Die Wartezeit hat ihr Ende!


Man macht so seine Pläne und dann kommt das Leben. Aber es ist wieder soweit! Das neuste Kapitel aus "Eisen und Magie: Die Gefährten" wartet auf Euch. Immerhin schon Nummer 21.

Und bis zum nächsten Kapitel ist es auch nicht mehr weit.

Daher viel Spaß!







Der schwere Deckel öffnete sich knarrend. Es bereitete Nead Schwierigkeiten, ihn zu heben. Insgesamt brauchte er drei Versuche, bis er die unhandliche Klappe endlich unter lautem Getöse und einem heftigen Knall auf den Boden fallen ließ.

Hark litt schweigend und mit zusammengepressten Lippen. Die Fraßkäfer bissen sich jedes Mal, wenn sich die Holzkiste bei Neads Bemühungen bewegte, fest. Mittlerweile gab es nur wenige Stellen an seinem Körper, die nicht von Zähnen seiner Peiniger gezeichnet waren.

Der Hüne hoffte, dass der Lärm keine weiteren Wachen alarmierte. In diesem Fall fände der Befreiungsversuch ein jähes Ende. Und irgendwie musste er noch aus der Kiste heil herauskommen.

Hark beglückwünschte sich zu seinem und Renetats Plan, Nead unter dem Floß in die Dunkle Stadt hineinzuschmuggeln. Dabei setzten sie beide auf die Pfiffigkeit ihres Begleiters, der es immerhin schaffte, in den gefährlichen Gassen der Traumstadt zu überleben.

Der Hüne wehrte sich eine Weile gegen die Idee seines Freundes, dem Kerl auch noch das Gift zu überlassen, das er für einen eigenen schnellen Tod mit sich führte. Zu groß war seine Angst, erneut und ohne Ausweg in die Fänge Anghis zu geraten.

"Neads Stärken liegen nicht in der Waffenkunst", erklärte Renetat. "Gib ihm unser Geld, die Wachen werden es früher oder später finden und einstecken. Auch das Gift ist bei ihm besser aufgehoben. Vielleicht kann er es ja brauchen!"

Ihr Plan bestand darin, dass ihnen ihr neuer Gefährte heimlich folgen sollte. Um im entscheidenden Moment aus dem Hinterhalt einzugreifen. Dabei vertrauten sie darauf, dass ihr aggressives Auftreten die Aufmerksamkeit von seiner Anwesenheit ablenkte. Und dass seine Erfahrungen in den dunklen Gassen der Traumstadt sein Überleben ermöglichte.

Bisher war ihr Plan aufgegangen. Na ja zur Hälfte. Nead hatte Hark in seiner Folterkiste gefunden. Allerdings nur gefunden. Irgendwie musste er jetzt noch ohne weitere Verletzungen herauskommen.

Sein Befreier strahlte ihn an. »Gute Idee mit dem Gift. Oder was meinst Du? Die Flasche habe ich geklaut. Dachte mir schon, dass der Trottel von der Wache nicht wiederstehen konnte. Der war viel zu gierig daraufaus, sie einem armen Tropf wie mir abzunehmen, so dass er keine Falle witterte. Jetzt raus mit Dir, mein alter Freund!«

Er griff voller Vorfreude mit beiden Armen in die Kiste, da wo er die Hände des Hünen vermutete, um ihn herauszuziehen. Noch während er nach den Handgelenken seines Freundes suchte, bemerkte er die ersten Bisse. Es dauerte einen Moment, bis er die Ursache für die Schmerzen erkannte. Trotz seiner misslichen Lage, amüsierte sich Hark, als er das Mienenspiel Neads beobachtete.

Hastig zog sein mutmaßlicher Befreier die Hände zurück, schüttelte die Käfer, die noch an seiner Haut hingen, ab. Dann betrachtete er ungläubig die Verletzungen an seinen Armen.

»Verflucht! Was ist das? Das tut ja hundsgemein weh!« Erst da erkannte er, in welcher Lage Hark steckte. »Da ... da sind ja jede Menge davon in deiner Kiste. Die Viecher beißen ja wie wild.«

Dem Hünen blieb nichts anderes übrig, als mit den Augen zu rollen. Böse funkelte er Nead an. Versuchte, die Fraßkäfer zu ignorieren, von denen einige gerade ein paar Kostproben nahmen.

Dann zeigte sich endlich die Erkenntnis in seinem Gesicht, mit welchen Mitbewohner sein Freund diese Holzkiste teilte. »Das ist ja schrecklich.« Mit Abscheu betrachtete er die kleinen Fleischwunden, die sein Griff in die Kiste verursacht hatte. »Da müssen ja Tausende und Tausende von diesen bissigen Viechern bei Dir sein. Aber wie kriege ich Dich da wieder raus?«

***

»Thurakos! Wir wollen sein Bluuuut!« Die Zuschauer forderten ihren Favoriten auf, sich dem Riesenaffen zu stellen. Renetat stellte verwundert fest, dass zwar der Lärm zu ihnen in die Arena drang, aber die Atmosphäre wirkte unwirklich. Die Stimmung und das Gefühl für die Begeisterung der Menge kamen gar nicht bei ihm an.

Er vermutete, dass das mit der geheimnisvollen Kugel zusammenhing. Der Abenteuer argwöhnte, dass sie wie ein Vampir die Emotionen auf sich ablenkte. Ihr Leuchten verstärkte sich mit jeder Minute, sie selbst schien größer zu sein, als zuvor. Immer wilder tobten die Schlieren und Wolken auf ihrer Oberfläche.

Für Renetat gab es nur eine Schlussfolgerung: Das seltsame Ding ernährte sich von den Gefühlen, die in der Arena und auf den Zuschauerrängen frei wurden. Wie ein Vampir brauchte die Kugel das Toben der Menge und die Kampflust auf dem Sandboden für ihre eigene Existenz.

Gut möglich, dass die blutigen Spiele nur diesem Zweck dienten.

»Blut! Blut! Blut! Die Zuschauer skandierten ihren Schlachtruf, ihre Schreie verstärkte sich an den hohen Wänden, wurden zurückgeworfen und erzeugten eine Schallwelle, die selbst in der Tiefe der Arena Renetat spürte. Seine Haare auf Rücken und Arme stellten sich auf, sogar sein Magen rebellierte, Übelkeit kroch in seiner Kehle hoch.

Die Hysterie der Menge zeigte auch bei dem Riesenaffen Wirkung. Er blickte wie wild um sich, wusste nicht, auf wen oder was er seine Aufmerksamkeit richten sollte. In seiner Verwirrung schlug er auf den Sand, wirbelte ihn auf und stieß schrille Wutschreie aus.

Ohne erkennbaren Übergang griff er an. Renetat stellte zu seiner Freude fest, dass er den Gladiator attackierte und nicht ihn. Das bedeutete weitere Minuten Überleben.Mit mehr rechnete er nicht. Egal wer in dem Duell Sieger blieb, sein nächstes Opfer würde er sein.

Thurakos wartete ruhig auf seinen Gegner. Die beiden stämmigen Beine unerschütterlich in den Boden gerammt, schob er die rechte Hüfte vor, die Spitze seines Bihänders zeigte zum Sandboden.

Unter anfeuernden Rufen der Zuschauer steigerte der Affe sein Angriffstempo, die Augen fest auf den Gladiator gerichtet. Mit wilden Kampfschreien versuchte er seinen Gegner zu beeindrucken. Kurz bevor er in Reichweite des Kampfschwerts geriet, hielt er an und trommelte mit beiden Fäusten gegen die Brust.

Der Riesenaffe zögerte, er kannte jetzt die Wirkung einer Stahlklinge, sein mächtiger Körper zeigte die Spuren des letzten Kampfs. Doch Thurakos schien zu wissen, dass der Blutverlust seinen Gegenüber mit jeder Minute weiter schwächte.

Er holte sein Schwert nach vorne und umkreiste den Affen mit vorsichtigen, fast tänzerhaften Schritten, die Augen fest auf seinen Angreifer gerichtet. Er würde nicht den gleichen Fehler wie sein Vorgänger machen.

Die Wut des Riesenaffen entlud sich in einem fürchterlichen Wutschrei. Dann sprang das Tier mit einer Geschwindigkeit, mit der Renetat nie gerechnet hätte. Wie ein fahler Blitz schoss er auf Thurakos zu, die langen Arme suchten ihr Ziel. Was in diese Finger geriet, besaß keine Chance zu entkommen. Thurakos erwiderte den Angriffschrei und startete einen Gegenangriff.

Der Lärm der Zuschauer steigerte sich. Hier prallten zwei Giganten aufeinander. Die beiden Gegner standen sich in Statur und Größe gleichwertig gegenüber. Ein solches Duell war selbst in dieser Arena vermutlich ungewöhnlich.

***

Neads Gesicht verschwand aus Harks Sichtfeld. Er hörte ihn kramen und brummen. Metall schepperte, leises Fluchen drang bis an die Holzkiste.

Bald tauchte sein Freund wieder auf. In der Hand hob er die Flasche hoch, die er mitgebracht hatte. Auf seinem Kopf thronte ein Stiefel und zwischen den Zähnen hielt er ein Messer. Beides gehörte der Wache, die jetzt tot auf dem Boden klag. »Hmm, ich nehme an, Du liegst da gefesselt und kannst Dich kaum bewegen?«

Hark blieb nur übrig, mit den Augen zu rollen und leise zu knurren.

»Dachte ich mir. Dann geht es so nicht!« Er verschwand wieder im Wachraum und ließ einen verwunderten Gefährten zurück.

Schnell erschien er erneut. In der einen Hand eine Fackel, in der anderen einen Eimer, der, dem Geruch nach, der davon ausströmte, von den Wachen als Abort benutzt worden war.

»Metallketten oder Stricke?«

Als Hark in mit großen Augen ansah, schüttelte er den Kopf. »Dachte ich mir. Ich hab‘s befürchtet. Metall!«

Wieder verschwand er, der Hüne hörte ihn im Hintergrund rumoren und schimpfen. »Hoffentlich beeilt sich der Narr«, überlegte er. Nicht auszudenken, was passierte, falls eine Ablösung für den Wachsoldaten erschien.

Erneut schob sich Nead vor die Kiste. Diesmal trug er die Lederhandschuhe des Wärters und präsentierte mit einem strahlenden Grinsen einen Schlüsselbund. »War eigentlich logisch. Der Kerl verwahrte ihn am Gürtel. Du weiß nicht zufällig, welcher passt?«

Hark blieb nur übrig, die Zähne zu blecken. Gerade nahmen einige der Fraßkäfer eine kleine Mahlzeit ein und hatten zum Essen ein paar Freunde eingeladen.

»Musste ich von ausgehen. Dann probieren wir mal, wer funktioniert.«

Er bückte sich nach vorne und blinzelte vergnügt. »Ich denke, wie befreien erst einmal deine Füße.«

Ohne eine Antwort abzuwarten ging Nead zum Fußende der Holzkiste und beugte sich darüber. Erneut hielt er an und schaute Hark in die Augen. Seine Mundwinkel erreichten wieder bald die Ohren, so grinste er. »Ich hoffe, Du bist nicht kitzelig!«

In diesem Moment wäre der Hüne vor Wut beinahe aus der Kiste gesprungen, doch er steckte zu tief in dem Hügel aus Käfern, um es aus eigener Kraft zu schaffen. Es blieb ihm nur übrig, knurrend auszuhalten und abzuwarten, was Nead vorhatte.

Der tauchte seine mit den Lederhandschuhen geschützten Arme vorsichtig in die Masse aus Fraßkäfern und tastete nach den Fußfesseln.

Hard beobachtete seine Versuche, bald spürte er, die suchenden Finger an seinen Beinen.

»Ah, da sind sie ja.«

Immer tiefer tauchte er seine Arme in die Kiste, suchte und fand die gefesselten Füße seines Freundes. Die Sache schien ihm Spaß zu machen. Vor Eifer und Konzentration steckte er seine Zungenspitze zwischen den Lippen nach vorne, die Augen drehte er zur Decke. Dabei wurde er unvorsichtig. Er geriet zu weit in den kleinen Berg aus Käfern und einige der gefräßigen Tiere fielen über den Rand der Handschuhe hinein.

Sofort bissen die Viecher zu.

»Scheiße«, brüllte Nead und zog blitzschnell die Arme heraus. Schimpfend entledigte er sich der Handschuhe und streifte die hereingefallenen Fraßkäfer hastig ab. Hark hörte ihn noch jammern und klagen, aber bald tauchte sein Gesicht wieder über der Holzkiste auf.

»Wir haben ein kleines Problem, mein Freund. Ich habe die Schlüssel in der Kiste verloren.«

***

Mit jedem Schritt, mit dem die Kämpfer die Distanz zwischen sich verkürzten, steigerte sich der Lärm im Zuschauerrund.

Renetat wand sich ab. Der Ausgang dieses Duells war ihm klar. Der Sieger stand für ihn fest.

***
.




Kommentare

  1. Nead und Hark.. wenn man nicht immer noch ein wenig entsetzt wäre, von den Käfern, die ihn komplett bedecken, man würde lachen wollen, über die Tollpatschigkeit des kleinen Befreiers.
    Wenigstens hat er begriffen, unter welchen Schmerzen Hark leidet. Er versucht ja auch schnell und geschickt zu agieren - muss man ihm zugestehen. Am Ende aber noch die Schlüssel in der Kiste zu verlieren...
    Die Szene wird noch gewürzt, durch den Dialog - eigentlich ein Monolog, wenn man das Augenrollen und Zähneblecken Harks mal weglässt.. "Wir haben ein kleines Problem, mein Freund"...

    Renetat hingegen hat es so gar nicht lustig.
    Meine Hoffnung, dass der Riesenaffe seinen Gegner ermüden könnte, scheint vergebens.
    Thurakos scheint allzu genau zu wissen, wie er kräfteschonend mit dem Tier umgehen muss.
    Natürlich ist es sehr, sehr wichtig und von Bedeutung festzustellen, dass die Kugel sich wohl von den Emotionen der Zuschauer ernährt und diese auch zu wecken weiss. aber wie soll Renetat dieses Wissen weitergeben, oder gar nutzen, wenn sein Blut sich im Sand der Arena ausbreitet ?
    An dieser Stelle sei gesagt, dass ich fest davon überzeugt bin, dass Renetat das irgendwie übersteht. Aber in der Reihe Eisen und Magie ist es auch schon vorgekommen, dass jemand, den ich im Laufe der Geschichte ins Herz geschlossen habe trotzdem das Zeitliche segnete.

    Hilfe nagt.. ich meine naht.. nagen werden die Käfer wohl noch ein wenig, bis Nead den Freund endlich aus der Kiste geholt hat - nach dem Schlüsselbundfund.
    Wollen wir hoffen, dass dies schnell genug geschieht, oder aber Renetat einen Kampfpartner mit dem Namen Glück vom Autor zur Seite gestellt bekommt.

    Bis man das aber weiss.........
    Es wird mir vorkommen wie Monate, bis das nächste Kapitel mich von der Anspannung erlöst.

    Im Wissen, dass ich dieses Buch ohne Zweifel haben will, ist es, denke ich, mal an der Zeit, zu erwähnen, dass dem Autor hier wieder ein Glanzstück aus der Eisen- und Magiewelt gelingt.
    Charaktere, Handlung, Ort der Handlung.. ich bin wieder einmal begeistert..!

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