Gebrochene Seelen ...

Zum Wochenende das neuste Kapitel aus "Jason Derringer: Der Pfad der Rache". Unsere Freunde haben das Versteck der Skalpjäger erreicht. Jetzt gilt es, leise und unbemerkt heranzuschleichen, um sie zu überraschen. Yerry Silver möchte Blutvergießen vermeiden und hat einen Plan.

Doch jeder Plan ...

Viel Spaß mit dem neuen und wie immer kostenlosen Kapitel aus dem Wilden Westen.

Das letzte Kapitel verpasst? Ihr findet es hier.



Yerry Silver ahmte das Todeskeckern eines Präriehunds nach. Nach einer Pause wiederholte er ihn zweimal schnell hintereinander. Hinter wabernden Hitzeschleiern, die über dem heißen Boden flimmerten, tauchte die Silhouette seines indianischen Freundes auf. Neben ihm wuchsen die Umrisse ihrer beiden Pferde aus dem Sand. Die gelehrigen Tiere hatten liegend auf sein Kommando gewartet.

Fuchs schob das Gewehr in die schützende Hülle zurück. Diesmal war es seine Aufgabe gewesen, dem Mann vom Mississippi von dort Feuerschutz zu geben, falls die Posten das Anschleichen bemerkten. Er winkte, und stieg in seinen Sattel. Den zweiten Mustang schickte er mit einem Handzeichen zu seinem Herren. Dann ritt er los, um die Mescaleros und Kennedy, die etwa eine halbe Meile ebenfalls verborgen lagen, heranzuholen.

Silver beobachtete hinter einem Felsen die Mörderbande, die sich in der alten Goldmine einrichtete. Der Eingang in das Stollensystem bot genug Platz, die Pferde der Banditen hineinzubringen. Eine Möglichkeit, die ihre Gegner zu seinem Pech nutzen. Der Plan ihre Reittiere zu zerstreuen, zur Not auch aus der Entfernung zu erschießen, konnte er daher vergessen.

Ihre einzige Chance bestand darin, die Kerle, sobald die Mescaleros eintrafen, so heftig unter Feuer zu setzen, dass sie ihre Niederlage einsahen. Doch bis dahin würde eine Menge heißes Blei durch die Luft fliegen. Er hoffte, dass es nicht viele Opfer gab. Auf beiden Seiten. Mit etwas Glück ließen sich die Skalpjäger auf Verhandlungen ein. Zu groß war die Übermacht der Indianer.

Allerdings schätzte er, dass die zwei Synner-Brüder bis zur letzten Kugel kämpften. Sie versorgten im Augenblick vor dem Eingang ihre Reittiere. In dem Moment, in dem seine Verstärkung ihn erreichte, wollte er sie zusammen mit dem Fuchs von hier aus erschießen. Ohne ihre skrupellosen Anführer konnte er die Bande leichter überreden, aufzugeben.

Doch dafür brauchte er Unterstützung. Allein besaß er keine Chance. Er zog die Revolver aus den Holstern der toten Wachposten und untersuchte ihre Karabiner. Armeewaffen, man sah ihnen ihre lange Geschichte an. Gepflegt, wie man es bei alten Soldaten erwartete, jedoch nicht präzise genug für diese Entfernung.

Aufregung und Lärm vor der Goldmine weckte seine Aufmerksamkeit. Etwas tat sich dort. Hoffentlich traf die Verstärkung bald ein. Die eigenen Gewehre hingen noch am Sattel des Mustangs, der langsam näherkam. Aber im Augenblick waren die begehrten Waffen außer Reichweite. Und er durfte die Position zwischen den Felsen nicht verlassen. Zu riskant.

Als er erkannte, was die Banditen vorhatten, fluchte Silver. Er hatte zu früh zugeschlagen.

Zwei Skalpjäger entfernten sich und gingen in seine Richtung. Sie antworteten lachend auf die höhnischen Rufe ihrer Komplizen. Beide schleppten ihre Schusswaffen und einen Wasservorrat mit. Das konnte nur eines bedeuten. Sie machten sich bereit, die toten Posten abzulösen. Die Kerle würden ihn erreichen, bevor Fuchs und die Mescaleros eintrafen. Und sein Reittier bemerken. Das musste Yerry verhindern, ohne dass die übrigen Mitglieder der Bande davon Wind bekamen.

Schnell vergewisserte er sich, dass die toten Wachposten versteckt lagen. Die Ablösung folgte einem dünnen Trampelpfad, den vermutlich ihre Vorgänger schon benutzten. An seinem Rand bemerkte er einige Felsbrocken, die Deckung boten. Seine Gewehre und Pistolen befanden sich noch außer Reichweite am Sattel. Der Einsatz seines Derringers in der Innentasche seiner Weste schied aus. Zu kleines Kaliber und zu viel Lärm. Silver war gezwungen, zwei bewaffnete Gegner mit dem Bowiemesser zu erledigen. Lautlos! Ohne Aufsehen. Sonst hatte er im Handumdrehen den Rest der Bande am Hals.

Er zog sein Messer, das ihm Minuten zuvor gute Dienste leistete. Wichtig, die Kerle zu erwischen, bevor sie seinen Mustang sahen, der sich ahnungslos den Felsen näherte. Er legte sich direkt neben einem mittelgroßen Steinbrocken unter einen dürren Strauch. Drüben in Texas nannten die Leute ihn Bitterstrauch, eine Wolke seines beißenden Pflanzendufts hing in der Luft. Seine schmalen Blätter spendeten sogar ein wenig Schutz gegen die sengenden Sonnenstrahlen. Doch gegen die Hitze, die der helle Boden reflektierte, half er nicht.

Dann kam die Zeit, die Silver bereits im Krieg hasste. Das nervenzerfetzende Warten, bis man Tod und Verderben über seinen Feind brachte. Die Wartezeit, in der die Furcht vor dem eigenen Sterben, der Gedanke einen Fremden umzubringen, die Angst dabei zu versagen miteinander kämpften. Er atmete flach, um sich nicht zu verraten und die Schritte der Ablösung nicht zu überhören.

Das Messer hielt er in der Rechten, die Klinge schob er in den Ärmel seine Jacke. Es wäre nicht das erste Mal, dass das Funkeln glänzenden Stahls einen Hinterhalt verriet. Der helle Boden half seinen Anzug zu verbergen. Bisweilen unbequem, Weste und Sakko passten nicht in diese wilde Gegend. Aber nach dem Krieg brauchte er jede Hilfe, um das viele Blut, die immer fortschreitende Verwahrlosung und das Chaos zu vergessen. Zumal mit der körperlichen Veränderung, die seine Kameraden, er selbst, ja vermutlich auch der Feind durchlitten, eine moralische, geistige Deformation folgte. Bald sahen die Soldaten ihren Gegner nicht mehr als ein menschliches Wesen. Jemand, der zuhause vielleicht eine Frau, Kinder zurückließ. Er gab ihm die Schuld für Hunger, Durst, die Flohbisse, die Willkür des Sergeanten, Tod und Verstümmelung. Tötete er sie, dann konnte er der Hölle schneller entkommen.

Der weiße Anzug wirkte als Rüstung, die das Böse in seiner Seele einsperrte. Dessen Natur positive Werte, wie Höflichkeit oder Respekt vermittelte. Jetzt lag er wieder in einem Hinterhalt, bereit seinen Teufel von der Kette zu lassen. Rasch, leise, effektiv und vor allen Dingen lautlos.

Das Bild seiner toten Ehefrau tauchte in seinen Gedanken auf. Eve brachte ihn aus der Welt des Bluts und wütendem Toben in eine Zukunft voller neuer Hoffnung und Träume. Träume, die im Salon eines Dampfers unter den Kugeln dieses verdammten Bastards Jello Synner erneut in einem Blutbad endeten.

Silver zwang seine Sinne zurück in das Hier und Heute. Die Schritte der Ablösung kamen näher. Langsam spannte er die Muskeln, zog die Knie etwas an, machte sich sprungbereit. Sein Plan bestand darin, die Skalpjäger vorbei zu lassen und erst den hintersten, anschließend den vorderen Banditen mit dem Messer niederzustechen.

Ein neues Geräusch! Kein Stampfen schwerer Stiefel. Ein leises, kratzendes Schlürfen. Es näherte sich aus der anderen Richtung. Noch jemand suchte unter dem Bitterstrauch Schutz vor der Hitze und ein Versteck. Jemand, der in dieser Halbwüste zu Hause war. Im Gegensatz zu ihm.

Schuppen kratzten über den Stoff seines Ärmels, der dunkle Körper einer Klapperschlange legte sich auf seine linke Hand und kam dort zur Ruhe.





Kommentare

  1. Eine Klapperschlange..
    Was auf den ersten Blick gefährlich erscheint, könnte auf den Zweiten eine Erleichterung beim Überwältigen der Wachposten sein. Silver müsste nur ihren Kopf zu packen kriegen, dann könnte er mit einem geschickten Wurf...
    So abglelnkt dürfte es leichter sein, die Beiden zu überwältigen..
    Aber.. das ist natürlich reine Spekulation.. Warten wir ab. Vieleicht beisst sie ihn ja auch und er stibt einsam hinter einem Stein bei einer Goldmine..
    (Das glaubt doch nicht wirklich jemand ?)

    Wir haben in den Kapiteln zuvor etwas über das Denken, das Erlebte Kennedys erfahren. Krieg, Schicksalsschläge..
    Diesmal ist also Silver dran..
    Auch er war im Krieg, aber das ist nicht das antreibende Element. Hier geht es vorrangig um den Tod seiner Frau.
    Das macht ihn zu keinem besseren oder schlechteren Menschen, aber es hilft zu verstehen, warum dieser MAnn nicht aufgeben kann, sich nicht mit Teilerfolgen abfinden kann, oder einfach nur im Kloster, abwartend auf seine Zeit wartet.

    Ich bin gespannt wie es weitergeht, das nächste Mal.
    Warten wir's ab.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tom Tauber: Einzelkämpfer -3-

Es geht in die Endphase!

Wer sich den Tod wünscht ...