Szenenwechsel! -10-



Szenenwechsel in den Wilden Westen.

In Snow City lebt es sich gefährlich. Besonders, wenn man die Synner-Brüder zum Feind hat. Im letzten Kapitel von "Jason Derringer: Der Pfad der Rache" musste Silver das hautnah erleben. Im 10 Kapitel ist es Kennedy, der die Rachsucht der Brüder zu spüren bekommt.

Viel Spaß!



Kennedy versuchte, es sich in dem Käfig, der in Snow City als Gefängnis diente, bequem zu machen. Es konnte noch eine Weile dauern, bis Sheriff Dolden ihn herausholte. Spätestens am nächsten Morgen.

Vermutlich sollte er hinter Gittern nur abkühlen, bevor es erneut zu einem Duell mit Doc Synner kam.

Einen kurzen Moment lang überlegte er, ob sein tragischer Irrtum in Pride hier bereits bekannt war. Dort hatte er den falschen Jello erschossen. Der Mann, den er im Saloon der Stadt tötete, hatte mit Sicherheit etwas auf dem Kerbholz. Ohne einen Grund reagierte der Idiot nicht so aggressiv, als er den Steckbrief erwähnte. Um ein Haar hätte es ihn selbst erwischt.

Er zog seinen Mantel enger. Die beiden Fackeln neben seiner provisorischen Zelle standen abseits, so entfernt, dass die Flammen nicht wärmten. Sie erleuchteten den Bereich um den Käfig, reichten aber nicht weit in die Nacht.

In dem Zelt nebenan hörte der Kopfgeldjäger Dolden rumoren. Zuletzt sah er in am Abend, als er ihm einen Blechteller mit etwas Fleisch und Kartoffeln brachte. "Hat die Witwe Hakins für Dich abgegeben", meinte er. "Die Flasche Branntwein bleibt bei mir. Ich will es Dir nicht zu gemütlich machen."

Kennedy schimpfte leise. Der Schnaps käme jetzt gerade recht.

Silver und sein Indianer befanden sich auf der Flucht. Angeblich zettelte der Südstaatler eine Schießerei in Synners Saloon an und erschoss drei seiner Arbeiter. Der Sheriff wollte nach Anbruch des Morgens eine Gruppe Reiter zusammenstellen, um die Flüchtigen zu verfolgen. Ein Teil der Männer um den Doc versprachen, den Gesetzeshüter dabei zu unterstützen. Der Kopfgeldjäger schätzte, dass damit die Tage der beiden Flüchtenden gezählt waren.

Plötzlich verschwand eine der Fackeln. Jemand hob sie hoch und ließ die Flammen zischend im Sand erlöschen. Kennedys Flüche wurden rauer. Was ging da vor? Instinktiv suchte er in der Manteltasche nach seinem Revolver. Aber den verwahrte der Sheriff in seinem Zelt.

Konnte es sein, dass Silver und die Rothaut zurückgekehrt waren? Ihn aus dem vergitterten Kasten befreien wollten?

Das machte keinen Sinn.

Der Südstaatler musste wissen, dass Kennedy bald wieder frei kam. Morgen würde der Doc mit seinen Leuten die Stadt verlassen. Das hatte ihm der Sheriff selbst erzählt. "Vermutlich zu den Mex und über die Grenze", sagte er, die Flasche Branntwein der Witwe Hakins am Hals. "Weiß der Teufel, was er und das Lumpenpack da vorhaben. Aber was soll‘s. Nicht mein Zuständigkeitsbereich. Mexiko ist nicht Texas. Und nicht Snow City. Meinetwegen brauchen sie nicht zurückzukehren."

Nach dem Ausritt von Synner und seinen Handlangern gab es keinen Grund mehr, den Kopfgeldjäger in der Zelle festzuhalten. Warum sollte also Silver das Risiko eingehen, ihn zu befreien. Sein Ziel musste es sein,möglichst viele Meilen zwischen sich und Docs Bande zu legen.

Auch die zweite Fackel erlosch. Kennedy ballte die Fäuste. Das sah eher nach einem Angriff aus. Jemand plante einen Anschlag, nutzte die Dunkelheit für einen verdeckten Hinterhalt.

Der Kopfgeljäger suchte nach einer Waffe, etwas, um sich wehren zu können, aber all sein Besitz lag in Sheriff Doldens Büro. Da war nur der Blechteller, in dem er sein Abendessen erhielt. Dünnes Blech gegen das Blei eines Heckenschützen.

Er kauerte sich in eine Ecke, wollte ein kleines Ziel bieten. Sein Körper verkrampfte sich, wartete jeden Moment auf den Knall eines Schusses und den Einschlag einer Kugel.

Mit aufgerissenen Augen versuchte der Kopfgeldjäger Einzelheiten zu erkennen, die Nachtsicht stellte sich jedoch erst langsam ein. Ein Schatten schlich näher heran, bis an die Tür des Käfigs.

Kennedy zuckte zusammen, als er Metall auf Metall schleifen hörte, doch er erkannte das Geräusch. Da spannte niemand den Hahn eines Revolvers, da drehte sich ein schwerer Schlüssel in einem Schloss.

Es war zu dunkel, um die Gestalt zu identifizieren, außerdem hatte der Unbekannte ein Tuch um seinen Mund gebunden. Seine Stimme klang gedämpft: "Mach, dass du fort kommst. Deine Sachen sind im Zelt des Sheriffs."

Dann fiel das Vorhängeschloss seines Käfigs herunter und sein Befreier verschwand in der Nacht.

Kennedy beschloss, seine Chance zu nutzen. Mit so viel Glück konnte man nicht noch einmal rechnen. Die Stadt lag ruhig, irgendwo heulte ein Kojote und erhielt Antwort von den Hunden, die in Snow City herumstreunten.

Leise öffnete er die Käfigtür, zuckte zusammen, als sie sich nur knarrend öffen ließ.

Vorsichtig schlich der Kopfgeldjäger zu dem Zelt, das der Sheriff als Büro nutzte. Durch die Zeltwand hindurch flackerte das Licht einer Laterne. Er lauschte angestrengt, hörte jedoch keinen Ton. Offenbar befand sich niemand darin.

Kennedy schaute sich nervös um. Die Sache schien verdächtig, sein Nacken juckte, als ob ihn jemand beobachtete. Aber für seine Flucht benötigte er seine Waffen und das Gepäck. Auch die 500 Dollar standen ihm seiner Meinung nach zu. "450" korrigierte er sich. Er hatte die Differenz der Witwe Benton gegeben, damit sie ihren Mann anständig unter die Erde brachte.

Die Zeit drängte. Wenn ein zufälliger Passant bemerkte, dass der Käfig leer war, schlug der vermutlich Alarm. Deshalb ging der Kopfgeldjäger das Risiko ein und schlich vorsichtig ins Büro des Sheriffs.

Er stellte schnell fest, dass sich das Zelt sich in zwei Abteilungen teilte. Hinter dem Eingang begann der Bereich, der den offiziellen Aufgaben diente. Dahinter, durch eine Plane abgetrennt, lag offenbar der private Teil. Kennedy lauschte, aber er konnte kein Geräusch zu hören.

Im Licht der Laterne fand er vorne drei wacklige Stühle, einen grob gezimmerten Schreibtisch, das einzige solide Stück hier. Dazu mehrere Kisten, die das Mobiliar ergänzten. Auf einer warteten Kennedys Sachen, sogar die Satteltasche lag da. Dabei sein Hut, sowie die Kleinigkeiten, die er bei seiner Festnahme trug. Er vermisste lediglich sein Messer, mit der sich das Fleisch zuschnitt oder Lederzeug reparierte.

Sein hastiger Griff in die Tasche bestätigte, dass der Rest seiner Belohnung noch in einem Seitenfach steckte. Genug Geld für eine schnelle Flucht, nur weg von hier.

Er nahm sein Eigentum zurück und schlich vorsichtig zum Ausgang. Draußen rührte sich keine Menschenseele, aber Kennedy wurde das Gefühl nicht los, dass ihn jemand beobachtete. In dem Moment, indem er das Zelt verlassen wollte, hörte er ein leises Kratzen vom privaten Bereich des Büros her.

Sofort griff er nach seinem Colt und ging in die Hocke. Das warnende Kribbeln auf seiner Haut verstärkte sich. Der hintere Teil des Sheriffbüros eignete sich hervorragend für einen Hinterhalt. Nicht auszuschließen, dass dort ein Heckenschütze lauerte.

Er fluchte lautlos, als er bemerkte, dass die Petroleumlampe sein Schattenbild wie eine Zielscheibe gegen die Zeltwände warf. Ein hastiger Griff, er drehte sie herunter und das Büro stürzte in tiefe Dunkelheit. Erneut drang das verdächtige Geräusch zu ihm.

Kennedy schlich vorsichtig näher, spannte den Hahn seines Revolvers, um vorbereitet zu sein, dann wagte er es, alle Sinne angespannt, weiterzugehen.

Immer noch herrschte draußen Stille, aber ein leises Schlurfen, als ob ein schwerer Körper über den Boden kroch, war deutlich zu vernehmen. Das klang nicht nach einem verdeckten Angreifer. Da brauchte jemand Hilfe.

Er nahm die Laterne, schob die Leinwand beiseite, die als Tür diente. Entschlossen, jedoch auf jeden Angriff gefasst, tastete sich der Kopfgeldjäger hinein. Vor ihm lag stöhnend ein Mann. Bei dem trüben Licht erkannte er ihn erst beim zweiten Blick. Sheriff Dolden krümmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht, seine aufgerissenen Augen verrieten Erstaunen und Hilflosigkeit.

Aus seiner Brust ragte der Griff eines Messers, das Kennedy sofort wiedererkannte. Jemand hatte sein Waffe genommen, während er im Käfig hockte. Das erklärte auch, warum er es unter seinen Sachen nicht auffinden konnte.

Sheriff Dolden suchte den Blick des Kopfgeldjägers, mühsam tastete er mit blutigen Fingern nach der Hand des jungen Manns. Er benötigte mehrere Versuche, dann zog er seinen Kopf zu sich hinunter und versuchte, ihm etwas zu sagen.

Kennedy beugte sich zu ihm hinab, bis er nah genug war, um das gequälte Flüstern verstehen zu können. "Jello, das Schwein." Der Verwundete sprach leise, aber jedes Wort brannte sich in Kennedys Gedächtnis fest. "Hau ab, die wollen deine Haut."

Dann schloss er die Augen. Ein tiefer Seufzer kam aus seiner Brust, dessen Bedeutung der Kopfgeldjäger kannte. Der Sheriff war tot.

Für einen Augenblick war es totenstill im Zelt. Kennedy zögerte einen Moment, aber wenn seine Flucht gelingen sollte, konnte er auf sein Messer nicht verzichten. Mit einem energischen Ruck riss er die Klinge heraus, auch dieses Geräusch würde er nie vergessen.

Der Sheriff hatte ihn zwar ins Gefängnis gesteckt, doch ohne sein Eingreifen hätte ihn Doc Synner da draußen erschossen. Ihm die Waffe aus der Brust zu reißen, kam ihm vor, als ob er ihn noch einmal verletzte. Selbst wenn Dolden schon tot war.

Voller Ekel betrachtete er das Messer, schwor sich, es nie wieder zu benutzen. Danach musste er leise über den Widerspruch seiner Gedanken lachen. In diesem Fall hätte er die Klinge auch stecken lassen können. Der Sheriff würde es ihm nicht übelnehmen, falls er es weiter benutzte.

"Ich werde Jello damit den Arsch aufreißen", flüsterte Kennedy dem Toten ins Ohr.

Anschließend fühlte er sich besser. Viele Freunde hatte er selbst im Bürgerkrieg nicht gehabt. Die Meisten starben im Feuerhagel, hauchten ihr Leben im Typhusfieber aus. Sie krepierten an Hunger, Fleckfieber, bisweilen einfach nur an Hoffnungslosigkeit. Wer übrig blieb, gehörte auch nach dem Ende des Kriegs zu Verlierern. Vegetierte in irgendwelchen Gefängnissen, der ein oder andere endete am Strang. Der Rest lebte häufig aus der Flasche.

Von allen Kerlen, die ihm danach begegneten, war dieser Sheriff der Einzige gewesen, der ihm ohne Eigennutz geholfen hatte. Dafür bezahlte er mit seinem Leben.

Traurig schloss er mit der flachen Hand die Augen des Toten, flüsterte einen letzten Schwur.

Plötzlich tauchten rund um das Zelt Fackeln auf. Kennedy sah durch die Zeltwände, dass sie ihn umzingelten. Jetzt wurde ihm alles klar. Wie ein Idiot war er in die Falle getappt. Das war vermutlich sogar Jello selbst gewesen, der ihn aus dem Käfig befreite. Nachdem er den Sheriff erstochen hatte.

Nun hing er in diesem verfluchten Sheriffbüro fest. Leinwand gab nicht viel her als Deckung in einem Schusswechsel. Er steckte ziemlich in der Scheiße.

***




Kommentare

  1. Aus dem Regen in die Traufe..
    Aber immerhin ist Kennedy frei. Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
    Die Pläne von Doc und Jello Synner sind etwas undurchsichtig.. Niemand hätte etwas unternommen, wären sie in der Nacht zum Käfig gegangen und hätten ihm eine Kugel verpasst.
    Man kann also vermuten, dass sie erst jetzt auf dem Weg dorthin sind und es doch eine gute Seele war, die ihm die Freiheit schenkte. Vermutlich war nur das Timing etwas schlechter, als man sich das wünschen könnte.

    Der Sheriff hatte zumindest soviel Einfluss, dass das Geld in den Satteltaschen blieb und nicht in den Taschen des Docs verschwunden ist, der damit sicherlich die Kasse hätte auffüllen können.

    Es bleibt also abzuwarten.
    Mit etwas Glück schaut die Meute nicht sofort im Zelt des Gesetzeshüters nach, sondern bewegt sich sofort auf den Käfig zu, das Gefängnis von Snow City.
    Vieleicht wäre es gut gewesen, den Sheriff ins Zelt zu ziehen, dass man nicht sofort über ihn stolpert.. ?

    Wir werden sehen, wie es sich entwickelt - die Spannung steigt

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das nächste Kapitel von "Eisen und Magie: Dämonenhand"

heute in "Eisen und Magie: Ewige Liebe" Ein Dieb wird zum Mörder