Hurra! Ein neuer Western!

Es ist wieder einmal so weit! Ein neuer Western startet zum Wochenende auf diesem Blog. Wie gewohnt, regelmäßig und kostenlos! Freut Euch auf die erste Episode von "Jason Derringer: Thnderbird"!





1.

Das alte Holz ächzte leise unter seiner Last. Trotz des ramponierten Zustands trug es den toten Körper ohne Probleme. Pepper verfolgte den am Strick hängenden Leichnam neugierig, noch nie war er bei so etwas dabei gewesen. Eigentlich ging es ganz schnell. Ein Gebet des Bürgermeisters, das die Mitglieder der Gemeinde von aller Schuld am Tod dieses Mannes freisprach. Der Hinweis auf die gerechte Strafe für jeden Gesetzesbrecher, zwei kräftige Gehilfen packten den Gefesselten, ein kurzes „Ich bin unschuldig“, jemand trat die Holzbank beiseite, dann war es vorbei. Es sei denn, man fand Gefallen an den minutenlangen Zuckungen, die das Sterben begleiteten.

„Und dafür bin ich zwanzig Meilen geritten“, fasste es einer zusammen. Anschließend schloss er sich schnell dem Strom der Durstigen an, zumal der Richter und gleichzeitig Besitzer des gestohlenen Pferdes ankündigte, dass er aus Freude über diesen Akt der Gerechtigkeit, die erste Runde übernahm..

Pepper blieb, wo er war. Zu jung, um Whiskey zu trinken, niemand hätte ihn hereingelassen. Mit großen Augen beobachtete der Junge, wie der Wind sein Spiel mit dem Leichnam trieb. Der Anblick des Toten, wie er seltsam unbeteiligt am Galgen hing, faszinierte ihn.

Und noch gab er die Hoffnung auf einen kleinen Nebenverdienst nicht auf.

Der Wind frischte auf und verfing sich in dem Wollmantel, in dem man den Verurteilten aufgehängt hatte, wie in einem Segel. Morgen, so hieß es, würde man seine Sachen verkaufen, um die Beerdigung zu bezahlen. Pepper überlegte, wie viel der Mantel wohl kostete. Ob das Geld, das er in einer Blechbüchse hinter dem Stall vergraben hatte, reichte?

Die Stärke der Brise besaß jetzt ausreichend Kraft, dass sie den Körper des Mannes leicht hin und her schaukelte. Da der Platz in Redwood City für einen anständigen Hinrichtungsplatz nicht ausreichte, baute der Sheriff den Galgen direkt neben seinem Büro auf. In einer kleinen Gasse zwischen dem Office und dem Saloon. Gerade mal genug Raum für ein windschiefes Podest und einen morschen Balken darüber.

Ab und an schaffte es der Wind, die Stiefel des Aufgehängten so weit schwingen zu lassen, dass eine Sohle sanft gegen eines der schäbigen Holzhäuser stieß. Am Anfang reichte das leise Geräusch aus, die Gäste von der Theke herauszulocken. Mit dem Glas in der Hand scherzten sie und prosteten der Leiche zu.

„Meinst Du, er klopft an, weil er mittrinken will“, klang es aus der Gruppe. „Vielleicht ist es sein schlechtes Gewissen.“ „Verdammter Pferdedieb.“ „Spielte ne gute Mundharmonika.“ „Hat ihm auch nichts genutzt.“

Bald vertrieb der einsetzende Regen die Zecher zurück in den Saloon und der einsame Leichnam hing unbeachtet am Strick. Nur Pepper beobachtete fasziniert das Spiel, das der Wind mit dem Toten trieb. Er selbst fühlte nur so etwas wie Dankbarkeit. Die Hinrichtung spülte eine Menge Fremde nach Redwood City. Und Fremde bedeuteten Einnahmen, sogar für ihn. Wenn auch nicht allzu viel.

Er überlegte, wie lange der Sheriff die Leiche wohl hängenließ. Die ersten Neugierigen hatten die Stadt bereits verlassen. Die Vorstellung war vorbei, zu Hause auf den Farmen warteten Pflichten.

Pepper bekam mit, wie ein Teil der Geschäftsleute es dem Gesetzeshüter übelnahm, dass er die Hinrichtung auf den heutigen Abend vorzog. Sie warfen ihm vor, dass ihr Geschäft darunter litt. Andererseits gab der plötzlich einsetzende Regen ihm Recht. Die paar Tropfen bisher waren nur die Vorboten eines heftigen Sturms, der bis morgen Mittag anhalten sollte. Niemand reiste bei so einem Wetter, nur um einen Pferdedieb hängen zu sehen.

Pepper blähte die Nasenflügel und zog den Duft des herannahenden Unwetters ein. Es verstärkte die Gerüche, die den Jungen umgaben. Eine Mischung aus Stroh, Heu und Pferden. An diesem Abend kamen die Ausdünstungen des nassen Schlamms dazu, der den Hauptbestandteil der Straßen von Redwood-City bildete. Im Sommer formten ihn Hitze und Wind in einen klebrigen Staub, der in Nase und Ohren drang. Die Stadt verwandelte sich dann in einen Hort vermummter und fluchender Männer. Manch einer schwor, diesmal der Staubhölle endgültig den Rücken zu kehren.

Doch sie blieben, denn die Silbermine brachte einen Haufen Dollar. Für die, die darin nach Silber suchten und diejenigen, die den Minenarbeitern in den Saloons, den hart erarbeiteten Lohn abnahmen. Ja, es gab eine Menge Geld in der Stadt und keiner verließ einen Ort, solange er einen ernährte.

Peppers Anteil an den Reichtümern von Redwood-City bestand in den Trinkgeldern, die die Leute ihm zuwarfen. Dafür versorgte er ihre Pferde in Manners Mietstall mit dem gebührenden Respekt. Der Besitzer ließ ihn hier schlafen, denn er wusste, er konnte sich auf den elternlosen Jungen verlassen. Die Tiere mochten ihn und seine Anwesenheit in der Nacht wirkte beruhigend.

Doch der Waisenjunge besaß noch eine weitere Einnahmequelle. Und deshalb lag er unter den Holzplanken, die den Bürgersteig in Redwwod-City bildeten und starrte in die Dämmerung. Bald war die beste Zeit für seinen Nebenjob vorbei, denn Reisende kamen nur selten nach Einbruch der Dunkelheit in die Stadt. Und es gab andere Jungs, die auf Neuankömmlinge lauerten.


Im gleichen Moment, in dem ein starker Regenguss einsetzte, schälte sich aus dem Dunkeln die Gestalt eines Reiters. Die Schritte seines Pferdes verschluckte der Schlamm, aber die Laterne vor der Praxis des Doktors, der das erste Haus direkt an der nördlichen Straße bewohnte, gab genug Licht, um den Neuankömmling zu erkennen.

Der Fremde saß auf einem Schecken, der müde die Hufe aus dem Morast zog. Das kluge Tier roch die Artgenossen im Mietstall. Die Anwesenheit anderer Pferde und die Gerüche aus dem Stall verrieten ihm, dass der lange Ritt wohl vorbei war.

Es drehte den Kopf dahin, wo seiner Erfahrung nach, ein ruhiges Nachtlager auf ihn wartete. Noch zögerte der Schecke einen kurzen Moment, da er auf die Signale des Reiters warte. Als der nicht reagierte, lenkte er die Schritte in Richtung Tor und blieb prustend vor dem Gatter stehen.

Das war das Zeichen für Pepper.

Blitzschnell kam er aus dem Versteck, von wo er den Neuankömmling beobachtete. Er konnte sein Glück kaum noch fassen. Ein fremder Reiter um diese Nachtzeit. Mit einer Einnahmequelle hatte er nicht wirklich gerechnet.

„´halben Dollar macht das“, meinte er. „Dafür kriegt ihr Gaul einen schönen warmen Platz. 20 Cent, dann striegle ich ihn und sorge für einen kleinen Happen.“

Erst jetzt öffnete der Fremde die Augen. Pepper erinnerte sich nicht, jemand so müde gesehen zu haben. Nun galt es, am Ball zu bleiben, bevor der Mann wieder wegsackte.

„Und wenn ´se auch was Warmes brauchen. Dafür ist in Redwood City gesorgt. Ganz gleich, was Sie darunter verstehen.“

Ächzend stieg der Reiter ab. Im Licht der Stalllaterne erkannte Pepper, dass das Pferd, so müde es nach dem langen Ritt aussah, sich in ausgezeichneter Verfassung befand. Auch Sattel und Lederzeug wirkten gepflegt. Ärgerlich überlegte er, dass er besser mehr als einen halben Dollar verlangt hätte.

„Hier ist ein Dollar. Der Rest gehört Dir. Gib Dir Mühe, Junge. Das Tier braucht ein bisschen Pflege.“

Geschickt fing Pepper die Münze auf. „Geht klar, Mister. Da drüben ist der Saloon. Er ist der Nächste. Und wenn Sie dem Wirt sagen, dass Pepper sie schickt, bekommt ihr Gaul eine Extraportion. Gibt was zu Essen und zu Trinken da. Auch ein Bett. Leer oder gefüllt. Ist alles da!“

Er nahm das Pferd am Zügel und führte es in eine freie Box. Der Fremde schaute ihm nach und vergewisserte sich, dass das Reittier gut untergebracht war. „Ich lass das Lederzeug und das Gewehr hier. Pass gut darauf auf. Soll Dein Schaden nicht sein.“

Erst jetzt fiel Pepper auf, dass der Mann keinen Revolvergurt trug. Ungewöhnlich, aber am Sattel hing eine gepflegte Winchester. Ohne eine Waffe lief man in dieser Gegend schnell Gefahr, sich Ärger einzuhandeln.

„Geht klar, Fremder!“

„Wo sagtest Du, ist der Saloon?“

„Schräg gegenüber. Nicht zu verfehlen. Gleich neben dem aufgehängten Pferdedieb.“

Plötzlich fühlte Pepper eine schwielige Hand, die ihn an der Schulter zurückriss.

„Aufgehängt. Er sollte doch erst morgen hingerichtet werden.“

Diesmal machte das Gesicht des Fremden dem Jungen Angst. „Wegen dem Regen. Deshalb hat der Sheriff es schon heute gemacht.“

Pepper versuchte, in der Miene des Mannes zu lesen. Allein, um zu wissen, ob er damit rechnen musste, dass ihm Prügel drohte. Die Mimik des Reiters hatte sich geändert. Von Müdigkeit war da keine Spur mehr. Nur Entsetzen. Blankes Entsetzen.

***







Kommentare

  1. Einmal nicht aufgepasst... Kapitel verpasst...

    Eigentlich kann man einen Western nicht besser anfangen..
    Obwohl da gerade ein Pferdedieb gehängt worden ist. kommt die Beschreibung der Stadt, der Situation, des Leichenumtrunks doch recht beschaulich daher.
    Man wird mit Pepper bekannt gemacht, einem Waisenjungen, der sich auf die Pflege der Pferde festgelegt hat und von Trinkgeldern lebt..
    Aus seiner Sicht erfährt man das allerlei, der Stadt.
    Diese Beschaulichkeit ändert sich auch erst im letzten Satz des Kapitels.
    Der fremde Reiter auf seinem müden Pferd, der für Pepper eine letzte Tageseinnahme bringt, trägt blankes Entsetzen auf seinem Geischt, als er vom vorzeitigen Hängen des Pferdediebs erfährt.
    Wie durchschaubar wäre es, würde man Hass oder Rachegelüste im Gesicht sehen..
    Dann könnte man fast schon ableiten, was da noch kommen wird.
    Aber Entsetzen - das lässt Spielraum für Spekulationen..
    Wer ist der Fremde? Warum ist er so aus der Fassung ?
    In welchem Verhältnis mag er zum Pferdedieb stehen ?

    Normalerweise würde ich darauf verweisen, dass es wieder "Abwarten" heist..
    Nun les ich aber einfach im nächsten Kapitel weiter :-)

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