Fantasy und Horror ...

...
liegen gar nicht so weit auseinander. Ein gutes Beispiel ist das heutige Kapitel aus "Eisen und Magie: Die Gefährten".

Unsere Helden stehen einem Gegner gegenüber, dem sie mit List und Waffengewalt nicht besiegen können. Mehr lest Ihr in dem heutigen Abschnitt,

Viel Spaß!



Das letzte Kapitel findet Ihr hier.




Das Lagerfeuer brannte noch. Die Männer warfen stets neues Brennmaterial hinein. Niemand wollte auf das Ende der Geschichte bis zum nächsten Lager warten. Und der Geschichtenerzähler tat ihnen den Gefallen:

„Brüder! Das Bluttor war ein seltsamer Ort. Die schweren mit zahlreichen Nieten verstärkten Holztore schlugen, kaum dass die Gefährten hineingegangen waren, mit einem lauten Knall zu. Aus den Rahmen schoben unsichtbare Kräfte massive Holzbalken quer über das Tor. Mit einem leisen Stöhnen fielen Riegel herab und fixierten die Balken an den Seitenwänden.

Damit war unseren Freunden der Rückweg abgeschnitten. Es gab nur einen Weg in das Innere des Bluttors. Eine Wendeltreppe führte in weiten Bögen nach oben. Ihr Ende verlor sich in der Dunkelheit eines hohen Turms. Von unten konnte niemand erkennen, wo sie endete.

Noch zwei Dinge machten die Treppe zu einem ungewöhnlichen Ort. Es gab nirgends Stützen oder Pfeiler. Die Stufen schwebten ohne erkennbare Streben oder einer anderen von Menschenhand gebaute Verankerung frei im Raum. Kein menschlicher Geist war in der Lage, ein solches Bauwerk zu errichten, hier war Magie, vermutlich sogar Dämonenkraft im Spiel.

Darauf wies auch die zweite Auffälligkeit hin. Die Treppenstufen zierten wie ein buckliger Teppich tausende grinsender Fratzen von Wesen, die es auf dieser Welt nicht gab. Kein Maler, kein Bildhauer besaß so viel Phantasie, um die Hässlichkeit und Gier, die diese Köpfe ausstrahlten, in Stein oder Holz zu binden. In Licht der flackernden Fackeln schien es, als ob sie sich bewegten und lebendige Augen die Gefährten belauerten.

Kein Geländer diente als Schutz für den Wagemutigen, der es wagte, hinaufzusteigen. Von unten sah es so aus, als ob der wahnsinnige Erbauer die Stufen leicht schräg anbrachte, so dass jeder, der auf ihr zu Fall kam, drohte über die Kante abzustürzen.

Am Fuß der Treppe zierte je eine kleine Steinsäule, nicht höher als das Knie eines Mannes, die Ecken einer große Kupferplatte. Ein dünner Nebel kroch auf ihrer Oberfläche, durch ihn schimmerten seltsame Zeichen hindurch. Doch wer glaubte, den Linien mit dem Auge folgen zu können, spürte bald, wie sich sein Geist verwirrte und dunkle Kräfte versuchten, Herr über seine Gedanken zu werden.

Unsere Helden stellten sich zusammen an den Fuß der Treppe, aber eine unerklärliche Scheu hielt sie davon ab, sie zu betreten.“

***

Renetat stemmte die Fäuste in die Hüften und versuchte, das Ende der Stufen zu finden. „So hoch kann doch dieser Turm nicht sein. Wo führen sie hin und warum fällt diese Treppe nicht einfach in sich zusammen.“

Nead beunruhigte etwas anderes. „Und diese Köpfe wirken so lebendig. Solche Gesichter verfolgen einen ja in den tiefsten Alpträumen.“

Nur der Hüne knurrte Unverständliches, schulterte seinen Bihänder und betrat entschlossen die Treppe. Seinen beiden Freunden blieb nur übrig, ihm vorsichtig zu folgen.

Renetat beobachtete, mit welcher Abscheu Nead auf die Dämonenköpfe trat. Aber der Straßenganove hielt tapfer mit, auch wenn er bei Schritt zusammenzuckte.

Zusammen folgten sie dem Verlauf der Stufen nach oben. Bald verlor sich die Stelle, von der aus sie ihren Aufstieg begonnen hatten, in einem fahlen Nebelteppich. Doch selbst der Blick zur Turmspitze verriet nicht, wie lange sie bis zum Ende der Treppe brauchten.

Minuten vergingen, aber weder das Bild die Treppenstufen hinauf, noch hinab änderte sich. Beginn oder Ziel ihrer kleinen Reise waren nicht auszumachen.

Renetat fiel auf, wie Neads Schritte immer langsamer und schwerer wurden. Das stete Treppensteigen ohne Blick auf ein Ende der Anstrengungen, machte ihrem neuen Freund sichtlich zu schaffen.

***

„Wir haben Zeit gewonnen! Zeit, die unser Gebieter für seine Vorbereitungen braucht.“

Anghis betrachtete im Quecksilberspiegel ihre drei Verfolger. Die Dämonentreppe des Bluttors diente als wirksame Waffe gegen Eindringlinge. Der Anblick der geschnitzten Stufen mit den Dämonengesichtern schuf kleine Kerben im Geist der Betrachter. In ihnen fand die Gier der Dämonen ersten Halt und von dort aus spannen sie ein Netz von Gelüsten und Trieben, in dem sie die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen erkannten, pervertierten und für ihre eigenen Ziele einsetzten.

„Ich will sie vernichten“, grollte er. „Ihr Blut sehen!“

„Du hattest ihn schon“, entgegnete Ihrsein. „Und hast ihn entkommen lassen!“

Der Rattenkönig trat zu ihnen und verwischte mit der Hand das Bild im Spiegel.

„Falls sie es schaffen, aus diesem trügerischen Netz zu fliehen, warten die Toten. Geht kein Risiko mehr ein. Dieser Männer dort sollten bereits längst ihr Leben ausgehaucht haben.“

***

Nead wackelten die Knie. Diese Treppe wollte kein Ende nehmen. Noch konnte er den Schlusspunkt der endlos erscheinenden Kletterei erahnen. Hoch über ihm verschwand die Spitze des Bluttors in einem fahlen Nebel. Mittlerweile schmerzte jeder Schritt, da die gepeinigten Füße auf dem unebenen Stufen selten einen festen Halt fanden. Immer wieder rutschte er auf den verzerrten Gesichtern der eingelassenen Dämonenfratzen aus. Zweimal knickte er um, einmal rettete ihn nur Renetats schneller Griff vor dem Absturz über den Treppenrand.

„Das nimmt kein Ende“, beklagte sich der Straßenganove. „Nach meinem Gefühl befinden wir uns bereits auf gleicher Höhe wie die Traumstadt. Ach was, wir könnten meiner Meinung nach auf die Türme der Stadt heruntersehen.“

Die Anstrengung, die ihn offenbar nicht eine Handbreit näher ans Ziel brachte, riss an seinen Nerven. Tausend verzerrte Stimmen klangen in seinem Kopf, lachten ihn aus und verspotteten ihn. Nead presste beide Hände gegen seine Ohren, aber vergeblich. Heftig atmend ging er auf die Knie und würgte, bis bittere Magengalle kam.

Doch es kam noch schlimmer. Sein Gleichgewichtssinn setzte aus, alles schien sich um ihn zu drehen. Nur Harks fester Griff rettete ihn vor dem Absturz.

Wie aus weiter Ferne hörte er Renetats mitfühlende Stimme. „Es macht keinen Sinn. Wir gehen wieder hinunter“. Dann fühlte er dankbar, wie er das Bewusstsein verlor.

***

„Dieser Eindringling ist der Schwächste!“ Anghis beobachtete mit morbider Faszination das Geschehen auf der Treppe des Wahnsinns. Mittlerweile zeigte der Dämonenspiegel wieder die Situation hinter dem Bluttor. „Die unzähligen niederen Dämonen, die unser Gebieter in ihr eingebaut hat, werden seinen Geist vernichten, bis sein Körper nur eine leere Hülle ist. Seine Seele wird dann ein Bestandteil dieser Stufen sein, so wie schon abertausende vor ihm.“

Ihrsein musterte die beiden anderen Abenteurer, die sie mit so viel List und Mühe in die Dunkle Stadt gelockt hatte. Alle vorherigen Versuche scheiterten an Punkten, die weit vor diesem Ort lagen. Ihr Plan musste gelingen! Eine zweite Chance würde es nicht geben.

„Dein Erzfeind ist immer noch am Leben. Gezeichnet, aber bereit Dich zu töten.“ Höhnisch schaute sie ihren Konkurrenten um die Gunst des Gebieters an. „Bald werdet ihr euch gegenüberstehen. Dann wirst du den Tod in seinen Augen begrüßen können!“

„Harks Geist ist einfach und primitiv. Doch selbst ihn werden die Dämonen da draußen vernichten. Schau lieber auf den dritten Eindringling. Deine Aufgabe war es, ihm den Tod in der Arena zu schenken. Es scheint Dir misslungen zu sein.“

„Ich gebe Dir recht“, gab sie zu. „Aber hast Du gesehen, wie sein Kampf mit Deinem Champion die Energien gebündelt hat. Der Gebieter verfügte so über die Kräfte, die er braucht, um die Traumstadt zu besiegen und unsere Existenz im Verborgenen endlich zu beenden.“

„Keiner hat die Treppe überlebt!“ Der Rattenkönig riss beide von dem Spiegel fort. „Doch wir dürfen kein Risiko eingehen. Dafür steht heute viel zu viel auf dem Spiel. Und wenn diese Kerle die Treppe überleben, werden die Toten sie vernichten. Alles ist vorbereitet. Kommt mit. Uns braucht man noch an anderer Stelle.“

***

Renetat zwang sich die Stimmen, die in seinem Kopf stritten und lockten, zu ignorieren. Mühsam setzte er einen Fuß vor den anderen, jeder Schritt auf der Treppe schmerzte, seine Knie und Fußgelenke waren bereits angeschwollen und weigerten sich, ihm zu gehorchen.

Er warf einen schnellen Seitenblick auf seinen Freund Hark, der ihr neustes Mitglied, den Straßenganoven aus der Traumstadt wie einen Sack über die Schulter trug. Auch seine Stirn glänzte vor Schweiß, ein dünner Blutfaden lief aus seinem Ohr.

Wie Renetat kämpfte der Hüne um jeden Schritt die Treppe hinunter. Die zusätzliche Last kümmerte ihn nicht, aber selbst in seinem Kopf tobten die Dämonen. Zum ersten Mal, seit sie zusammen ihre Abenteuer bestritten, erkannte er Panik und Angst in seinem Blick.

Er musste seinem Freund helfen. Und sich auch!

„Erinnerst Du Dich an unsere Zeit als freie Söldner in Thangar. Wie hieß noch einmal der kleine Drakher, der sich rühmte, mal mit der Schlangenkönigin eine äußerst vergnügliche Nacht verbracht zu haben?“

„Sein Name war Sublith, er war in Killdah geboren, und er erzählte von einer Liebesnacht mit der Königin von Kbah“, antwortete Hark mit zusammengebissenen Zähnen. „Du irrst Dich!“

„Sublith nannte sich der Hauptmann, dem wir in unsere Zeit während der Belagerung von Isst die Treue schworen!“

„Sublith. Bist Du sicher. Verwechselst Du ihn nicht mit dem Kaufmann, dem wir in Texel um seine Edelsteine brachten. Seine Lieblingssklavin hatte ein Auge auf Dich geworfen. Hast Du eigentlich ...!“

„Die war doch scharf auf Dich! Hinter mir war der Kaufmann her! Genau wie dieser Sklavenhändler in Turkingen.“

„Das war eine Sklavenhändlerin. Ja, die war unvergesslich. Weißt Du noch, wie viel Tätowierungen, sie auf dem Rücken hatte. Ich meine von ihren herrlichen Hinterbacken aufwärts?“

„Da war ein grüner Drache, vielmehr sein Schwanz. Und welchen Spitznamen besaß der kleine Taschendieb, den wir in Khleb vier Tage gejagt haben, weil er unseren Glücksbären gestohlen hatte.“

„TockTock. Oder war es Heckenblatt?“

„So hieß der Wirt in der „Goldenen Orchidee. Den Straßendieb nannten sie Triefbacke. Wegen seinem schiefen Mund.“

„Bist Du sicher? Ich denke. das war der Schiffsjunge auf der Überfahrt in die Traumstadt!“

Während die Gefährten ihren Geist zwangen, sich auf alte Erinnerungen und Geschichten zu besinnen, sie vergessene Freunde und Feinde hinaufbeschworen, kämpften sie sich mit zusammengebissenen Zähnen die Treppe hinunter. Das Beschwören von Namen und Orten alter gemeinsamer Abenteuer half ihnen, die Versprechungen und Drohungen in ihrem Kopf in Schach zu halten.

Es war ein Fehler gewesen, die Stufen zu betreten. Die Stimmen und Schreie in ihrem Geist tobten, versuchten die Herrschaft über ihre Gedanken und Handlungen zu übernehmen. Ihre einzige Chance, dem Wahnsinn zu entkommen, bestand darin, den Fuß dieser Falle zu erreichen.

Ihr Ende lag nach wie vor in fahlen Nebel, konnten sie die Steinsäulen und die Kupferplatte an ihrem Anfang nicht sehen. Doch jeder Schritt brachte sie ihnen näher, sie mussten nur die Stimmen in ihrem Kopf besiegen. Aber die Zeichen, dass ihr mühevoller Abstieg endlich sein Ziel erreichte, wollten in dem Dunst da unten nicht auftauchen.

Irgendwann verließen Renetat die Kräfte, seine Sinne schwanden und er hielt sich an den starken Schultern seines Freundes fest, um nicht zu stürzen. „Es ist zwecklos“, presste er zwischen seine Lippen, die dünnen Fäden glichen. „Es gibt kein Ende dieser Treppe. Wir wurden getäuscht. Wir können noch Tage hinabsteigen oder hinaufgehen, ohne je anzukommen. Gleich ob wir hinauf oder herunterklettern. .Auf ihr gefangen, bis die Dämonen in unseren Köpfen die Oberhand gewinnen. Dann werden wir ein Bestandteil dieser hinterhältigen Falle sein und unseren Teil beitragen, das nächste Opfer zu vernichten.“

„Was hast Du vor?“ Hark nahm augenscheinlich seine letzten Kräfte zusammen. „Ich will zurück zu den Fraßkäfern. Das hier schafft mich. Ich brauche Deine Hilfe. Du bist das Gehirn unserer Gemeinschaft, lass Dir was einfallen!“

„Vertraust Du mir?“

„Bis in den Tod!“

„Ich fürchte, darauf läuft es hinaus!“

***

Kommentare

  1. Was für eine vertrackte Situation.. Gefangen im Irgendwo zwischen Anfang und Ende der Treppe.
    Man wünschte sich, dass dies alles nur eine Illusion ist, die man mit einem beherzten Sprung von der Treppe lösen könnte. Wenn dann der Boden nach wenigen Zentimetern schon erreicht wäre, wäre diese Falle an Heimtücke kaum zu überbieren. Es würde bedeuten, dass die Kameraden über viele Stunden auf der Stelle gegangen wären.. Aber lassen wir uns überraschen.

    Fast amüsant ist es, Ihrsein und Anghis zuzuhören, die sich so gerne gegenseitig ihre Misserfolge unter die Nase reiben.
    Davon gibt es mittlerweile allerdings sehr viele. Hark, Renetat und Nead, sind aus einem Holz geschnitzt, dass man lieber für eigene Zwecke einsetzen würde, als gegen sie angehen zu müssen. Hark ist die Kraft, Renetat ist die Intelligenz und Nead würde ich als die Verschlagenheit ansehen. Er war es am Tor, der Gewalt umging, indem er ein Netz aus scheinbarer Verbundenheit zum Herrscher der Stadt zu weben begann, als er den Brief als Marschbefehl vorlegte.

    Es kommt mir ewig vor, dass wir unsere Freunde nun begleiten. Das Treffen mit dem Gelben scheint mir Jahre zurück zu liegen.. Und doch werde ich von dieser Geschichte gepackt und nicht losgelassen. Es ist immer noch spannend.. die Fallen und Kämpfe werden immer hinterhältiger und gemeiner.. Ich werde dieses Buch haben wollen.. und es so schnell nicht weglegen.. Obwohl es noch kein Ende hat, halte ich es jetzt schon für eines der Besten aus der E&M-Reihe....

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