte ihm ein vergessener Gott eine Chance. Doch die Klauenhand durfte ihren sicheren Griff nicht verlieren.

Er drückte den Hals der Leiche auf die dünne Rille, in der vorher das heilige Öl schwamm. Dann presste Sandos, mit letzter Kraft mehrmals den Brustkorb des Toten, bis das übrige Blut heraustrat. Es sammelte sich in der Rinne und füllte sie langsam auf.

Zu seinem Bedauern konnte der Kopfgeldjäger die andere Seite des alten Altars nicht einsehen. Er hoffte, dass genug Flüssigkeit geflossen war. Danach ließ er Gerushs Leichnam los.

Sofort wurde er in die Pforte zur Höllenwelt gesaugt. Als der Körper den Rand passierte, schloss sich im gleichen Augenblick die Spalte. Plötzlich herrschte Totenstille. Nur der Gestank waberte wie ein grauer Nebel weiter in der Schlafkammer.

Sandos ahnte, dass das nicht das Ende war. Entschlossen nutzte er die Ruhe und sprang auf den den Altar. Der Kopfgeldjäger kam in einer eher unschicklichen Position auf der Tochter des Schmugglers zu liegen. Gut dass, Robb den Raumverlassen hatte. Aber es zeigte sich, dass seine Entscheidung richtig war.

Noch einmal griff der Höllenschlund nach ihm. Blitze zuckten heraus und suchten ein weiteres Opfer. Der tote Gerush reichte den Herren der Dämonenwelt nicht aus, um ihre Gier zu befriedigen.

Schnell warf Sandos einen Blick auf die andere Seite des Hausaltars. Ein vergessener Gott schien ihm, trotz aller Blasphemie, wohlgesonnen zu sein. Das aus dem Rumpf herausgepresste Blut füllte die Linien des Pentagramms und bildete ein dünnes jedoch durchgehendes Fünfeck. Darin war jede Person oder Gegenstand vor den Mächten der Hölle geschützt.

Die Fühler, die weiter nach Beute suchten, kamen nur bis zum Rand des Bannzeichens. Ein wütendes Grollen drang aus der Spalte, dann schloss sie sich mit einem lauten Knall.

Sandos wartete lange Zeit. Sorgsam betrachtete er die junge Frau unter ihm. Erleichtert stellte er fest, dass langsam in ihr Gesicht Farbe und Leben zurückkehrte. Offenbar hatte mit Gerushs Tod auch sein Herr den Kampf um Robbs Tochter aufgegeben. Erst als er sicher war, dass keine weitere Gefahr drohte, stieg er vom Altar herab.

Das Zimmer ähnelte einem Schlachtfeld. Zertrümmerte Möbelstücke, Fetzen von Vorhängen und Wandteppichen und zerbrochenes Geschirr bedeckten den Boden. Das Doppelschwert konnte er nirgends erblicken. Der Dämon, dem der Statthalter die Treue geschworen hatte, nahm die Waffe vermutlich zurück. Sandos ahnte, dass er sie irgendwann wiedersehen würde.

Er griff einen der Stofffetzen und verhüllte die Dämonenhand. Klauen und Tentakel schienen sich einen Augenblick dagegen wehren zu wollen. Der Kopfgeldjäger setzte seine ganze Willenskraft ein, um sie zu besänftigen. Nach einem kurzen Kampf umschlossen die Fangarme das Handgelenk, die verwandelten Finger kamen zur Ruhe. Für einen Moment glaubte Sandos, die Mutation hätten an Größe zugenommen. Aber er war zu müde, um es genauer zu untersuchen.

Mürrisch durchsuchte er die Trümmer, hoffte eine Flasche Wein oder etwas anderes Trinkbares zu finden. Er stellte zu seinem Bedauern fest, dass das Inferno, das durch den Raum getobt war, alles außerhalb des Pentagramms zerstörte. Dumm, dass Rob erst am nächsten Morgen auftauchte.

Sandos zuckte bedauernd mit den Schultern. Der Kampf war entschieden. Langsam verflüchtige sich der Geruch von Schwefel und toten Dingen, der aus der Dämonenwelt gedrungen war. Er hatte wieder einmal überlebt. Und nur das zählte.

Der Kopfgeldjäger kauerte in eine Ecke und wartete mit der Geduld eines Raubtiers auf das Morgengrauen.

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