Wir nähern uns dem Finale!

Alle Protagonisten aus "Eisen und Magie: Die Gefährten" befinden sich in unmittelbarer Nähe. Die Zeit der Entscheidung rückt näher und dann stehen sich Helden und Antihelden Auge in Auge gegenüber.

Aber sind die Fronten so klar gezeichnet? Verbirgt sich vielleicht unter den Helden ein Antiheld? Oder ein Held unter den Antihelden. Oder ein Feigling unter den Mutigen? Oder doch umgekehrt?

Die Antwort könnte im nächsten Kapitel stehen. Viel Spaß mit einem der finalen Kapitel aus "Eisen und Magie: Die Gefährten!"

P.S.
Die Westernfreunde kommen in den nächsten Tagen auch wieder zum Zuge. Versprochen!




Vor diesem Moment fürchtete sich Ihrsein, seit vielen Monaten. Zunächst erkannte sie die Tragweite nicht. Doch heute verstand sie nicht mehr, wie sie dem perfiden Plan des Rattenkönigs zustimmen konnte.

Erst die Zeit und die neue Erfahrung der letzten Wochen lehrten sie, welches Opfer der Magier verlangte. Nächtelang lag sie wach, betrachtete das neugeborene Leben neben ihrem Bett und suchte nach einem Ausweg.

Ihrsein grübelte, schmiedete Pläne und verwarf sie wieder. Wie konnte sie alleine gegen den Herrscher der dunklen Stadt, seinen übermenschlichen Kräften und seinen Verbündeten bestehen.

Nun war der Tag gekommen, an dem sie das Wesen, das ihr die Augen über das Leben geöffnet hatte, für die Machtansprüche ihres Herrn geopfert wurde. Das Ritual verlangte nach einem Opfer mit den Malen, die drei Blättern glichen. Aus diesem Grund wartete die gefesselte Tochter des Kaufmanns zwischen den Pfosten auf ihr Ende. Und nach dem Tod eines Unschuldigen, zwei Schuldigen gezeugt.

Sie erfuhr von der Feindschaft zwischen Hark und Anghis. Setzte mit Loh dem Gelben auf einen zweiten Trumpf, ging Risiken ein, verstellte sich, schmeichelte und teilte weiter das Bett mit dem Rattenkönig. Nur um jetzt alles zu verlieren.

Immer wieder warf sie einen Blick nach oben. Der Balkon gab einen freien Blick auf das Opferritual, von dort führte der Weg vom Bluttor hierher. Wenn ihr Plan aufging, würden dort zwei rachsüchtige Verbündete erscheinen und eingreifen.

Ihrsein wusste, dass sie selbst ebenfalls ein Opfer dieses Rachfeldzugs werden würde. Sie war bereit, das zu akzeptieren. Wenn nur ihr Kind überlebte.

Anghis brachte den Korb mit ihrer Tochter aus einem der hinteren Räume und legte ihn vor das andere Opfer. Er würdigte das Kind mit keinem weiteren Blick, sondern kehrte zurück, um weitere Hilfsmittel für das Ritual herbeizuschaffen.

Der Rattenkönig begann in einer Ecke des Opferraums Linien und Ritzen, die in den Boden eingelassen waren, mit einem weißen Pulver aus einem Krug zu füllen. Langsam erschien das Zeichen eines großen Pentagramms mit seinen fünf Zacken. Dort würde der Verbündete ihres Gegenspielers erscheinen, mit dessen Hilfe der Magier die Macht über alles Lebende gewann.

Als das Zeichen des fünfzackigen Sterns fertig war, wollte der Rattenkönig sich entfernen, aber eine zischende Stimme hielt ihn auf. Ihrsein blickte auf die Kugel, die ohne, dass sie es bemerkte hatte, erschienen war und die Vorbereitungen beobachtete.

"Die Linien außen auch!" Die Worte kratzten wie Kreide über eine Schiefertafel, so dass sich ihr alle Haare am Rücken und den Armen aufstellten. "Unser neuer Freund ist mächtig. Kaum zu beherrschen. Erst wenn das Ritual vollendet ist, wird er sich meinem Willen beugen!"

Der Rattenkönig verbeugte sich und holte einen zweiten Krug. Das Pulver darin glomm wie verlöschende Kohle, doch die Hitze schien ihm nichts auszumachen. Mit ihm vervollständigte er ein zweites Pentagramm, das das Erste umschloss. Danach überprüfte er sorgfältig die Linien. Nur eine winzige Lücke in dem Pulver reichte aus, sie alle zu verderben.

In der Zwischenzeit baute Anghis acht kleine Spiegel um die beiden Opfer auf. Sie bildeten einen Kreis, in dessen Mitte sich die Kugel, in der sich das Wissen und die Macht des Magiers fokussierte, niederließ. Dünne Linien erschienen aus ihrer Mitte, trafen auf ihrer Oberfläche, brachen sich und bildeten ein Zelt aus Licht und Nebel über den Opferraum.

Ihrsein konnte sich nicht länger beherrschen. Sie beschloss, ihre Tochter zu retten. Obwohl sie bei dem Versuch sterben würde.

***

Hark übernahm wie gewohnt die Spitze. Seine Kraft und Stärke bewahrte sie bei früheren Abenteuern vor Überraschungen. Renetat folgte ihm mit dem üblichen Sicherheitsabstand. Niemand war gut beraten, wenn er in Reichweite des mit Schwung geführten Bihänders seines Freundes geriet.

Vorsichtig schlichen sie näher. Stets darauf gefasst, in eine Falle zu geraten oder vor die Schwerter weiterer untoter Gegner. Je weiter sie dem Gang folgten, desto intensiver stieg ihnen ein eigenartiger Geruch in die Nase.

„Während meiner Zeit als Leibwächter des Grauen Masling“, meinte Hark, „roch dessen Zauberküche häufig genauso. Je mehr er dort zauberte, desto stärker stank die Luft nach dieser Mischung aus Schwefel, Teer und der Luft nach einem Gewitter!“

„Ich denke auch, dass wir uns einem Ort nähern, an dem Magie erzeugt wird!“ Renetat zog demonstrativ die Nase hoch. „Diese Kugel dürfte der Urheber all der Zauberei sein, die die Dunkle Stadt am Leben hält. Nähern wir uns der Quelle der Magie, nähern wir uns auch ihm!“

Vorsichtig schlich Hark weiter, folgte dem Gang, der kaum merklich nach oben stieg. Den Sinnen des Hünen entging das nicht und er hoffte, dass es vielleicht auf diesem Weg wieder an die Oberfläche ging. An den Wänden hingen Schädel, deren Oberteil der Erbauer dieses Wegs entfernt hatte. Darin brannten Stücke, die an Holzkohle erinnerten. Doch sie leuchteten grün und gaben ein düsteres Licht ab, das es nicht schaffte, die Schatten zu vertreiben.

„Schau da!“ Renetat wies vorwärts. Gerade bogen sie um eine der vielen Krümmungen, die in den Fels gehauen waren, als sie am Ende ein neues Licht sahen. Offenbar befand sich vorne ihnen eine Halle. Noch vorsichtiger als bisher schlich er näher, Renetat deckte ihm den Rücken.

Sie erreichten einen kleinen Balkon, ein hüfthohes Geländer bot ein wenig Deckung, hinter der sie das Geschehen unter ihnen beobachten konnten. Unter ihnen spielte sich ein bizarres Geschehen ab.

Die Magierkugel schwebte zwischen mehreren Spiegeln in der Mitte des Raums. Zwischen zwei Pfosten zerrte ein nacktes Mädchen vergeblich an ihren Fesseln. Gerade trat der Rattenkönig aus einer Tür, einen Korb in den Armen, der in seinen mächtigen Pranken noch zierlicher wirkte.

„Die Gefesselte dürfte der Beschreibung nach unsere gesuchte Kaufmannstochter sein“, raunte Renetat. „Aber was ist in dem Korb?“

Anghis stellte ihn zu Füssen der Gefesselten ab und verbeugte sich in Richtung der Kugel. Anschließend zog er sich zurück, wobei er vorsichtig darauf achtete, nicht die Linien zu berühren, die auf den Boden gezeichnet waren.

Hark wusste nicht viel von Magie, aber er erkannte zwei Pentagramme, ein Größeres umschloss ein zweites Hexenkreuz. „Da will aber jemand auf Nummer sicher gehen“, flüsterte Renetat ihm zu.

Der Hüne suchte die anderen Zwei aus dem Triumvirat, das die Dunkle Stadt im Auftrag des Magiers anführte. Er erkannte den Rattenkönig, der genüsslich die Kaufmannstochter beobachte, die sich hilflos in ihren Fesseln wand.

Ihrsein beobachtete den kleinen Korb, der sich leicht bewegte, als ob etwas Lebendiges darin steckte. Zu seiner Verwunderung glaubte er, Verzweiflung in ihren Augen zu erkennen.

Über der Kugel bildete sich ein Zelt aus Licht, das sich stetig ausdehnte. Lichtstrahlen, die von der Kugel ausgingen, verstärkten sich in den Spiegeln und strahlten bald so hell, dass es in den Augen schmerzte.

In seiner Mitte pulsierte die Kugel und vergrößerte dabei fast unmerklich ihren Umfang. Bald schwebte sie mannsgroß, weitere Lichtstrahlen erschienen, brachen sich und verstärkten den Lichterdom.

Das Leuchten drang bis zu der Balustrade, auf der sich die beiden Abenteurer verbargen. Es verdrängte die Schatten, so dass sie befürchten mussten, entdeckt zu werden. Doch die Personen unter ihnen beschäftigten sich mit dem Ritual und hatten keine Augen für sie.

In dem doppelten Pentagramm bildete sich im gleichen Moment eine Säule aus Staub und Nebel. Sie rotierte um ihre eigene Achse, zunächst in einem eigenen Tempo, aber Hark stellte fest, dass es sich schnell der Geschwindigkeit anpasste, mit der die Kugel pulsierte.

Sobald sie sich im Einklang bewegten, hielten sie an und der Boden unter ihnen begann zu zittern. Staub und Kieselsteine fielen von den Wänden und der Decke. Doch zur Verwunderung Harks berührten sie nicht den Bereich innerhalb der beiden Pentagramme. Der Staub bildete Wände an den Linien der äußeren Linien, so dass niemand sehen konnte, was sich darin abspielte.

Plötzlich erstarrte Beides. Säule und Kugel im gleichen Moment. Die Staubsäule verschwand und gab den Blick auf ein Ungeheuer frei, wie es Hark noch nie gesehen hatte.

Die Gestalt ragte hoch wie fünf Männer. Das Gesicht eines Drachen, die Augen thronten über einem Maul, in dem ein kleiner Turm passte. Erst glaubte der Hüne, dass das Ungeheuer über keine Zähne verfügte. Aber als die Lippen sich spalteten, sah er die komplette Mundhöhe angefüllt kurzen Stacheln, die sich wie lebendige Wesen bewegten. Sie schienen nur darauf zu warten, dass sie die Beute ihres Besitzers packen und zerfleischen konnten. Dazwischen schlängelten sich krallenbewehrte Zungen, als ob sein Erbauer ein ganzes Bestiarium zur Verfügung stand, als er dieses Wesen schuf.

Die graue Schuppenhaut ließ erkennen, dass kein Stahl sie durchdringen konnte. Aus dem kurzen Rumpf wuchsen zweie Arme. Einer endete in einem Wald aus kurzem Klauen, der zweite in einem scharfen Schwert. Muskulöse Beine, die an die eines Elefanten erinnerten, trugen diesen verzerrten Körper. Sie stampften in kurzen Schritten, die wieder den Boden erbeben ließen. Das Ungeheuer versuchte den Schutzbann der Pentagramme zu überqueren, aber die Linien auf dem Boden hielten ihn gefangen.

Nachdem es bemerkte, dass es in dieser Welt noch gebunden war, suchten seine Augen die Kugel und streiften gierig über das gefesselte nackte Mädchen und den Korb zu ihren Füßen.

Noch einmal versuchte das Wesen, sein Gefängnis zu verlassen. Doch sobald es die eine Linie berührte, zuckte es, wie unter Schmerzen zusammen. Dann öffnete es sein Maul und grollte wütend. Es klang wie ein Schrei nach Nahrung.

***

Ihrsein verzweifelte. Von dem Magier wusste sie, wie das Ritual ablaufen würde. Mit dem Blut des entführten Mädchens und ihres Kindes rief er einen gehorsamen Dämon auf diese Welt. Mit den Fähigkeiten des Ungeheuers plante er zunächst die Traumstadt an der Oberfläche und später die übrigen Städte und Reiche zu erobern.

"Dieses Geschöpf ist unbesiegbar." Sie hörte immer noch die Stimme, die aus der Kugel sprach. "Unverwundbar. Kein Schwert, kein Feuer wird ihm etwas anhaben können. Seine Kraft ist unerschöpflich. Es ernährt sich vom Blut und den Seelen seiner Opfer.

Zwei Opfer verlangt es. Dann wird es mir dienen und meinen Befehlen gehorchen. Einen Menschen, mit dem Mal des Lebens. Dem Versprechen der Erneuerung. Das Mädchen aus der Traumstadt trägt dieses Zeichen.

Und ein unschuldiges Leben. Gezeugt von den schuldigsten Menschen dieser Stadt. Dies wird das Kind sein, das aus deiner Verbindung mit meinem Favoriten, dem Rattenkönig, stammt."

Aus diesem Grund hatte er sie mit dem Rattenkönig zusammengebracht und verlangt, dass sie mit ihm schlief. Sie hatte gehorcht, sich von der Aussicht auf Macht und Reichtum blenden lassen und ihre Tochter empfangen. Nun lag ihr Kind zu Füßen der gefesselten Kaufmannstochter, deren blattförmigen Male sie ohne eigene Schuld an diesen Ort gebracht hatten. Und auch der Säugling besaß keine Schuld. Niemand hatte ihn gefragt, ob er als Kind eines brutalen Söldners und einer machtgierigen Ex-Gardistin auf die Welt kommen wollte.

Beide würden zwar weiterleben, aber ihre Seelen blieben gefangen im Körper eines Dämons, der durch ihr Blutopfer in der Lage war, diese Welt zu unterjochen und zu vernichten. Als erste in einer endlosen Reihe weiterer Opfer, bis ans Ende dieser Welt.

Das unschuldige Kind weinte in seinem Körbchen. Verlangte nach der beruhigenden Stimme und den Berührungen ihrer Mutter. Anghis zeigte erneut, welch verdorbener Charakter in ihm steckte. Er zog sein Messer und beugte sich über den Säugling. Das Lächeln in seinem Gesicht bewies, dass er sich auf seine Tat freute.

Ihrsein erstarrte vor Schreck. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich hilflos. Aber sie war zu weit weg, um einschreiten zu können. Wo blieben die Retter, die sie in die Dunkle Stadt gelockt hatte.

Sie spürte, dass sie der Rattenkönig beobachtete. Abschätzte, ob sie eingreifen würde. Ob Ihrsein an dem gemeinsamen Schwur, den sie vor der Magierkugel ablegten, einhalten oder ihren Gefühlen als Mutter folgte. Seine angespannte Haltung bewies, dass er einschreiten würde, falls sie die aus seiner Sicht falsche Entscheidung traf. Doch die Entfernung zwischen ihr und ihrem Kind konnte selbst ein gewaltiger Sprung nicht rechtzeitig überwinden. Es war zu spät.

Anghis entfernte die Decke, unter der der Säugling warm und sicher lag. Die plötzliche Kälte weckte ihn und er rief nach seiner Mutter. Ihrsein machte einen ersten Schritt, aber der Rattenkönig stellte sich ihr in den Weg.

"Hallo Anghis!" Eine Stimme kam aus der kleinen Tür, die in den Opferraum führte. Der hünenhafte Hark hatte es bis hierhin geschafft. Er drohte mit seinem Schwert und hielt die Spitze in Richtung seines alten Rivalen. "Reicht Dein Mut nur noch, um hilflose Babys zu erschlagen!"

"Töte ihn. Schnell!" Die Stimme aus der Magierkugel zischte wütend. Die erste Erleichterung Ihseins wich einer frustrierenden Beobachtung. Auch der Hüne stand viel zu weit entfernt, um rechtzeitig eingreifen zu können.

***


Kommentare

  1. Wer hätte gedacht, dass Ihrsein so verzweifelt ist.
    Das erklärt natürlich auch den ungeheuren Schritt, Hark und Renetat in die die Stadt zu holen.Sie selber ist machtlos, sowohl gegen Anghis als auch gegen den Rattenkönig. Wenn Hark nun Anghis ausschalten würde, vieleicht wäre man zu Dritt in der Lage.. ?
    In der Tat ein verwegener Plan, wobei das nun beschwörte Ungetüm als störender Faktor hinzukommt, dessen Beschreibung nun alles andere als mikrig erscheint...
    Es ist zwar gebunden, durch die Schutzrunen und Pentagramme, aber mal ehrlich.. ein Ende des Buches, in dem alle Helden nach Hause zurückkehren und der Dämon steht für ewig auf dem Balkon ?? Kaum denkbar..
    Es brennt mir unter den Nägeln, was nun passieren wird.
    Die ersten Spottworte sind bereits geflogen, Hark konnte seinen Mund nicht halten..
    Gut so, gilt es ja auch das Leben der Kaufmannstochter und des Babys zu retten. Wenigstens (wie ich mich ja nun mittlerweile wieder erinnere) war die Tochter mal das Ziel der Unternehmung.
    Daran wird man wohl auch festhalten - Intriege oder nicht..
    Ein wenig Kopfzerbrechen bereitet mir die Entfernung der Kämpfer zum Balkon, auf dem das Ritual stattfindet. Laut Beschreibung ist es wohl zu weit, um mal eben von Brüstung zu Brüstung zu springen.
    Ein Glück, dass der Herr Autor einen fertigen Plan in seiner Schublade hat - im Gegensatz zu Ihrsein..
    Also.. die Schublade mal so schnell wie möglich auf und raus damit.. sonst schicke ich Hark und Renetat - ach nein, die sind ja grade beschäftigt :-)

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