Finale in der Dunklen Stadt!

Lange hat es gedauert. Ich entschuldige mich dafür, aber es war einfach zu viel zu tun.

Heute lest Ihr das finale Kapitel von "Eisen und Magie: Die Gefährten". Die letzten Rätsel lösen sich (oder auch nicht). Und die Geschichte beginnt da, wo sie begonnen hat.

Wie geht es hier weiter?

Eine kurze Pause, dann folgen ein paar Kurzgeschichten aus Thumberg. Den Anfang macht "Die schlechteste Diebin der Stadt". Dann macht ihr Bekanntschaft mit dem "Ghoulkönig". Und natürlich könnt ihr die Abenteuer von "Jason Derringer: Der Pfad der Rache" weiterverfolgen.

Ob es in dem alten Rhythmus weitergeht, kann ich nicht sagen. Zur Zeit verfolgt mich die Arbeit. Und da sind noch die fertigen Bücher von "Eisen und Magie", die darauf warten, lektoriert und gecovert zu werden.

Aber da habe ich schon eine Idee. Später hier mehr. Jetzt erstmal viel Spaß mit dem letzten Kapitel aus "Eisen und Magie: Die Gefährten"!




Wie ein Ball durch die Ritualkammer springend, wich er den tödlichen Lichtstrahlen der Magierkugel aus. Gleichzeitig schleuderte er Wurfmesser und -scheiben auf die Spiegel. Nicht jeder Wurf traf, doch die Treffer reichten, um die Zahl der Splitter auf dem Boden der Kammer anwachsen zu lassen. Zugleich nahm die Kraft des Lichtzelts über der schemenhaften Gestalt des Magiers ab. Er dankte den Göttern dafür, dass er diesen Zusammenhang durchschaut hatte und für seine Erfahrungen im Duell Mann gegen Mann. Aber früher als ihm lieb war, kam der Moment, den er gefürchtete hatte. Trotz seiner unzähligen Taschen, geheimen Fächern und verborgenen Schlaufen fand er keine weiteren Wurfwaffen mehr in seiner Kleidung. Nur eine der Wurfscheiben, die er in der Traumstadt gefunden hatte, war ihm geblieben. Er beschloss, alles auf eine Karte zu setzen.

Renetat wartete auf den verräterischen Knick im Handgelenk, bevor sein Gegner seinen Blitz schleuderte. Diesmal verzögerte er die Ausweichbewegung bis zum allerletzten Augenblick, so dass ihn der tödliche Lichtstrahl nur um Haaresbreite verfehlte. Kaum, dass der Strahl über seine linke Schulter zischte, verließ seine letzte Scheibe seine Hand. Der Abenteuerer musste erkennen, dass nicht nur er aus dem Zweikampf lernte. Die Magierkugel und der Schemen, der sie führte, verschwand einfach an der Stelle, an der sie eben noch schwebten, und erschien unversehrt zwei Handbreit weiter.

Dann begann der mörderische Tanz aus Ausweichen und Blitzstrahl erneut. Nur besaß Renetat jetzt keine Wurfwaffen mehr.

***

Langsam zeichnete sich ab, dass Hark über die besseren Reserven verfügte. Ob es an seinem jüngeren Alter lag oder der enorme Blutverlust durch die klaffenden Wunden, da sein Erzfeind nach wie vor jeden Hieb mit seinem linken Arm parierte, interessierte den Hünen nicht. Seine Rechnung ging auf.

Anghis atmete schwer, eigene Angriffe startete er immer seltener. Mittlerweile begnügte er sich häufig damit, nur noch Scheinattacken einzustreuen. Sein Kampfmesser besaß jedoch nicht die Reichweite eines Zweihänders.

Schließlich strauchelte er, nur mit Glück schaffte er es, einen Sturz zu verhindern. Im letzten Moment stürzte er auf sein rechtes Knie, stützte sich mit der Klinge seines Messers ab. In dieser Stellung konnte er weder einen Angriff abwehren oder einen eigenen in die Wege leiten. Das war die Gelegenheit für Hark einen entscheidenden Schlag zu führen.

Er zielte auf den Hals seines Gegner, doch als er in die Augen Anghis schaute, erkannte er, dass er in eine Falle geraten war.

***

Neads Welt bestand nur aus einem wilden Tanz auf dem Rücken des Rattenkönigs. All seinen Willen und seine Kraft setzte er ein, um sich an den Griff des Schwerts zu klammern, das tief im Nacken des Riesen steckte. Direkt vor sich sah er die klaffende Wunde, die die Klinge geschlagen hatte. Sie blutete kaum, das Weiß der Knochen schimmerte durch das Rot des Fleisches hindurch.

Wütend schlug sein Gegner nach ihm, schüttelte sich wie ein Verrückter, um ihn wie ein lästiges Insekt abzuschütteln. Nead kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung darum, den Schwertgriff nicht loszulassen. Er wusste genau, wenn er zu Boden fiel, dann war er der Wut des Rattenkönigs ohne eine Chance auf Gegenwehr ausgeliefert.

Der Straßenganove beschloss, die Situation als ein Unentschieden zu werten. Er hoffte so lange am Nacken hängen zu können, bis einer seiner Gefährten einschritt. Doch sein Gegner fand einen Weg, das schmerzhafte Anhängsel loszuwerden.

Er ließ sich einfach und mit einem lauten Krachen auf den Rücken fallen.

***

Ihrsein versuchte, an dem Kampfchaos vorbei zu ihrem Säugling zu kommen. Das Atmen fiel ihr schwer, alle Muskeln der Brust verweigerten ihren Dienst. Der eiserne Griff des Rattenkönigs hatte seine Spuren hinterlassen. Doch die Sorge um ihre Tochter gab ihr die Kraft durchzuhalten.

Nur durch ein Wunder blieb das kleine Körbchen trotz der heftigen Kämpfe unversehrt. Auch die gefesselte Kaufmannstochter erwartete sie mit großen Augen. Sie kannte ihr Schicksal, falls die Herrn der Dunklen Stadt hier den Sieg davontrugen.

Ihrsein schlich an den Kämpfenden vorbei, es gelang ihr nur mit viel Glück einigen Blitzstrahlen auszuweichen, die die Magierkugel abschoss. Es lagen nur noch wenige Schritte zwischen ihr und dem Säugling, da krachte der wuchtige Körper des Rattenkönigs auf den Boden der Ritualkammer und versperrte den Weg.

Das Schwert im Rücken bohrte sich durch den Aufprall tiefer hinein, in dem plötzlichen Schmerz bäumte sich der Gestürzte laut schreiend auf. Ihrsein griff im Reflex zu ihren Waffen, doch beide Hände besaßen nicht die Kraft, sie festzuhalten.

In ihrer Hilflosigkeit dachte sie in daran, den Riesen mit den Zähnen anzugreifen, sie wollte nur zu ihrem Kind. Aber beim Aufstehen schlug der Rattenkönig sie wie beiläufig beiseite. Die Welt versank in einem tiefen Schwarz und die verzweifelte Mutter blieb darin gefangen.

***

Renetat kam sich wie ein Spielball vor. Während er den Blitzstrahlen auswich, dankte er seinen Göttern, dass er das verräterische Abknicken des Handgelenks als Hinweis auf einen bevorstehenden Angriff kannte. Anderenfalls läge er bereits als qualmende Leiche auf dem Boden.

Mittlerweile glaubte er sogar, ein System in den Attacken zu erkennen, beschloss aber sich davon nicht zu einem leichtsinnigen Manöver verleiten zu lassen. Vielmehr versuchte er, in die Nähe eines seiner Wurfwaffen zu kommen. Mit etwas Glück schaffte er es, im Sprung eine zu ergreifen.

Zweimal griff der Abenteurer daneben, beim dritten Mal bekam er einen scharfen Gegenstand auf dem Boden zu fassen. In seiner Enttäuschung wollte er ihn schon loslassen, er hatte in dem Durcheinander von Splittern ein großes Stück der zerschmetterten Spiegel erwischt. Doch er fühlte sich schwer an, nur unwesentlich leichter als eines seiner Messer. Allerdings nicht so ausbalanciert wie seine Wurfklingen.

Renetat besaß keine andere Waffe, sie musste reichen. Um genügend Kraft in den Wurf legen zu können, ging er das Risiko ein, den nächsten Strahl nur knapp passieren zu lassen. Er verzögerte die folgende Ausweichbewegung etwas und schleuderte die Scherbe in Richtung der Magierkugel.

Der Blitz streifte ihn, der Aufprall raubte ihm den Atem, warf ihn zu Boden. Rauch stieg von seiner Kleidung auf, unwillkürlich schrie er vor Schmerz und es roch nach verbranntem Leder und Fleisch.

Doch er hatte nur Augen für die geschleuderte Spiegelscherbe. Sie flog auf die Magierkugel zu, verfehlte sie jedoch um wenige Fingerbreit. Wie es Renetat geplant hatte.

***

In Anghis Augen leuchtete Genugtuung. Er öffnete den Mund und spie einen Schwall Flüssigkeit in Harks Gesicht. Der Ausdruck im Blick seines Erzfeindes warnte ihn und so schloss er rechtzeitig die Augenlider.

Ob sein Gegner das Gift die ganze Zeit in der Mundhöhle verbarg oder es sich um ein besonderes Geschenk seine magischen Herrn handelte, erfuhr er nie. Wie Säure verätzte sie seine Haut, die geschlossenen Lider verhinderten, dass seine Augen verbrannten. Dennoch ließen ihn die Dämpfe augenblicklich erblinden.

Dies reichte Anghis aus, um seinen tödlichen Angriff zu starten. Blitzschnell stach er zu.

Blind erwartete Hark seine Attacke. Er kannte das Ziel des Stichs. Bisher hatte sein Gegner immer auf den Unterleib gezielt. Seine einzige Hoffnung war, dass er seine Absichten er nicht geändert hatte. Ohne eine Gelegenheit zur Abwehr blieb ihm nur eine Möglichkeit. Er wich hastig zur Seite aus, das Kampfmesser drang tief in seinen Oberschenkel.

Anghis versuchte seine Waffe wieder herauszuziehen, mit nur einem Stich würde er seinen kräftigen Gegner nicht bezwingen. Dies musste Hark verhindern. Trotz seiner Blindheit schaffte er es, die Messerhand seines Erzfeindes zu fassen und sie eisern festzuhalten.

Sein Angreifer drehte die Klinge in der Wunde, so dass der Schmerz ihn fast wahnsinnig machte. Ihre Spitze kratzte über einen Knochen. Doch er wusste, falls es Anghis gelang, das Messer herauszuziehen, war er den folgenden Stichen hilflos ausgeliefert. Der keuchende Atem und die Position der Messerhand verrieten ihm die Stellung seines Erzfeindes.

Hark fehlte der Platz für einen entscheidenden Hieb, sein Bihänder jedoch hatte sich bereits als Stichwaffe bewährt. Er ahnte, wo sich der Brustkorb seines Gegners befand und stieß mit geschlossenen Augen zu. Die Spitze traf auf einen der auf der Haut aufgenieteten Metallplatten. Sie rutschte ab und geriet zum Glück in die Lücke zwischen zwei Platten. Der Hüne spürte das und legte das ganze Gewicht in seinen Stoß. Er kannte die Zeichen, die ihm seine Klinge erzählte. Der Stahl prallte an eine Rippe, zerbrach Knochen und durchbohrte einen Lungenflügel.

Beide Kämpfer erstarrten in dieser Pose. Anghis drehte weiter sein Kampfmesser in der Oberschenkelwunde, hoffte, dass der Schmerz den Widerstand seines Gegners brechen würde.

Hark hielt seinen Bihänder fest, versuchte die Qual in seinem Bein zu ignorieren und lauschte auf den Atem seines Erzfeindes. Das Keuchen klang von Mal zu Mal dumpfer, ein leichtes Röcheln setzte ein. Das waren die Zeichen, auf die er wartete.

Blut füllte die Lunge des grausamsten Mannes, der er je kennengelernt hatte. Der ihn in seiner Jugend folterte, missbrauchte und seine Gedanken mit Rachsucht und Wut quälten.

Die Augen geschlossen wartete er auf das Ende einer Flucht, den Tod des Dämons, der ihn seit vielen Jahren verfolgte, hoffte nur, dass er das tödliche Wettrennen gewann.
***

Die Spiegelscherbe zischte an der Magierkugel vorbei, die sich nicht einmal zu entmaterialisieren brauchte. Der Schwung reichte, um sie an der Mauer abprallen zu lassen. Einige Teile splitterten beim Aufprall ab, doch das größte Bruchstück flog weiter, genau in dem Winkel, den Renetat berechnet hatte.

Die Scherbe traf die Kugel von hinten und zerbarst mit hellem Klingen in tausend Einzelteile. Auch ein Stück der Magierkugel brach ab und die magische Waffe taumelte zu Boden. Der Schemen des Magiers, der sie geführt hatte, verschwand, während das einzige Objekt der Magie, das sich in dieser Welt befand, auf dem Steinboden der Ritualkammer herumrollte.

Renetat reagierte gedankenschnell, ergriff den Ball und warf sie in den Bannkreis des Pentagramms, in dem das Monster wütend wartete. Das Ungeheuer packte ihn und verschlang seine Beute augenblicklich.

Im gleichen Moment zitterten die Wände der Kammer, ein dumpfes Grollen drang aus der Tiefe. Steinstaub rieselte von oben herab, es knirschte, so dass der Abenteurer fürchtete, dass alles um sie herum bald einstürzte.

In den Augenwinkeln bemerkte er eine Bewegung, sein Freund Hark löste sich von seinem Gegner. Mühsam stemmte er sich hoch, eine heftig blutende Wunde am Oberschenkel behinderte ihn, die Augen hielt er geschlossen. Langsam zog er sein mächtiges Schwert aus Anghis Brust heraus. Sein Erzfeind aus Jugendtagen regte sich nicht mehr. Er rutschte ohne einen Laut und regungslos zur Seite, Blut strömte aus der Brustwunde. Kein Zweifel, auch dieser Herrscher der dunklen Stadt war vernichtet.

Die Frau, die sie hierher lockte, lag bewusstlos auf dem Boden. Nicht weit von einem kleinen Korb, leises Weinen klang daraus. Der Säugling darin schien wohlauf zu sein. Die Kaufmannstochter tat das, was sie ganze Zeit getan hatte. Sie stand zwischen den Pfosten, wimmerte und zerrte an ihren Fesseln.

Aber eine Person fehlte noch. Wo befand sich der Rattenkönig?

Der mächtigste Krieger des Magiers torkelte herum. Auf seinem Rücken klaffte eine gefährliche Wunde. In ihr steckte das Schwert, das sie geschlagen hatte. Renetat erkannte den Stahl wieder. Es handelte sich um die Klinge einer Stadtwache aus der Dunklen Stadt. Der Abenteurer überlegte, aus welchem Grund einer der Wachen den eigenen Anführer angegriffen hatte. Doch er erinnerte sich daran, dass Nead ihnen mit einer solchen Waffe hinter das Bluttor gefolgt war. Und dann sah er den regungslosen Straßenganoven auf dem Boden der Ritualkammer liegen.

Er wusste nicht wie, aber ihrem neuen Gefährten war es gelungen, diesen Riesen schwer zu verletzen. Selbst wenn er dafür einen hohen Preis bezahlen musste.

Sein Erzfeind Anghis lag tot auf dem Boden. Renetat sah die Unbekannte in der Nähe der gefesselten Kaufmannstochter und dem Babykorb liegen. Auch sie regte sich nicht mehr.

Er selbst waffenlos, seine Klingen verstreut, stand alleine dem Rattenkönig gegenüber, der ihn bereits angriffslustig fixierte. Sein Gegner hatte die Situation wie er analysiert und wusste, dass von allen Kämpfern sie beide übriggeblieben waren.

Renetats Fuß stieß gegen eine seiner schwarzen Wurfscheiben. Schnell nahm er Waffe in die Rechte. Jetzt besaß er wenigstens eine kleine Chance gegen den riesigen Kerl.

Der Rattenkönig schwang sein Schwert, die Stahlklinge so lang wie ein Mann. Bei jeder Bewegung konnte der Abenteurer ein dumpfes Brausen hören. Tief aus der Brust de Riesen grollten Verwünschungen voller Hass. Die Kammer zitterte und ein stetig wachsender Regen aus Kieseln und Steinstaub regnete auf die Gegner herab. Mit dem Ende des Magiers war auch das Schicksal der unterirdischen Stadt besiegelt. Wütend zertrat sein Favorit bei jedem Schritt das Glas der Spiegel, sein Blick galt nur Renetat. Er wusste, zwischen ihnen würde das letzte und entscheidende Duell stattfinden.

***

Harks Augenlicht kehrte nur langsam zurück. Er konnte bereits schemenhaft seine Umgebung erkennen. Und die riesige Gestalt erkannte er sofort. Das Geräusch der splitternden Scherben und die Flüche verrieten ihm mehr als er brauchte. Er befahl seinen Beinen weiterzugehen, auch wenn die Messerwunde immer neue Schmerzwellen durch seinen Körper schickte.

***

Harks Augenlicht kehrte nur langsam zurück. Er konnte bereits schemenhaft seine Umgebung erkennen. Und die riesige Gestalt erkannte er sofort. Das Geräusch der splitternden Scherben und die Flüche verrieten ihm mehr als er brauchte. Er befahl seinen Beinen weiterzugehen, auch wenn die Messerwunde immer neue Schmerzwellen durch seinen Körper schickte.

***

Nead versuchte zu atmen, die gebrochenen Rippen machten jeden Versuch zur Qual. Doch er wusste, er würde hier in diesem elenden Loch sterben, falls er es nicht schaffte. Der Straßenganove sehnte sich nach den Gerüchen der Gassen der Traumstadt, ihren Geräuschen und dem Lachen der Straßenmädchen.

Es gab nur einen Weg, das alles wiederzusehen. Er zwang sich, die Schmerzen zu ignorieren. Nur zwei Gedanken hatten noch Platz in seinem zerschundenen Kopf: Aufstehen und atmen. Aufstehen und atmen!

***

Ihrsein erwachte, als das Weinen ihres Babys an ihr Ohr drang. Der gebrochene Arm schmerzte, doch den anderen konnte sie wieder bewegen. Kleine Steine fielen von der Decke herab, der Boden unter ihr bewegte sich wie bei einem Erdbeben. Das Geräusch von zerbrechendem Glas näherte sich. Die verzweifelte Mutter sah hinauf und erkannte den Rattenkönig. Die Bedrohung für ihr Kind weckte ihre Lebensgeister.

***

Renetat überlegte, wie er das Duell angehen sollte. Diesem Riesen war er in allen Belangen unterlegen. Ein schneller Seitenblick verriet ihm, dass sein alter Kampfgefährte Hark sich neben ihn stellte. Hinkend stützte er sich auf seinen Bihänder und bereitete sich blutend auf die Auseinandersetzung vor.

Ein weiteres Geräusch auf der anderen Seite. Ein übel zerschlagener Nead ächzte bei jedem Schritt, er bückte sich, um eines der verlorenen Wurfmesser aufzuheben. Es brauchte viel Stöhnen und zwei Versuche, um sich anschließend wieder aufzurichten. Aber auch er funkelte wütend den Rattenkönig an.

***

Ihrsein taumelte und brachte sich zwischen ihrem Säugling und der herannahenden Bedrohung. Die Ritualkammer bebte, der Regen aus Stein und Staub wurde immer dichter. Sie kannte die Zeichen. Der Magier, der mit seinen Fähigkeiten die Dunkle Stadt am Leben erhielt, hatte sie verlassen. Tot, vernichtet oder all seiner Macht beraubt. Das Ergebnis blieb sich gleich. Ihr Untergang war unausweichlich.

***

Renetat bemerkte, dass sich auch seine Gefährten kampfbereit näherten. Selbst die Unbekannte, die sie bei ihrer Ankunft in der Dunklen Stadt gefangen nahm, stand auf und funkelte angriffslustig.

Doch keiner von ihnen wirkte wirklich gefährlich. Alle hatten erhebliche Verletzungen erlitten, drohten jeden Moment zusammenzubrechen. Ihre Bewaffnung schien eher erbärmlich.

Hark stellte sich neben ihn auf, richtete die Spitze seines Bihänders auf den Gegner. Daneben wankte Nead, einer der vermissten Wurfscheiben ungeschickt in der Hand. Jetzt berührte ihn die Unbekannte vorsichtig. Es war leicht zu erkennen, dass sie ihre Arme kaum bewegen konnte.

„Rettet meine Tochter“, flüsterte sie. „Die Tür hinter dem Mädchen am Pfosten führt nach oben. Die Stadt wird bald untergehen. Die Kuppel, die sie bisher schützte, zerbricht. Keiner wird überleben. Ich kenne den Weg hinaus.“

„Nimm sie. Und dann flieh. Wir geben Dir Deckung!“ Renetat ließ den Rattenkönig nicht aus den Augen.

Doch ein Blick auf ihre Arme verriet ihm, dass sie nicht in der Lage war, den Korb mit dem Säugling zu tragen. „Nead“, zischte er. „Hilf ihr! Hark und ich halten ihn auf!“

Der Straßenganove fluchte. „Ich lass euch nicht im Stich. Dieses Miststück wollte uns umbringen. Ich bleibe!“

„Denk an das Kind! Wir kommen schon klar“

Der innere Kampf war Nead deutlich anzusehen. „Aber ...!“

„Nimm den Korb und rette dieses Baby!“ Renetat funkelte ihn an und nahm gleichzeitig mit den Augen Abschied. „Irgendwann musste dieser Moment für Hark und mich kommen. Überlebe und flieh!“

Der Straßenganove zögerte noch, dann gab ihm der Hüne einen kleinen Stoß. „Beeil Dich. Dieses Kind verdient es nicht!“

Nead verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken, huschte zu dem Babykorb, hob ihm auf. Mit der scharfen Kante der Wurfscheibe zerschnitt er die Fesseln der Kaufmannstochter und folgte mit ihr der Unbekannten durch die Tür hinter den Pfosten.

Der Rattenkönig nahm keine Notiz von den Flüchtenden, fixierte die beiden Gefährten und kam langsam näher.

„Wie geht es Dir“, raunte Renetat seinem alten Freund zu. Er sah die frischen Wunden im Gesicht, hörte den keuchenden Atem und bemerkte, dass die Spitze des Bihänders zitterte.

„Seh nicht mehr viel. Hab Säure oder Gift eingeatmet. Die Schmerzen sind auszuhalten. Aber Tanzen ist nicht!“

„Sobald ich rufe, lauf los! Folge den Beiden. Ich habe eine Idee.“

„Ich lass Dich nicht allein!“

„Du brauchst den Vorsprung. Vertrau mir! Ich komme hinter her. Falls es nicht klappt, ist eh alles verloren!“

„Ich vertrau Dir. Wie immer. Wo treffen wir uns!“

„Im Kleinen Vogelkäfig. Oder an einem großen schwarzen Tisch in der anderen Welt!“

„Aber ich gebe die erste Runde.“

„Renn!“

Während Hark mühsam zum Ausgang humpelte, schätzte Renetat seine Chancen ein. Möglich, dass er sich verrechnete. Doch anderenfalls war sein Tod gewiss. Der Rattenkönig verfolgte den Hünen nicht. Er schien mit dem Abenteurer als nächsten Gegner einverstanden zu sein. Vielleicht hatte er ein Ass im Ärmel, und würde ihn verfolgen, nachdem er das Duell gewonnen hatte.

Denn dass Renetat den Zweikampf verlor, war sicher.

Kurz bevor sein Gegner seinen Angriff startete, warf er seine letzte Wurfscheibe.

Vorbei!

Sie prallte hinter seinem Ziel auf dem Boden und rutschte weiter, ...

... zerstörte auf ihrem Weg die Bannzeichen des Pentagramms.

Renetat warf nur einen kurzen Blick zurück. Der befreite Dämon kämpfte mit dem Rattenkönig, der die Gefahr in seinem Rücken bemerkte hatte. Wenn einer die Fähigkeiten besaß, gegen das Monster mehr als nur einen Wimpernschlag zu bestehen, dann dieser Riese.

Er verschaffte dem Abenteurer den nötigen Vorsprung. Hinter ihm brach die Dunkle Stadt in einem Chaos aus herabstürzenden Steinen und Trümmern zusammen. In dieser Katastrophe ging sogar der Kampf der beiden Giganten unter.

***

Der alte Moruk nahm einen letzten Schluck aus dem Wasserschlauch und gab ihn den Kameltreibern der Karawane zurück. Er ignorierte die fragenden Blicke und Rufe seiner Zuhörer.

„Was ist aus ihnen geworden?“

„Wurden sie gerettet?“

„Was geschah mit dem Baby?“

„Woher kennt ihr die Ereignisse?“

Moruk sammelte sich für einen Moment. „Niemand weiß etwas Genaues. Aber feststeht, dass Sansar, die Traumstadt existiert. Ich war da.

Und ich habe das riesige Loch gesehen, das nun dort gähnt, wo einst der alte Leuchtturm gestanden hat. In der Nacht hörte ich daraus das Stöhnen der vielen Toten, die in der Dunklen Stadt zu Tode gekommen sind. Und Lärm und Schwerterklirren, als ob zwei Riesen da unten kämpfen. Auch wenn einige sagen, dass es nur der Wind ist, den die steigende Flut nach oben drückt.“

„Und was ist mit Renetat und Hark?“

„Und Nead?“

„Ihrsein?“

„Genau. Und ihrem Kind?“

„Der Kaufmannstochter?“

„Die Tochter des reichsten Manns in Sansar hat einen Abenteurer geheiratet, der aus der Gosse kam. Ich habe sie selbst gesehen. Sie sind gut und helfen den Armen. Ihr ältestes Kind hat das Paar an Kindesstatt angenommen. So wird erzählt. Sie leben glücklich und scheinen zufrieden zu sein. Jeder in der Tramstadt schätzt sie und beneidet sie um ihr Glück.“

„Was ist mit den beiden Freunden. Renetat und Hark? Was weißt Du über sie?“

„Ich aß und trank im Kleinen Vogelkäfig. Das Bier dort ist nicht gepanscht und die Decke im Schankraum in dunklem Rauch gehüllt. Ein Veteran führt es. Ein Hüne voller Narben und halbblind.“

„Renetat? Was wurde aus Ihrsein?“

„Niemand hat je von ihnen gehört!“

Dann schloss der erschöpfte Moruk die Augen und schlief ein. Er hörte die Fragen seiner Zuhörer nicht mehr. Die lange Nacht raubte ihm die letzten Kräfte.

Am Morgen fanden sie ihn zur ihrer Bestürzung tot vor. Der Geschichtenerzähler hatte seine Geheimnisse mit ins Grab genommen. Voll Trauer begruben sie ihren Gefährten im Sand der Wüste. Jeder opferte einen kleinen Teil seines Eigentums, um für die Geschichte zu danken und legte sie zu ihm. Als sie, wie bei ihnen Sitte, seine wenigen Habseligkeiten unter sich aufteilten, stießen sie in einer verborgenen Tasche seines Gürtels auf eine schwarze Wurfscheibe. Alt, verbeult und mit zahlreichen Scharten.

Niemand wollte sie fortnehmen. Auch den Ehering, obwohl kostbar und ein Vermögen wert, ließen sie ihm.

Auf dem Weg nach Thenek sprachen sie noch lange über die Geschichte, die ihnen Moruk erzählte. Und viele schworen, irgendwann die Traumstadt mit dem Kleinen Vogelkäfig zu besuchen. Jenen Ort, an dem das Bier nicht gepanscht wird, und undurchdringlicher Rauch die Decke des Schankraums verhüllt.

***


Kommentare

  1. Ich muss zugeben, ich habe länger gezögert, dieses Kapitel zu lesen, als bei allen anderen Kapiteln zuvor...
    Natürlich brannte ich darauf zu erfahren, wie es weiter geht. Andererseits.. Finale ??
    Ich wollte dieses Buch nicht zu schnell schliessen. Zu gut war diese Geschichte, um sie einfach so mal eben auszulesen.
    Aber.. wie das so ist.. irgendwann greift man dann doch hin und beginnt zu lesen.
    Und ich bin keineswegs enttäuscht worden. Das Buch hält von Anfang bis Ende den Kopf gefangen und lässt ihn nicht los.
    Rasende Handlung, gepaart mit Wortwitz, Situationskomik und man konnte sogar ein, zwei Dinge lernen.
    Die Endkämpfe alá Peter H Brendt sind alle eine Erwähnung in der Liste der spannendsten Momente in der Literatur wert. Und jedesmal wenn man denkt, man könne es kaum steigern, kitzelt er am Ende noch ein wenig mehr raus, ohne eine Kopie einer vorherigen Schlacht daraus zu machen. Jeder Sieg ein Unikat.
    Ein Weilchen habe ich mich gefragt, warum es nur diese Geschichte um die Geschichte herum gibt.. die Karawane und den Geschichtenerzähler. Zuerst habe ich es als eine nette Rahmenhandlung angesehen, dann kam mir ein Verdacht (zu gut unterrichtet, der Mann) und nun, am Ende, wird der Rahmen ein Tel des Ganzen.. Unser Geschichtenerzähler ist.............
    nun.. ich denke mal Nead..
    schwarze Wurfscheibe, Ehering.. Man erinnere sich, Renetat hat seine letzte Scheibe geworfen, bevor es durch die Tür rannte. Es war Nead, der sich ächzend gebückt hat um sie aufzuheben und dann nicht werfen konnte, da er mit Ihrsein, ihrem Kind und mit der Kaufmannstochter fliehen sollte.
    Einigen wir uns auf Nead. (Herr Autor.. sollte ich komplett falsch liegen... sie wissen wo mein Haus wohnt)
    Da bleibt nur die Frage offen: Was geschah mit Renetat ?
    -Der Leser lässt die Hand über eine Schüssel mit trübem Wasser gleiten, woraufhin sich dunkler Nebel darüber erhebt..-
    Ich sehe.. ich sehe... nein.. ich sehe nicht wirklich was passiert ist, aber ich vermute ihn mal sehr stark in der Nähe des Freundes Hark. Oder, Herr Author, bekommt er ein Comeback ? Nein, eher nicht.. Ich werde in den nächsten Geschichten also Ausschau nach einer Nebenhandlung halten.. einen Erzverkaufenden Zwerg oder einen geschickten,schlanken Kämpfer, der sich gewitzt auf den Umgang mit Wurfwaffen versteht.. irgendsowas...

    Zu Allerletzt:
    Vielen lieben Dank für ein weiteres grandioses Buch aus der Reihe Eisen und Magie.
    Es war mir eine grosse Freude neue Bekannte kennenzulernen, sie zu begleiten und ihrem Sieg beizuwohnen.
    Dieses Buch steht auf meiner To-Buy-Liste...
    Vielen Dank

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