Weiter geht es in Thumberg!


Die Welt von "Eisen und Magie" sammelt neue Kräfte. Doch sie kommt zurück. Doch ganz in der Nähe gibt es eine mittelgroße, eher mittelmäßige Stadt namens "Thumberg." Treue Leser konnten hier bereits die erste Episode lesen.

Geplant ist, hier in loser Folge Kurzgeschichten aus "Thumberg" zu veröffentlichen. Den Anfang macht das erste Kapitel aus "Geschichten aus Thumberg: Die schlechtestes Diebin der Stadt".

Drei weitere werden folgen.

Also freut Euch drauf!

Viel Spaß!

@peterhilger unter Verwendung von Fotolia_72678222


Die Augen der Schlange glitzerten kalt. Sigrid zögerte, was ihrem Lehrer ein zorniges Schnaufen entlockte. Die Naht-Natter lag eingerollt um den Weinkelch und bewachte züngelnd das billige Stück, dass an einigen Stellen schon deutliche Kratzer und Dellen aufwies.

Langsam umkreiste das Mädchen die kleine Stele in der Mitte des Zimmers. Es befand sich oben im Mondturm, dem wohl ältesten und baufälligsten Turms von Thumberg. Jeden Morgen, wenn Mussads einzige Schülerin ihn betrat, wunderte sie sich, dass er über Nacht nicht zusammengestürzt war.

Ihr Lehrer bildete Silgid zur Diebin aus und heute stand ihr ihre erste Prüfung bevor. „Beeil dich! Die Aufgabe lautet: Bring deinem Meister den Morgenwein. Morgenwein. Hörst du. Nicht Mittag. Nicht Abend. Morgenwein!“

Die Schlange folgte mit ihrem Blick den Bewegungen der jungen Schülerin. Gähnend, fast gelangweilt entblößte die Natter zwei starke Giftzähne. Ihr Gift wirkte tödlich und der Tod erlöste ihr Opfer erst nach einer langen Leidenszeit voller Schmerzen.

„Schnelligkeit ist die Lösung. Dein Zugriff muss präzise und unumkehrbar diesen Kelch ergreifen und ihn im gleichen Augenblick wegziehen!“ Mussad wiederholte seine Anweisungen immer wieder. Als wenn Silgid zu dumm wäre, es zu begreifen. In den Übungsstunden probte sie es stundenlang, doch bisher konnte die Schülerin ihren Lehrer kein einziges Mal überzeugen. Sein verächtliches Knurren begleitete das Mädchen in ihre Träume. Umso überraschender seine Ankündigung, dass ihre erste Prüfung heute Morgen stattfinden sollte.

„Bestehst du, darfst du mich diese Nacht bei einem Diebeszug begleiten. Nur zum Eingang des Labyrinths und du wirst dort bis zu meiner Rückkehr warten.“ Er hielt ein Pergament hoch. „Es ist mir gelungen, diesen Plan für viel Geld erwerben.“ Traurig senkten sich seine Augenlider, einen Moment lang wirkte er verzweifelt. „Es waren die letzten Münzen. Gelingt mein Unternehmen, dann haben wir eine Weile ausgesorgt. Anderenfalls ...“. Er hob die Schultern.

Silgid kannte die Lage. Mussad, einst aussichtsreichster Kandidat auf die Führerschaft der Diebesgilde in Thumberg, fristete jetzt ein ärmliches Leben. Pashar, damals wie heute sein Gegenspieler in der Gilde, verhinderte mit all seinem Einfluss, dass er lohnende Aufträge erhielt. Zudem betrieb er im Verborgenen den Ausschluss seines Konkurrenten. Unter fadenscheinigen Gründen verweigerte er ihm sogar jeden Zutritt ins Gildenhaus. Ohne gute Kontakte lebte ihr Lehrer in diesem alten Turm. Manchmal glaubte sie zu bemerken, dass er Hunger litt.

Zurzeit bestand seine einzige Einnahmequelle in dem Schulgeld, dass ihr Vater für ihre Ausbildung bezahlte. Das war wenig genug, denn als einsamster Dieb der Stadt konnte er nicht viel verlangen. Daher freute Silgid der Gedanke auf einen Diebeszug. Endlich bekam Mussad die Chance, sein Können zu beweisen. Umso besser, dass er seine Schülerin mitnehmen wollte. Vorausgesetzt, sie schaffte es, dieser tückisch blinzelnden Schlange den Weinkelch zu entreißen.

Langsam hob sie ihre Hand und ihr Blick ließ die Giftschlange keinen Moment aus den Augen. Das Biest musste doch einmal unaufmerksam werden. Ein paar tiefe Atemzüge, um sich zu beruhigen und besser zu konzentrieren. Mit ihrem Willen versuchte Silgid, die Natter in Schlaf zu versenken. Der Erfolg schien auf ihrer Seite zu sein, denn die Lider schoben sich über das starre Schlangenauge. Der Schlangenkopf sank herab. Immer seltener erschien die gespaltene Zunge zwischen den geschuppten Schlangenlippen, bis das Züngeln ganz aufhörte.

Alles wies daraufhin, dass ihr Gegner in seiner Aufmerksamkeit nachgelassen hatte. Nur noch träge öffnete die Giftschlange gelegentlich eines ihrer Augenlider. Jetzt die tausendfach geübte schnelle Bewegung, und der Kelch befand sich in ihrem Besitz. Und dem Abenteuer heute Nacht stand nichts mehr im Wege.

In diesem Augenblick erfüllte erst ein langes Knattern das Zimmer, dann stank es bestialisch. Ausgerechnet nun musste Mussad eine seiner gefürchteten Blähungen entlassen. Der Dieb folgte seit kurzer Zeit der Glaubensrichtung der Venaner, einer Sekte, die in diesem Moment in Thumberg eine neue Blüte erlebte. Sie glaubten daran, dass der tägliche Verzehr einer Paste aus Than-Bohnen und fermentierten Ziegenkäse ihren Geist reinigte. Der Brei sollte zu diesem Zweck vier Tage in einem Topf gären. Ohne Deckel! Sonst wäre der Behälter explodiert.

Zu den Eigenschaft des „Lhab“, so nannten die Gläubigen das Gemisch, gehörte, dass es auch im Darm ihres Lehrers seine reinigende Wirkung nicht verlor. In der Folge überfielen ihn in regelmäßigen Abständen überfallartig Darmwinde. Bisweilen meinte Silgid, darin den Grund für seine Verbannung in dieses alte Gemäuer zu erkennen. Zumindest lieferte es einen guten Vorwand, ihn aus der Gemeinschaft der Diebesgilde auszuschließen.

Sie verdrängte den Gedanken an Mussads Bemühungen um spirituelle Säuberung. Die Augen der erwachten Giftschlange glitzerten kalt. Von dieser Seite war kein Erbarmen zu erwarten. Es handelte sich um ein Duell zwischen ihr und dem Reptil. Wobei sie den schlechtesten Teil erwischte. Ihr drohte der Gifttod, der Schlange schlimmstenfalls ein abgebrochener Zahn, der nach gegebener Zeit wieder nachwuchs.

Blitzschnell griff sie nach dem Kelch und fast noch schneller zog sie die Hand zurück.

Es gab keinen Schmerz. Nur zwei kleine rote Punkte zeichneten die Stelle, an der die Giftzähne eindrangen. Einen tiefen Atemzug lang bedauerte Silgid ihr Versagen. Den Aufprall auf den Boden der Kammer spürte sie schon nicht mehr.
*** 

Kommentare

  1. Thumberg...

    Wie schön, diesen Flecken wiederzusehen.
    Mit etwas Glück trifft man dort sogar die ganz Grossen aus Eisen und Magie.

    In diesem Falle eher was Kleines und scheinbar nicht langlebiges.
    Man sollte aber davon ausgehen, dass ein Lehrer, der ein solches Reptil in der Prüfung verwendet, auch eine gehörige Menge des Gegengiftes lagert.

    Silgid also ist dazu auserkoren, die schlechteste Diebin der Stadt zu sein.
    Sie ist zumindest tapfer, denn mancher hätte den Griff zum Kelch gar nicht erst gewagt.
    Wie das Duell Mädchen vs. Schlange ausgegangen wäre, ohne das "Knattern" des Lehrers bleibt dahingestellt. Es schien ja, als hätte Silgid die Situation für einen Moment im Griff gehabt.

    Die schlechteste Diebin der Stadt, also..
    Sie fände nicht Erwähnung in den Erzählungen Thumbergs, wenn sie nicht doch etwas Unerwartetes gleistet hätte.
    Ich bin also gespannt, was uns da erwartet..
    Der Einstand ist gelungen.. weniger für sie, aber wohl für das Interesse an der Geschichte..

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