Auf zum Bluttor!

Wir nähern uns dem Finale von "Eisen und Magie: Die Gefährten". Hinter dem Bluttor, so viel ist klar, warten die Herren der Dunklen Stadt und planen das Ende unserer Freunde.

Es gilt in diesem Kapitel die Überzahl der Wachen vor dem Bluttor zu überwinden, um endlich Auge in Auge die Entscheidung zu fordern.

Solltet Ihr Kapitel 23 verpasst haben, damm findet Ihr es hier. Für Kapitel 22 klickt Ihr hier! Die älteren Abschnitte findet Ihr in der Seitenübersicht!

Viel Spaß mit Kapitel 24 aus "Eisen und Magie: Die Gefährten"!






Der Himmel über der Stadt flackerte in einem fahlen Blau, aber das schien die Bewohner nicht zu kümmern. Nachdem die Spiele beendet waren, gingen sie ih-ren täglichen Geschäften nach und warfen nur selten verwunderte Blicke auf die drei Abenteurer. Renetat sicherte zusammen mit Hark ihren Weg durch die Gassen und Straßen, während Nead sie mit Hilfe des gefundenen Plans dirigierte. Doch niemand wagte es, sich der kleinen Gruppe zu nähern, dafür sorgten die grimmigen Mienen der Gefährten.

Ihr Weg führte sie in die entlegenen Bereiche der Außenbezirke Die Zahl der Leute, die den Freunden begegneten, sank mit jeder Minute, mit der sie sich ih-rem Ziel näherten. Am Ende gab es außer ihnen keine anderen Menschen mehr auf den Straßen. Bald zeichnete sich ihr Zielort gegen den bläulichen Himmel ab: das Bluttor.

Vor einem mächtigen Bergfried, dessen tiefrot angemaltes Tor, ihm seinen Na-men gegeben hatte, standen Soldaten, gut gerüstet und bewaffnet. In dem Mo-ment, in dem sie die Abenteurer bemerkten, fassten sie ihre Schwerter und Lan-zen fester und nahmen eine Verteidigungsstellung ein. Kampfbereit und ohne An-zeichen von Furcht belauerten sie Renetat und seine Gefährten.

„Bleibt lieber fern!“ Der Anführer der Wachen zeigte wie erwartet das Selbstbe-wusstsein eines erfahrenen Kriegers. Er wusste, hinter ihm standen Männer, mit denen er mehr als ein tödliches Gefecht überstand. An Zahl und Ausrüstung über-legen und mit dem Segen des Herrn der Dunklen Stadt gab es keinen Zweifel an ihrem Sieg. Das Bluttor befand sich in sicheren Händen

Renetat überlegte, wie er diese Vorteile gegen sie verwenden sollte.

Zuviel Siegesgewissheit konnte auch ein Fehler sein. Das hatte er zusammen mit Hark mehr als einmal selbst erleben müssen. Neads Fähigkeiten im Zweikampf reichten nicht aus, um sie wirkungsvoll zu unterstützen. Es kam am Ende auf ihn und den Hünen an. Seine Schnelligkeit und die Körperkräfte seines alten Freundes gaben vor dem Bluttor den Ausschlag. Seine Augen suchten den Blick des Anfüh-rers der Wache. Das war der Kopf der Bewaffneten, mit seiner Niederlage, seinem Tod sollte sogar der Kampfesmut seiner Männer einen empfindlichen Schlag er-halten.

In der Zwischenzeit gehörte es zu Harks Aufgabe, die übrigen Soldaten zu be-schäftigen. Gleichzeitig den ein oder anderen mit seinem schweren Schwert zu erledigen und Renetat, so weit wie möglich, den Rücken freizuhalten.

Aus irgendeinem Grund glaubten ihre Gegner in dieser Situation, dass ihr stärks-ter Kämpfer, der auch regelmäßig ihr Anführer war, gegen den kräftigsten Krieger ihrer kleinen Gruppe antrat.

Hauptmann gegen Hauptmann. Scharführer gegen Scharführer. Favorit gegen Favorit.

Ihre bewährte Taktik bestand darin, sie zunächst in ihrem Glauben zu bestätigen. Zu diesem Zweck fuchtelte Hark vor dem Führer der Wachmannschaft mit seinem imponierenden Bihänder. Fixierte ihn mit seinem angriffslustigen Blick und for-derte ihn auf diese Weise heraus.

Nach seinen Erfahrungen nahmen die übrigen Bewaffneten das gerne zum An-lass, um sich zunächst einmal etwas zurückzuhalten. Wohl mit dem Gedanken: Lass sich erst mal unsere Bosse prügeln. Mal sehen, was sich so ergibt.

Veteranen wurden nicht Veteranen, weil sie sich blindlings in jeden Zweikampf stürzten!

Gleichzeitig erkannte in der Regel der Anführer ihrer Gegner, der sich selbstver-ständlich ebenfalls gerne als Veteran irgendwann aus dem Kriegerhandwerk zu-rückziehen wollte, dass er nun im Zentrum des Kampfes stand. Der hätte sich lie-ber etwas selbst herausgehalten, und seine Leute die ersten Stiche und Hiebe austeilen bzw. einstecken lassen.

Zusammengenommen ergab das eine Situation bei ihren Gegenübern, die von einer gewissen Unentschlossenheit geprägt war, sie lähmte und ihre Reflexe be-hinderte.

Auf ihrem Höhepunkt gehörte es zu Renetats Aufgaben, diese Lähmung ihrer Gegner zu nutzen und einen entschlossenen, am besten tödlichen Angriff auf den Anführer zu starten.

Auch heute war es wieder so weit. Harks und Renetats Erfahrungen als Krieger waren nicht zu übersehen. Das große Zweihänderschwert des Hünen. Die ge-schmeidigen Bewegungen seines kleineren Gefährten. Man musste davon ausge-hen, dass die Herren der Stadt die Bewachung des Bluttors keinen Neulingen an-vertrauten. Als erprobte Kämpfer konnten die Wachen ihr Gegenüber einschät-zen. Eine weitere Fähigkeit, die einen Soldaten zum Veteranen machte.

Renetat beobachtete sorgfältig den Anführer ihrer Gegner. Wartete auf den Au-genblick, in dem er die Spitze seiner Waffe etwas senken würde. Dann musste er den Moment abpassen, in dem er ausatmete.

Gleich war es so weit. Unauffällig spannte er die Handgelenke, zielte mit der schweren Wurfscheibe auf das vorgeschobene Knie des Hauptmann der Wache.

Gleich ...

„Ich bitte um Entschuldigung!“ Nead schob sich zwischen die beiden Parteien und winkte mit dem gefundenen Pergament in der Luft.

Was wollte der Idiot!

„Um genau das, was hier gleich losgeht, zu vermeiden, haben mir eure Herren dieses Dokument mitgegeben!“

Herren? Dokument?

„Ihr kennt dieses Siegel. Da bin ich mir sicher!“

Langsam dämmerte Renetat, welche Absicht Nead verfolgte.

„Ihr lest die Anweisung zum Bluttor zu kommen. Ihr könnt doch lesen?“

Mit diesen Worten überreichte ihr neustes Mitglied dem Hauptmann das Perga-ment, das ihnen zugesteckt worden war.

„Seht Ihr! Das steht es! Und hier ist das Siegel.“

„Ich kenne Ihrseins Zeichen.“ Der Anführer der Wachen stutzte, aber die Zweifel klangen in seiner Stimme mit.

„Na da seht Ihr es ja. Und außerdem ...“ und mit diesen Worten riss er ihm das Dokument wieder aus den Fingern und deutete auf die Rückseite. „... außerdem hat dieser Ihrsein sogar den Weg hierhin beschrieben. So wichtig ist es, dass wir das Tor passieren.“

Der Hauptmann studierte misstrauisch die Linien und Pfeile, die sie zum Bluttor geführt hatten. „Aber, warum weiß ich nichts davon?“

Sehr gut. Die Saat des Zweifelns war gesät.

Renetat beschloss, einzugreifen. „Auch wir kennen die Pläne Ihrseins nicht in al-len Einzelheiten. Für uns gilt dies wie ein Befehl, sich unverzüglich bei ihr einzu-finden. Sie wird uns dahinter erwarten. Einen anderen Sinn kann ich in dem Do-kument nicht erkennen!“

Doch der Hauptmann ließ sich nicht beruhigen. „Ich habe keine Meldung erhal-ten, dass ihr hier auftaucht. Das ist ungewöhnlich.“

„Ihr kennt die hohen Herrschaften. Uns sagen die auch nicht alles.“

„Trotzdem ...!“

Renetat musste sich beeilen. Hark knurrte leise, ihm dauerte der Streit bereits zu lange. Er wollte das Problem, wie gewohnt, mit seiner Klinge lösen.

Auch Nead schaute ratlos, ihm fiel augenscheinlich nichts ein, um die Wache zu beruhigen. „Aber das ist Ihrseins Siegel“, meinte er und zeigte auf das Perga-ment. Die Situation drohte zu kippen.

Renetat beugte sich vor und brachte seinen Mund nah ans Ohr des Hauptmanns. „Seht Ihr den Himmel? Seine Farbe. Dieses seltsame Leuchten! Die Herren der Stadt und diese Ku ...!“

„Seid still!“ Der Anführer der Wache erbleichte. „Sprecht es nicht aus. Niemand redet darüber.“

„Dann wisst Ihr jetzt, warum wir hier sind. Heute geschieht es. Heute! Und des-halb sind wir hier am Bluttor“ flüsterte Renetat. Er erhöhte Lautstärke und Schär-fe. „Ihrsein wird über die Verzögerung nicht erfreut sein. Verzieht Euch mit Euren Männern zur Arena. Habt Ihr nicht mitbekommen, was dort für Unruhe herrscht!“

Der Trick funktionierte. Er hatte lediglich geraten. Seine Schlüsse aus seinen Be-obachtungen während seines Zweikampfs in der Arena gezogen und ins Schwarze getroffen. Dennoch zeigte seine List schnell Wirkung.

„Aber wenn uns doch niemand etwas sagt ...!“ Der Hauptmann versuchte sein Gesicht zu wahren, jedoch er hatte das Wortduell bereits verloren. Zeit ihm zu helfen und dafür zu sorgen, dass er sie endlich durchlies.

„Ich verstehe Euch. Was meint Ihr, wie häufig ich in der gleichen Situation ge-steckt habe. Gerade, wenn es aufs Ende zugeht, kennt sich keiner mit den hohen Herrschaften aus. Da heißt es: „Mach dies! Mach das! Warum bist du noch hier?“ Und man muss sehen, wie man damit ohne Ärger klarkommt.“ Renetat versuchte, so viel Mitgefühl wie möglich in seine Stimme zu legen. Hoffentlich verzogen sich die Wachen bald. Er fürchtete, das Hark seine Geduld verlieren könnte.

Seine Unentschlossenheit stand dem Hauptmann ins Gesicht geschrieben. Er schob die Unterlippe mal vor und zurück, suchte den Blick seiner Soldaten, aber die schauten geflissentlich auf den Boden. Sollte doch ihr Anführer die richtige Entscheidung treffen. Bekam der Kerl vom Herrn der Stadt am Monatsende mehr Sold als sie. Und spielte sich bei jeder Gelegenheit als Boss auf.

Mit der Lösung des Problems alleine gelassen, wählte er, wie es Renetat erwar-tete, die, die am wenigsten Folgen haben konnte. Ein Kampf brachte Verluste, be-deutete unter Umständen den eigenen Tod oder Verletzungen. Die Verdächtigen sahen wie erfahrene Gegner aus. Da floss Blut, das war mal klar. Auf beiden Sei-ten.

Wie einfach war es doch, das Pergament, immerhin ein schriftliches Dokument, das sein Vorgehen detailliert beschrieb und anordnete, als Entscheidungshilfe zu nutzen.

Ein letztes Kratzen am Kinn, dann fällte er seine Entscheidung: „Ist in Ordnung. Habt ja sogar nen Wisch, dass ihr reinsollt. Beneide euch nicht darum! Was da drinnen so abgeht, will ich gar nicht genau wissen. Man hört ja so einiges. Und nicht viel Nettes!“

Er gab seinen Leuten einen Wink und die Soldaten machten den Weg frei für die drei Gefährten. Hark drückte gegen das Tor und es öffnete sich knarrend. Nead wollte an ihm vorbei, aber der Hüne hielt ihn auf: „Gute Idee, Kleiner! Doch für den Moment, gehen die großen Kerls voran. Kannst mir gern den Buckel freihal-ten!“

Renetat ließ die Beiden vorgehen und beobachtete die Wachen. Nicht, dass der Hauptmann seine Entscheidung plötzlich widerrief. Als er sicher war, dass sie ihnen nicht in den Rücken fallen würden, folgte er seinen Freunden. Als das schwere Tor hinter ihm zufiel, richteten sich die Haare im Nacken auf. Er konnte das Gefühl nicht unterdrücken, dass sie in einen Hinterhalt tappten.

***


Kommentare

  1. Es zeigt sich, dass es von Vorteil war, Nead mitzunehmen, zu vertrauen und gewähren zu lassen.
    Es handelt sich bei den Vorgängen am Bluttor nicht wirklich um Diplomatie, aber Nead versteht sich auf Grund seiner kautzigen, gar drolligen Art wunderbar auf die Täuschiung mit Worten und Gesten. Man weiss ja noch nicht, was sich hinter dem Tor abspielen wird, aber es kann nur von Vorteil sein, wenn sich vorher nicht schon bei einem erbitterten Kampf geschwächt hat.

    Sehr schön, wie der Autor hier das übliche Denken von Veteranen, Anführern und Untergebenen schildert, und die sich daraus ergebenden Zwänge jedes Einzelnen. Es ist immer schöner, wenn man nicht nur das "Hau-drauf" zu lesen hat, sondern auch verständlich eintauchen kann, in die Gedankenwelt der Beteiligten.
    So wird also dann das Wortgefecht verloren, von den Wächtern des Tores und um das Gesicht zu wahren, trollt man sich und überlässt das Feld dem Gegenüber.
    Es ist auch schön zu lesen, wie das scheinbare absolute Verständnis für den Anderen eingesetzt wird, um ihn dazu zu bringen, dem eigenen Anliegen nachzugeben.. Ein erfrischender Moment, der aufzeigt, dass man sein Ziel auch friedlich erreichen kann.

    Die Kugel zu erwähnen, das, worüber niemand spricht, dieser Schuss ins Blaue war natürlich ein genialer Schachzug.
    Zum Einen bestätigt es Renetats Vermutung, dass mit ihr irgendwas nicht stimmt, zum Anderen, da ja niemand darüber spricht, flösst es dem Hauptmann umso mehr Gedenken ein, dass die Drei tatsächlich in offiziellem Auftrag unterwegs sind.. würde man sonst.. aber.. psst.. niemand spricht darüber..
    Zumindest nicht bis zum nächsten Kapitel und wir dürfen wohl gespannt sein, ob Renetats Vermutung stimmt und man tatsächlich in eine Falle getappt ist..
    Wir werden sehen, lesen.. und bis dahin warten..
    Eine schönes Kapitel.. besten Dank..

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das nächste Kapitel von "Eisen und Magie: Dämonenhand"

heute in "Eisen und Magie: Ewige Liebe" Ein Dieb wird zum Mörder