Der letzte Schuss ...

Wo waren unsere Freunde während des Gemetzels zwischen Schmugglern und Ghoulen?
Bleibt noch Zeit für einen letzten Schuss? Hält die alte Maschine so lange durch? Kann das Lagerhaus endlich vernichtet werden? Hält uns der Autor ein weiteres Kapitel am kurzen Zügel?

Fragen, die das folgende Kapitel löst. Viel Spaß damit.

Das letzte Kapitel verpasst? Ihr findet es hier.




Pan Mochtgehrn hörte in der Dunkelheit seines Verstecks die Geräusche von Kampf und Tod. Die Ghoule kämpften stumm, allein die Flüche, Verwünschungen und verzweifelten Schmerzensschreie der Schmuggler berichteten über den Verlauf der tödlichen Auseinandersetzung. Irgendwann waren da nur noch Fressen, Reißen, Schmatzen.

Schwere Körper wurden in Richtung der Gräberfelder gezogen. Die Leichenfresser brachten das, was sie nicht sofort fressen konnten, in die Sicherheit ihrer Verstecke auf dem Friedhof. Dann war plötzlich Stille.

Doch Mochtgehrn traute dem Frieden nicht. Warteten dort draußen Ghoule? Versuchten sie die beiden Beamten herauszulocken? Er beschloss zu warten und hoffte, dass auch Master Leym auf den gleichen Gedanken gekommen war.

Dann setzte das Geräusch der Frösche erneut ein. Die ersten Lichtstrahlen stahlen sich durch die Ritzen seines Verstecks. Die Sonne stieg auf, jetzt waren die bleichen Ungeheuer gezwungen, sich in die Spalten und Höhlen zurückzuziehen.

Vorsichtig, seine einzige Waffe das Brecheisen, fest umklammernd öffnete er misstrauisch und wachsam den Deckel der Munitionskiste, in der die Soldaten vorher die Steinkugeln verwahrten. Gut, dass er und Master Leym um Zeit zu sparen, die Steine neben der Wurfschleuder aufstapelten. So fanden sie in den beiden Kisten den Platz, den sie brauchten, um sich vor den angreifenden Ghoulen zu verstecken.

Die Spuren um das Katapult bewiesen, dass es einen heftigen Kampf gab. Dazu passten die Geräusche, die sie in ihrem Versteck mithörten. Es lagen nirgends Tote auf dem Kampfplatz, weder Leichenfresser, noch Menschen. Das führte zu dem Schluss, dass die bleichen Ungeheuer, den Sieg davontrugen.

Von diesen Gegnern ging im Moment keine Gefahr aus.

Aber ihr eigentliches Ziel wartete direkt am Ufer. Dort stand das Lagerhaus, Hauptquartier einer Schmugglerbande, unversehrt, ohne einen Kratzer. Es blieb nicht viel Zeit für ihr Vorhaben. Am Horizont kündigte die Morgenröte einen neuen Tag an. In ihrem Licht würde jede Wache, jeder Besucher des Friedhofs ihren Aufenthalt dort bemerken. Dann war ihr Plan gescheitert.

Offenbar hatte die Steinschleuder keinerlei Schäden davongetragen. Die Maschine lauerte wie ein dunkles Ungeheuer darauf, ein weiteres Geschoss abzufeuern. Es gab noch ein paar Steinkugeln aus den Munitionskisten, die die beiden Freunde dazu verwenden konnten. Mit dem Mechanismus waren sie mittlerweile vertraut. Doch Master Leym fasste ihr größtes Problem zusammen:

"Unser Ziel liegt zu nahe. Wir können es mit diesem Katapult nicht erreichen!"

Im ersten Moment wollte Pan Mochtgehrn verzweifeln, aber dann kehrte sein Mut zurück. Seit dem gestrigen Morgen reihte sich Schwierigkeit an Schwierigkeit. Und nirgends in einem Handbuch oder Lehrgang der höheren Verwaltungsschule fand sich ein Lösungsvorschlag. Kein Gesetz oder eine Verwaltungsvorschrift gab Anweisungen über Totenbeschwörung, Reaktivierungen alter Kriegsmaschinen oder der Konfliktvermeidung mit bleichen Minderheiten, deren Ernährungsgewohnheiten das eigene Leben bedrohten. Was hatte er in den vergangenen 24 Stunden nicht alles erlebt und gemeistert. Irgendwo lag auch eine Lösung, um einen letzten, entscheidenden Steinwurf auf ihr Ziel abzuschießen.

"Es gibt nur einen Gegenstand, der beweglich ist. Das ist dieses Katapult", erklärte er.

"Doch das blöde Ding ist mit Ketten an seinem Standort gefesselt. Und das mit gutem Grund." Master Leym untersuchte die einzelnen Kettenglieder, suchte nach einer Schwachstelle. "Nach jedem Schuss versucht die Maschine, ihren alten Platz zu verlassen. Die Kräfte und der Schwung, die der ausgelöste Wurfarm verursacht, bewegt selbst so eine schwere Kriegsmaschine. Nach drei Abschüssen befände sie sich direkt an der Mauer. Zu weit, um Ziele auf dem Wasser zu erreichen. Die Soldaten müssten die unhandliche Schleuder jedes Mal an ihre ursprüngliche Position zurückwuchten und komplett neu ausrichten. Deshalb die Halteketten."

"Uns bleibt nur Zeit für einen Versuch", entgegnete Pan. "Dann sind die Wachen hier. Damit wäre der Plan gescheitert. Wir lösen das Katapult von den Ketten, schieben es so lange zurück, dass die Einstellung für die kürzeste Entfernung das Lagerhaus trifft. Wir werden eine Menge Glück brauchen. Allerdings schätze ich, die Umstände zwingen uns, alles auf eine Karte zu setzen."

Master Leym überlegte für einen Moment, dann suchte er sein mittlerweile arg ramponiertes Brecheisen. "Du hast Recht. Diese Kettenglieder wirken zwar solide, doch gemeinsam können wir es schaffen!"

Die nächsten Minuten hebelten, drückten und stemmten die beiden Beamten um ihr Leben. Nicht nur einmal verbogen sie eines ihrer Werkzeuge, am Ende zerbrach Mochtgerns Eisen, klirrend flogen die Einzelteile in die Büsche.

"So ein Mist", meinte er. "So knapp vor unserem Ziel." Wirklich wartete allein ein Glied einer Kette darauf, aus ihrem Ringbolzen herausgebrochen zu werden. Dann hatten die Freunde das Katapult aus seinen Fesseln befreit.

Master Leym nutzte die Zwangspause und strich sich den Schweiß von der Stirn. Dieser Seidenanzug war nicht für solche Unternehmen geeignet. Missmutig betrachtete er seine eigene Brechstange. Auch sie zeigte deutlich Spuren ihres harten Einsatzes.

"Zwei Dinge kaufe ich mir nach diesem Abenteuer", fasste er zusammen. "Einen für diese Ausflüge passenden Anzug und besseres Werkzeug. Etwas aus soliderem Stahl, nicht so ein Spielzeug."

"Solider Stahl!" Mochtgehrn schlug sich an die Stirn. Wie konnte er das vergessen. Da war ja noch das Messer seines Leibwächters Bittigh. Der lag bestimmt noch bewusstlos in seiner Wohnung. Doch für seine Waffe gab es hier reichlich zu tun. Die Klinge war nach ihrem ersten Schuss in die Büsche geflogen. Er dankte, den Göttern, dass langsam die Sonne aufging. In dem Licht fand er die Waffe schnell. Und sie schaute trotz des kleinen Malheurs recht solide aus.

"Die sollte es tun", rief er und dann machten sie die beiden Freunde mit frischem Mut ans Werk. Mit dem neuen Stahl dauerte es nicht lange, bis das letzte Kettenglied zerbrach. Ohne große Pause schoben, zerrten und drückten sie die Wurfmaschine in eine bessere Position.

Master Leym entfernte sich ein paar Schritte, um die Entfernung zum Lagerhaus au seinem anderen Blickwinkel einzuschätzen. "Es sollte hinkommen. Genauer lässt sich so ein altes Ding nicht einrichten. Wir sollten vielleicht einen etwas leichteren Stein auswählen. Dann könnten wir Glück haben."

Gemeinsam drehten sie den Wurfarm mit Hilfe der Markierung in die Position für die kürzeste Entfernung. Es blieb ihnen wirklich nicht viel Zeit. Aus dem Hafen erreichten sie die ersten Geräusche der erwachenden Stadt. Es fand sich ein Geschoss, das ein wenig kleiner und leichter wirkte, als die übrigen. Nachdem es mit Mühe und noch mehr Schweiß seinen Platz in der schaufelförmigen Mulde gefunden hatte, hatte Pan eine weitere Idee.

"Wir haben nur diesen einen Versuch. Einen einzigen Stein. Wir sollten alles tun, damit er auch wirklich das Lagerhaus zerstört." Er holte den letzten Rest Lampenöl und goss ihn über das Geschoss. Dann zündete er es an.

Master Leym nickte anerkennend. "Dir, Freund Mochtgehrn gehört die Ehre, diesen Schuss abzufeuern. Entweder müssen wir nachher aus der Stadt fliehen, weil der Rat hinter uns her ist. Oder wir haben Erfolg. In diesem Fall darf er nie erfahren, wie wir es angestellt haben. Schöne Aussichten für eine Beamtenkarriere!"

Pan zog den Bolzen heraus und wartete gespannt auf den Abschuss. Wieder zierte sich die Kriegsmaschine für einen Moment. In ihrem Inneren rasselte und knarrte es. Etwas zerbrach mit einem metallischen Klingen, dem ein bösartiges Zischen folgte. Das Katapult ruckelte so stark, dass er befürchtete, es würde seine Schussposition verlassen. Dann löste sich mit einem ohrenbetäubenden Knall der Wurfarm aus seiner Fixierung und schleuderte den brennenden Stein hoch in die Luft.

Das Licht reichte mittlerweile aus, um seinen Flug zu verfolgen. Die beiden Freunde beobachteten ihn mit offenem Mund. Das Geschoss flog in die richtige Richtung, für einen kurzen Moment lang schien es auch dort zu landen, wo sie es geplant hatten.

"Bei den Göttern. Nicht daneben!"

Der Stein landete neben dem Lagerhaus.





Kommentare

  1. Guten Morgen Peter,
    ich bin gespannt, wie es weiter geht. Liebe Grüße Erdi

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  2. Nach all den Kraftakten, Gefahren, Berechnungen nun mit dem letzten Schuss so ein Pech ?
    Ich mag es kaum glauben.
    Vieleicht rettet das LAmpenöl noch das Vorhaben der beiden nächtlichen Schwerstarbeiter.. ich würde es ihnen wünschen, nach all der Plagerei.
    Wenn sie nicht der Gegner wären.. man würde den Ghoulen fast dankbar sein wollen, dass sie das Schmugglerproblem gelöst haben, ohne noch auf Pan und Master Leym losgegangen zu sein.
    Aber es steht nach wie vor die Frage im Raum.. Was geschieht noch mit dem letzten Schuss ? Wirklich hoffnungslos daneben ??
    Ich bin gespannt..

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