Ist das schon das Ende?

Unsere Freunde, Pan und Master Leym konnten das erste Problem lösen: Wie funktioniert so ein altes Katapult. Jedoch weckten ihre Aktivitäten das Interesse einer Menge gewaltbereiter Nachbarn. Bei den Ghoulen kann man sogar von "Hunger" sprechen. Dazu kommen kampferprobte Schmuggler, die ihr Eigentum schützen wollen.

Gut möglich, dass es unseren Helden so ergeht wie einer Handvoll Getreidekörnern, die zwischen zwei Mühlsteine geraten sind. Wie sagt ein ungekrönter Herrscher immer: "Schaun'n mer mal!" In diesem Fall besser: "Lest es mal!"

Viel Spaß mit dem neusten (wie immer kostenlosen) Kapitel aus "Eisen und Magie: Der Ghoulkönig"!


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Diesmal stellten sie anhand Hilfe der Markierung die kürzeste Entfernung ein. Ein neues Geschoss fand seinen Platz auf dem Wurfarm. Erst jetzt bemerkte Mochtgehrn, dass die Wucht des ersten Abschusses das Katapult ein wenig seitlich versetzt hatte. Gemeinsam setzten sie ihre Brechstangen ein, um die schussfertig gespannte Schleuder ein zweites Mal in Richtung des Lagerhauses auszurichten. Beide stöhnten und ächzten, der Schweiß lief den Zwei über die Stirn, denn die mit einem Wurfgeschoss geladene Wurfmaschine wog nun mehr als vorher. Nur mit viel Mühe gelang, es die Maschine erneut in die richtige Position zu bringen.

Diesmal zog Pan den Bolzen heraus. Der Arm schnellte lautkrachend nach vorne und schleuderte das Geschoss in die Nachtluft. Für einen Augenblick fürchtete Mochtgehrn, dass der Lärm die Toten auf dem Friedhof weckte. Dieses Geräusch sollte selbst den faulsten Wachposten der Südmauer alarmieren. Es war allein eine Frage der Zeit, bis einer von ihnen auftauchen würde. Doch noch früher erwartete er Besuch aus Richtung des Lagerhauses. Die Ganoven gingen in der Regel ehrgeiziger zur Arbeit als die Posten.

Angespannt warteten er und Master Leym, an welcher Stelle der Stein einschlug. Das Dunkel verschluckte das abgeschossene Wurfgeschoss, aber der Einschlag ließ Schlamm und Wasser in der Nähe des Ufers hoch aufspritzen. Ihre Berechnungen stimmten offenbar.

"Jetzt muss es schnell gehen", drängte Pan. "Nicht lange und wir bekommen Besuch!"

Wirklich bemerkten sie Bewegung und Rufe am Lagerhaus. Männer sammelten sich, laute Befehle klangen durch die Nacht. Doch noch gab es keine Reaktion von der Südmauer.

Die beiden Freunde kontrollierten das Katapult. Vergewisserten sich, dass es beim dritten Schuss in die richtige Richtung zeigte. Master Leym wollte den nächsten Stein auf den Wurfarm hieven, ab Mochtgehrn hielt ihn am Ärmel fest. "Wir haben nicht mehr viel Zeit!"

"Warum? Die Mauer mit den Wachen ist ruhig. Die Schmuggler brauchen ein paar Minuten. Das schaffen wir!"

"Die meine ich nicht", antwortete Pan. "Der Lärm hat ganz andere Neugierige angelockt." Sein Zeigefinger wies zum Friedhof. Der Wind kam vom Wasser, drückte das dürre Gras herunter, so dass die Spitzen landeinwärts zeigten. An einigen Stellen jedoch deuteten sie direkt auf das Katapult.

"Bei den schwarzen Göttern", entfuhr es Master Leym. "Da schleichen sich unsere leichenblassen Freunde heran. Auf der Suche nach einem späten Abendessen."

"Ich zähle sechs verdächtige Punkte im Friedhofsgras. Das bedeutet mindestens ebenso viele Ghoule sind im Anmarsch. Wie gut sind wir bewaffnet?"

Mochtgehrn hob sein Brecheisen hoch. "Und du?"

Auch Master Leym hielt sein Werkzeug hoch. "Da haben wir schon zwei!"

"Was nun?"

"Rückzug oder Angriff?"

***

Sam Bewolff vergewisserte sich, dass seine Männer ihre Waffen bereithielten. Sie alle waren Berufsverbrecher, gewohnt mit Klinge und Stahl umzugehen. Ohne jeden Skrupel ihre Werkzeuge bei Bedarf einzusetzen. Eigentlich konnte er davon ausgehen, dass seine Leute nicht unbewaffnet durch die Dunkelheit schlichen.

In dieser Nacht jedoch packte ihn eine seltsame Unruhe. So intensiv wie selten zuvor. Sie war es, die ihn veranlasste, noch einmal einen Blick auf seine Männer zu werfen.

Jemand hatte das alte Katapult abgeschossen. Das Ding, eher ein Monstrum, dass wie ein in Holz erstarrter Drache auf ein unbekanntes Signal wartete. In den vielen Jahren, in denen er in Thumberg sein Geld als Schmuggler verdiente, war die Steinschleuder kein einziges Mal benutzt worden.

Und in dieser Nacht schon dreimal. Mindestens zwei Einschläge konnten seine Posten beobachten. Der Letzte bereits unangenehm nah an ihrem Hauptquartier, das ihnen ihr Unterstützer im Rat, dieser Theo Dicklage zur Verfügung stellte. Dafür erhielt er einen guten Anteil ihres Verdienstes und sorgte zusätzlich mit seinem Einfluss, dass niemand dem Lagerhaus zu nahe kam.

Auf seinen Wink schwärmten die Männer aus. Wer auch immer das antike Monster benutzte, er war jetzt von kampferprobten Kämpfern umstellt. Aber die Nachbarschaft zum Friedhof machte ihm Sorgen.

Dort trieben sich, wenn man den Gerüchten Glauben schenkte, Ghoule ihr Unwesen. Leichenfresser, die Beute bevorzugten, die eben noch lebendig auf dieser Welt spazieren ging. Und sie verließen immer häufiger ihr Gebiet, um jenseits der niedrigen Mauern auf Beutejagd zu gehen.

Bisher ließen sie ihr Lagerhaus in Ruhe. Seiner Meinung nach ahnte ihr dumpfer Verstand, dass dort kampferprobte und bewaffnete Männer warteten. Er selbst hatte so einen Ghoule noch nie gesehen. Angeblich gingen sie aufrecht, wie ein Mensch. Ihr Kopf bestand praktisch nur aus einem weiten Maul, in dem Haifischzähne Spalier standen. Ihr Körper fühlte sich widerlich weich, ja schleimig an, messerscharfe Krallen zerrissen ohne ersichtliche Mühe Kehlen und Bauchdecken. Allerdings bezweifelte Sam, dass diejenigen, die die Leichenfresser so beschrieben, mit eigenen Augen so ein Monstrum gesehen hatten.

Die Viecher besaßen Zähne, so etwas wie Verstand, Arme, Beine, einen Drang nach frischem Menschenfleisch. Das konnte er nachvollziehen. Doch dass solche Wesen in der Lage waren, ein altes Katapult zu reaktivieren und es abzufeuern, das bezweifelt er.

Wer blieb übrig? Wachen von der Südmauer, die sich die Zeit vertreiben wollten. Unwahrscheinlich. Die faulen Säcke brachten kaum Energie auf, um ihre Mauer zu bewachen.

Sein Verdacht richtete sich auf Konkurrenten. Andere Schmuggler, die ihnen den guten Platz und die Einnahmen neideten. Vermutlich bestand ihr Plan darin, sie fortzulocken und dann aus dem Hinterhalt zu überfallen. Mit anderen Worten, vor ihnen in der Dunkelheit lauerten Bewaffnete.

Zischend befahl er seinen Männern zusammenzubleiben. Zu leicht für Gegner aus dem Verborgenen zuzuschlagen und einen nach dem anderen auszuschalten. Unruhe bereitete sich aus. Anscheinend steckte er mit seiner Nervosität seine eigenen Leute an.

„Wartet“, raunte Sam. Seine Komplizen folgten seinem Befehl nur zu gerne.

„Draken“, sprach er seinen besten Kämpfer an. „Was denkst Du, geht hier vor?“

„Das ist ein Hinterhalt.“ Der Ex-Söldner zeigte mit seiner mächtigen Kampfaxt in die Nacht. „Es wispert und raschelt. Langsam schließt sich der Kreis. Wir sollten machen, dass wir davon kommen. Bevor es zu spät ist!“

Tunger, ein drahtiger Kerl, der eigentlich vor niemandem Angst zeigte, wies mit seinem Schwert auf ein paar Büsche hinter ihnen. Sie bewegten sich, als ob der Nachtwind sie schüttelte, doch in die falsche Richtung. „Zu spät! Sie haben uns umzingelt!“

„Kannst Du was machen?“ Sams Frage galt seinem dritten Mann. Einem Kampfzauberer, angeblich aus jeder Magierkaste ausgeschlossen, die es im Land gab. Mit einer besonderen Vorliebe für zu junge Mädchen und geraubtem Gold. Doch er hatte erlebt, wie Telsa mit seinem seltsamen Stab im Alleingang eine Trupp Soldaten erledigte, die ihn in einer verrufenen Gaststätte festnehmen wollten.

„Ich öffne uns eine Gasse zurück“, lautete die Antwort. Die Spitze seines Magierstab wies nacheinander auf die verdächtigen Büsche, die zwischen ihrem Standort und dem Lagerhaus wuchsen und hinter denen sie Angreifer vermuteten.

Sofort gingen die Büsche in Flammen auf. Das Feuer loderte hoch auf, beleuchtete für einen kostbaren Augenblick die Nacht, dann vergingen sie, als ob sie nie dort gestanden hätten. Der kurze Schein reichte aus, um ihnen zu zeigen, dass es zu spät war.

Hinter dem vergehenden Gebüsch wimmelte es von bleichen Körpern. Die, die zu nah an den Sträuchern standen, brannten wie kleine Fackeln, doch es blieben genug übrig. Auf jeden seiner Leute zählte Sam mindestens vier Ghoule. Und das waren nur die, die die Flucht zum Lagerhaus verhinderten. Wer wusste schon, was sich sonst noch im Dunklen verbarg.

»Zum Katapult«, rief er. Dort bot die gewaltige Maschine wenigstens etwas Deckung. Hier standen sie schutzlos Gegnern gegenüber, die von allen Seiten angriffen. Er packte sein Schwert fester und lief voran. „Wir müssen durchbrechen! Das ist unsere einzige Chance.“

Die Beschreibung, die man ihm von den Leichenfressern gegeben hatte, war korrekt gewesen. Bis auf eine Kleinigkeit. Sie waren nur halb so groß wie ein erwachsener Mann. Doch ihre Kräfte reichten aus, einen erfahrenen Kämpfer zu Boden zu ringen.

Die ersten beiden Ghoule, die ihn ansprangen, zerteilte er mit seinem Schwert. Für den Dritten blieb ihm nur die, ihn mit einem kräftigen Hieb wegzustoßen. An dem fast gallertartigen Körper prallte die Klinge ab. „Jeder Schnitt muss exakt sitzen“, prägte er sich ein. Da spürte er bereits scharfe Krallen, die an den Beinen zerrten und ihn zu Boden rissen. Nur mit Glück verhinderte er, dass er die Waffe bei dem Sturz verlor.

Der Leichenfresser kletterte auf dem fallenden Schmuggler nach oben, sein Ziel war der Hals mit der verletzlichen Kehle. Verzweifelt versuchte Sam, sein Schwert zwischen sich und dem Angreifer zu bringen. Doch mit unbarmherziger Kraft schlug es ihm der Ghoul aus der Hand.

„Es stimmt“, dachte er voll Todesangst. „Diese Zahnreihen kenne ich von toten Haien, die das Meer an den Strand gespült hat.“ In dem Moment, in dem sich die Zähne um seine Kehle schließen wollten, ging der Kopf des Ungeheuers in Flammen auf.

Telsa war offenbar noch am Leben. Er stieß den Körper beiseite und suchte nach seinem Schwert. Doch die Dunkelheit hatte es verschluckt. Ihm blieb nur übrig, weiter in Richtung Katapult zu fliehen. Mit der Schleuder im Rücken war er in der Lage, sein Kampfmesser aus dem Stiefel zu ziehen, um sich seinen Angreifern zu stellen.

Er startete einen Sprint wie noch nie zuvor. Die Angst, von diesen bleichen Wesen niedergemacht und bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden, verlieh ihm Flügel.

Aus den Augenwinkeln sah er den Kampfzauberer, der ihm folgte. Von Draken keine Spur. Nicht weit entfernt sah er einen Haufen Ghoule, die ihre Zähne in einen zappelnden Körper stießen. Nur an den Stiefeln erkannte er in ihrem Opfer den zähen Tunger.

Vor ihm tauchte eine bleiche Gestalt aus einem Gebüsch auf. Sam überlegte nicht lange, seine Faust traf den Kopf des Wesens zwischen die Augen. Der Schlag ließ den Leichenfresser taumeln. Nur keine Zeit verlieren! In einer Wirtshausschlägerei hätte er mit einem zusätzlichen Schlag dafür gesorgt, dass sein Gegner nicht mehr aufstand. Doch hier musste er unbedingt zum Katapult gelangen, um sich wirkungsvoll verteidigen zu können.

Er lief weiter, stolperte über ein Stück Holz, erkannte verwundert den Stab des Kampfmagiers, fing sich wieder.

Nur nicht aufgeben! Aus dem Dunkeln schälten sich die Umrisse der Wurfmaschine heraus. Sam nahm alle Kraft zusammen, um mit schnellen Schritten diesen Zufluchtsort zu erreichen.

Tränen der Enttäuschung schossen in sein Gesicht. Kurz bevor er sein Ziel erreichte, bohrten sich Zähne in sein Bein. Zerbissen Sehnen und Muskeln, bis er stürzte. Brutal drückte er seinem Angreifer die Finger in die Augen, das Viech ließ wirklich los und es gelang dem Verzweifelten, sein Messer aus dem Stiefel zu ziehen.

Wie wild stach er auf den Ghoul ein, immer wieder drang die Klinge in das bleiche Fleisch. Doch im nächsten Moment erreichten ihn weitere Leichenfresser. Krallen und lange Zahnreihen bohrten sich in seinen Rücken, den Nacken, die Arme. Mit letzter Kraft schaffte es Sam, sein Stiefelmesser in den Leib des Ungeheuers zu rammen, das seine Zähne in sein Gesicht schlagen wollte. Es war sein letzter Sieg.

*** 


Kommentare

  1. Oh, das ist ein wildes Geschehen.. durch das turbulente Ende vergisst man fast das Geschehen an der Wurfmaschine. Man schiesst sich ein, aber es scheint, selbst die kürzeste Entfernung ist noch ein Stück zu weit. Ich bin gespannt, wie unsere Freunde das noch hinbiegen.
    Wenn sie dazu Gelegenheit bekommen. Stehen die Chancen nun gut oder eher schlecht ?
    Gut, weil die Banditen nicht zu ihnen vordringen werden,
    schlecht, weil stattdessen die Ghoule unterwegs sind.
    Es könnte gut ausgehen, da Letztere vieleicht gesättigt sind, nach dem Verzehr der Schmuggler,
    schelcht, weil sie vieleicht auch in einen Blutrausch verfallen könnten - man kennt sich ja nicht so aus, mit den Ghoulen.
    Spielt der verloren gegangene Zauberstab vieleicht noch eine Rolle ? Eigentlich schwerlich, da man sicherlich ein ganzes Weilchen braucht, bis man da einen Feuerball raus bekommt.
    Vor den Wachen auf der Mauer braucht man wohl keine Angst zu haben. Wenn die Schlafmützen sich bisher nicht gerührt haben, dann werden sie wohl weiter schnarchen - wenn sie überhaupt dort sind und sich nicht anderen Ortes herumtreiben.
    Aber ich sehe schon, ich ergehe mich wieder in wilden Spekulationen.
    Ich warte einfach - sagte ich "einfach" ?

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