Eine neue Episode aus Thumberg.

Diese Prüfung hat die "Schlechteste Diebin" der Stadt nicht bestanden. Kein Wunder, dass sie ans Aufgeben denkt. Doch der Leser ahnt es vermutlich. Noch ist die Geschichte aus Thumberg nicht zu Ende.

Wer es das erste Kapitel verpasst hat, kann es hier lesen.

By the way. Lust auf mehr Thumberg. Da gibt es schon eine Kurzgeschichte, fertig fürs Ebook.

Ihr findet es hier, und selbstverständlich auch dort.

Aber zunächst mal viel Spaß mit "Geschichten aus Thumberg: Die schlechteste Diebin der Stadt"!



Der Geruch der Hölle, in der die Götter die Bösen und Verlierer steckten, ließ das kümmerliche Frühstück die Speiseröhre hochsteigen. Am Ende schoss es explosionsartig nach oben, dass es gleichzeitig durch Mund und Nase austrat. Als sie erschrocken wieder einatmete, verstopfte der Brei die Nasenlöcher. Heftig hustend rang sie um Atemluft, es dauerte eine Weile, bis es gelang, ausreichend Luft zu bekommen. Als sich ihr Blick klarte, erkannte Silgid ihre Umgebung sofort. Sie befand sich immer noch im Turmzimmer, allerdings auf dem Boden. Offenbar hatte das Gift des Reptils nicht ausgereicht, um sie zu töten. Stattdessen war sie nur ohnmächtig geworden. Nur die Schwellung an der Bisswunde zeigte, wo sie das Biest getroffen hatte. Die Beule am Kopf rührte wohl von dem Sturz her.

Die Schlange!

Suchend irrte Silgids Blicke durch das Labor, fanden den kleinen Korb, in dem ihr Lehrer das Reptil verwahrte. Es stand auf dem Tisch, ein Stück billiges Rindenpapier lag so darunter, dass eine Ecke hervorlugte.

Die Schuppen der Giftschlange raschelten über das Stroh, als das Mädchen das Papier herauszog. Die Handschrift Mussads ließ sich wie so häufig nur mit Mühe entziffern:

"Deine schuppige Freundin durfte vor deiner Prüfung ein paar Mal in ein zusammengeknülltes Wolltuch beißen. Dabei verlor das Tier einen großen Teil seines Gifts. Falls nicht, kannst Du dieses Schreiben eh nicht mehr lesen. Brei aus Tesh-Samen lindert den Brechreiz. Du findest einen Topf davon im Regal am Nordfenster. Daneben das Tuch mit dem Schlangengift. Säubere es, es verätzt die Wolle!

Du verstehst, dass ich Dich nicht mitnehme. Die Aufgabe ist zu schwer für einen dummen Lehrling."

Silgid fluchte und weinte abwechselnd. Die Niederlage tat ihr weh. Zu langsam, zu ungeschickt für einen Dieb. Es geschah ihr ganz recht, dass Mussad sie auf seinem Beutezug im Turm zurückließ. Ihre mageren Fähigkeiten reichten noch lange nicht aus, ein würdiges Mitglied der Diebesgilde zu sein.

Wütend stieß sie gegen den Schlangenkorb. Zur Belohnung zischte das Reptil und schlug mit ihrem Kopf an die Decke ihres Gefängnisses. Niemand kam an die Schnelligkeit einer Naht-Natter heran. Niemand! Und trotzdem gehört es zu den Aufgaben eines angehenden Gildenmitglieds, sie zu besiegen.

Erneut füllten Tränen ihre Augen. Niemals, niemals würde sie alle Prüfungen bestehen und aufgenommen werden. Verzweifelt nahm Silgid das Tuch, um es zu waschen. Gerade tönte das Horn des Hundes und sie erschrak. Ihr misslungener Test lag bereits sechs Stunden zurück. Nachdenklich trug sie den Korb mit der zischenden Schlange zum Fenster. Das warme Stroh kratzte an ihren Händen und erinnerte sie daran, dass sie noch das Wolltuch auswaschen musste, bevor ihr Lehrer zurückkehrte.

Das Hundehorn bedeutete, dass die Sonne in zwei Hornstößen aufging. Mussad hätte längst wieder da sein müssen! Ob ihm was zugestoßen war? Seine besten Zeiten hatte er hinter sich gelassen. Sein Abstieg in der Gilde war Stadtgespräch und nicht ohne Grund erhielt er den Lehrling mit den geringsten Fähigkeiten.

Aber wieso überließ man ihrem Ausbilder trotz seines Rufs einen so kostbaren Plan. Das Labyrinth führte in eine Schatzkammer, in der die Reichtümer sich so hoch stapelten, dass der Besitzer Wochen brauchte, um einen Diebstahl zu bemerken. Selbst wenn ein Mann jede Nacht so viel mitnahm, wie er tragen konnte.

Welchen Preis hatte er dafür bezahlt? Wovon hätte er ihn bezahlen sollen?

Und was, wenn ihm jemand eine Falle stellte. Pashar traute sie jede Schweinerei zu. Allein die Blicke, die er ihr immer zuwarf. Ein unangenehmes Gefühl. Manchmal stellte Silgid sich ihn mit einem Schweinekopf vor. Das passte zu dem Mistkerl.

Ihre Finger juckten. Sie hielt ja noch das mit dem Gift durchtränkte Tuch in der Hand. Wenigstens die Aufgabe eines Waschweibs sollte sie erfüllen können. Wo steckte nur der Waschzuber?

Ihr Fuß stieß gegen einen der Töpfe voll Labh. Der Gestank schoss wie ein Pfeil durch ihre Nase und drang wie ein Blitz in ihren Kopf. Den Göttern sei Dank lag ihr Frühstück bereits auf dem Boden.

Ein Teil des Inhalts schwappte aus dem Behälter, als Silgid ihn zurück an seinem Platz stellte. Fluchend schaffte sie gerade noch, ihre Füße aus der Reichweite der Brühe zu bringen. Weißer, beißender Dampf stieg auf, als er auf den ausgetretenen Granitboden traf. Sofort schossen ihr die Tränen in die Augen, die Nase brannte, als ob ihr jemand Säure hineingegossen hätte. Im ersten Reflex drückte sie das Tuch mit dem Schlangengift vors Gesicht.

„Verflucht. War sie denn von allen guten Geistern verlassen. Labh-Dünste und Nath-Gift“, dachte sie. Vermutlich löste sich gleich die Haut von ihrer verweinten Visage. Eine schrecklichere Mischung war schwer vorstellbar.

Silgid betastete vorsichtig Wangen und Nase. Etwas gespannt, aber keine Blasen. Ein wenig taub, aber keinerlei Schmerzen. Sollte es gut ausgegangen sein?

Gaaaaanz langsam atmete sie ein. Da war nichts. Keine Schmerzen. Aber da bahnte sich was an? Irgendetwas irritierte sie. Etwas war anders. Es dauerte eine Weile, in der intensiver Juckreiz ihre beiden Nasenflügel überzog. Dann geschah etwas Fürchterliches. Erst wackelte ihre Nasenspitze wie die eines jungen Hundes. Dann wanderten die Zuckungen weiter hoch, erreichten die Augenbrauen, bis sie endlich anhielten.

Sie brauchte allen Mut, um in den Spiegel zu sehen. Aber anschließend wünschte sie, sie hätte es nicht getan. Es dauerte eine Weile, bis die Wirkung nachließ. Die Nase schwoll zu, aber dafür war sie sogar dankbar. So brauchte sie weder dieses widerliche Gebräu noch das ätzende Schlangengift zu riechen.

Erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen. Nun hatte sie zu ihrem Unglück durch ihr Missgeschick ihren Geruchssinn verloren. Auch wenn die Zuckungen langsam schwächer wurden, bestimmt dauerte es eine Weile, bis das aufhörte.

Sie schluchzte. Das war es jetzt. Sie gab auf. Ihr Traum von einer Laufbahn als Meisterdieb gescheitert. Zeit, Thumberg zu verlassen und zu ihren Eltern auf dem ärmlichen Bauernhof zurückzukehren.

Keine Diamanten, sondern Hühnereier sammeln. Keine Karriere als berühmte Diebin, nur die Hoffnung, dass irgendein dummer Bauernlümmel das magere Ding zur Frau nahm.











Kommentare

  1. Nunja.. kein Gegengift.
    Das Wolltuch tut es natürlich auch.
    Es ist spürbar, dass die beiden sich trotz all seines Unverständnisses über ihre langsamen Fortschritte und ihrer Verweiflung und des Ungerecht-behandelt-fühlens nicht völlig egal sind.
    Er kümmert sich mit einem Brief um das schnelle Wohlergehen seiner Schülerin - sie macht sich Sorgen weil er zu so später Stunde nicht nach Hause gekommen ist.
    Ich bin mir auch sicher, dass sie wirklich den Wntschluss gefasst, nach Hause zu gehen.
    Indes vermute ich ein unerwartetes Geschehnis, dass sie davon abhält, oder sie gar auf seine Spuren schickt, in der Hoffnung ihm helfen zu können..
    Wir werden es erfahren.. bald.. und wie das mit dem Geschirrtuch weitergeht..

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