Neue Feinde und Verbündete in Thumberg.

Zum Wochenanfang findet der geneigte Leser das gewohnte Fantasy-Abenteuer aus Thumberg. Diesmal ein weiteres kostenloses Kapitel aus "Thumberg: Der alte Gladiator". Die Befreiung von Dundra, der Tochter des Henkers, löst eine Menge Aufregung im Gefängnis aus. Die Folgen werden unsere Helden bald zu spüren bekommen.

Während Pan den Tatort untersucht, versucht Master Leym die befreite Dundra in ein sicheres Versteck zu bringen. Es könnte damit enden, dass unser Held heiraten muss ...

Viel Spaß mit dem neusten Kapitel aus "Thumberg: Der alte Gladiator"!

Das letzte Kapitel verpasst? Ihr findet es hier.



Hauptmann Geldenbück lehnte sich auf den Stuhl zurück.

Nicht zu weit, denn das Ding knarrte bedenklich. Vermutlich strapazierte der Besitzer des Wachraums, der jetzt zerknirscht neben ihm stand, diese Sitzgelegenheit, anstatt das Tagewerk der Untergebenen und die Zustände im Gefängnis zu kontrollieren. Bisher hielt er es für eine gute Idee, die grobe Arbeit dem Wachhabenden zu überlassen. Es gehörte auf keinen Fall zu den Aufgabe eines Offiziers und Mitglied des (wenn auch) niedrigen Adels, im Dreck der Zellen herumzustochern. Den Umgang mit Gefangenen und Gefängniswachen, im Niveau nur knapp über dem ihrer Kunden, wie er überall verkündete, delegierte er deshalb an die Unteroffiziere.

Jede Schicht besaß einen Sergeanten, die sich gegenseitig vertraten. Bisher hatte alles in seinem Sinne funktioniert. Allerdings brachten die letzten Wochen mehr und mehr Probleme. Unabhängig voneinander verschwanden zwei Gefangene. Erst dieser Master Leym, der zwar in Freiheit wieder auftauchte, und dort von hoher Hand geschützt, für einigen Ärger sorgte.

Und jetzt war eine Mörderin aus dem Gefängnis befreit worden. Und außer dem Nasenbluten dieses neuen Wachsoldaten schien kein Blut dabei geflossen zu sein. Vielleicht sollte er die Türen durch duftige Vorhänge ersetzen lassen.

Doch dass die Zustände, so skandalös waren, machte ihn sprachlos.

Vor ihm standen drei halbnackte Wachen. Hosen und Waffen sollten den Idioten irgendwie abhandengekommen sein. Einem war offensichtlich die Nase gebrochen worden. So gemein wie der Kerl aussah, traf es wohl keinen Falschen. Der Vierte drückte sich komplett nackt in einer Ecke der Wachstube herum. Ein zartes Jüngelchen. Wie kam der hier unter die Wachsoldaten?

Erst einmal wollte mit dem Wachhabenden reinen Tisch machen. Dazu konnte er das gemeine Fußvolk nicht gebrauchen.

„Wo sind Eure Hosen? Die Waffen“, blaffte er.

„Master Leym zwang uns, sie in das Kotloch zu werfen.“ Drei-Finger-Sam ballte vor Wut die Fäuste. „Jede Zelle hat so ein Loch, damit die Gefangenen dort reinsch ...“

„Haltet Ihr mich für einen Idioten! Ich weiß, was das ist. Und Ihr sollt dieses spezielle Loch genauestens kennenlernen. Holt die Uniform und Klingen da raus. Es ist mir egal, wie Ihr es macht. Die Stadt Thumberg hat sie bezahlt. Und ihr werdet sie daraus holen. Säubern und eurem Vorgesetzten vorlegen. Eher dürft Ihr die Zelle nicht mehr verlassen.“

Zufrieden beobachtete der Hauptmann, welchen Eindruck die Ankündigung bei den Wachen hervorrief. Ihre Blicke sanken abwechselnd zu Boden oder suchten Hilfe bei dem Wachhabenden. Doch der war viel zu klug, um sich für seine Leute einzusetzen.

Stattdessen hob der neue Soldat eine Hand. Geldenbrück sah, dass er nur drei Finger besaß. „Müssen wir so ... Ich meine ohne Hosen?“

„Raus! Bevor ich die Geduld verliere!“

Die halb nackten Wachen versuchten erst gar nicht, einen ordentlichen Abgang hinzulegen, wie es die Disziplin verlangte. Salutieren und Strammstehen sah ohne Hosen eher albern aus.

Auch der nackte Jüngling machte Anstalten zu folgen. Doch Hauptmann Geldenbrücks Frage zwang ihn, zurückzukehren. „Liegt eure Uniform ebenfalls im Kotloch?“

„Nein, aber ... Master Leym ... er drohte mir ... ich sollte sie ausziehen.“

„Dass Kerle seine Favoriten sind, weiß jeder hier. War dafür denn Zeit?“

Das Gesicht des Jüngelchens leuchtete plötzlich so rot wie die Lampen eines Bordells. „Um Gotteswillen ... Er gab sie der Gefangenen. Sie war doch splitternackt.“

Der Hauptmann blickte den Wachhabenden an. Die Gefangene nackt. Die Wachen ohne Hosen. Eindeutig, was da geplant war.

„Raus!“

„Ohne Kleider“, kam es kleinlaut zurück.

„Lauft nach Hause und besorgt zivile Sachen. Dann meldet Euch hier. Vielleicht habe ich einen Auftrag. So erhaltet Ihr die Gelegenheit, Euren Bockmist wieder gut zu machen.“

„Aber nackt ...“

„Ich denke, Ihr wisst, welche Gegend Ihr meiden müsst. Mein Rat: Lauft, so schnell es geht, haltet Euch nicht auf und dann erscheint Ihr hier. Angezogen!“

„Aber ...“

Der Hauptmann stand so plötzlich auf, dass der Stuhl polternd nach hinten kippte. Das reichte der Wache. So schnell sie konnte, verließ sie die Wache.

***

Pan inspizierte das Zimmer, in dem der Kaufmann ermordet wurde. Jetzt stellte er fest, dass die Bemerkung des Besitzers, dass einzelne Teile des Opfers zurückgeblieben waren, stimmte.

Blut und Fetzen menschlichen Fleischs klebten an der Decke, an den Wänden und dem Fußboden. Dieses Gastzimmer dürfte für eine Weile unbewohnbar sein. Die Säuberung ließ sich nicht in ein, bis zwei Tagen erledigen. Es sah aus, wie in einem Schlachthaus.

Nur eine Stelle schien ihm wenig von dem Gemetzel abbekommen zu haben. Das „Atton“ verfügte im besten Zimmer des Hauses über Glasfenster. Der Raum lag hoch genug von der Straße entfernt, so dass kaum Gefahr bestand, dass es betrunkene Passanten aus Übermut einwarfen. Jetzt standen sie offen, vermutlich auch, um den Gestank nach Blut und Mord herauszulassen.

Als Pan sie untersuchte, bemerkte er auf dem Glas nur wenige Spuren der Mordtat. Daraus schloss er, dass das Fenster zum Zeitpunkt der Ermordung nicht geschlossen war.

Das Zimmer lag hoch, fast unter dem Dach. So konnte der Besitzer des Gasthauses sorgen, dass seine gutzahlenden Gäste von dem Lärm der Straße unbehelligt blieben. Aber wie war der Mörder hineingekommen?

Pan untersuchte das Fenster, doch nirgends fand er Spuren eines gewaltsamen Eindringens. Dieser Weg schied aus. Das Gastzimmer lag zudem zu hoch und die Mauer bot kaum Möglichkeiten, hochzuklettern.

Das Türschloss schien unbeschädigt zu sein. Aber Mochtgehrn räumte ein, von solchen Dingen keine Ahnung zu haben. Vielleicht jemand mit einem Nachschlüssel? Er musste den Besitzer unbedingt befragen, ob schon einmal ein Zimmerschlüssel abhandengekommen war. Stand die Tür offen, als das Zimmermädchen morgens hineinkam? Eine Frage, die Dundra beantworten konnte.

***

Hinter dem Schwert betrachteten zwei Augen Master Leym und Dundra ohne jedes Gefühl. Dieses Augenpaar kannte den Tod und besaß keine Skrupel ihn zu holen.

„Was macht Ihr an meiner Wohnungstür? Ich empfange niemals Gäste.“

„Ihr ... ihr wohnt hier? Dann seid Ihr der Henker!“

„Um meine Wohnung liegt ein Bann. So wurde mir vom Rat der Stadt Thumberg versichert. Niemand darf sich ihr auf zehn Schritt nähern.“

„Ich verstehe nicht.“ Davon hatte Master Leym niemand erzählt. Aber jetzt, wo er darüber nachdachte, erinnerte er sich dunkel ein entsprechendes Memo gelesen zu haben. Ihm fiel auch der Grund dafür ein.

„Doch ...halt! Es fällt mir wieder ein. Da war was. Es soll verhindern, dass sich jemand an Euch rächt, dessen Freund oder Verwandten Ihr hingerichtet habt.“

„Und! Antworte! Wen hast Du durch dieses Schwert verloren.“

„Niemand. Ich bin aus einem anderen Grund hier. Ich meine wie beide!“

„Ich trete keiner Sekte oder Religion bei. Du verschwendest Deine Zeit.“

Das Augenpaar am anderen Ende des Schwerts schaffte es, noch etwas bedrohlicher auszusehen. Kein Zweifel, sie standen vor der gesuchten Person. Dundras Vater.

„Bismag schickt uns.“ Master Leym fiel rechtzeitig ein, das das befreite Mädchen gar nicht wusste, wer ihr Vater war. Deshalb musste er es vorsichtig formulieren.

„Wir haben dieses Mädchen, eine angebliche Mörderin aus dem Gefängnis geholt. Um ihre Unschuld zu beweisen.“

„Wir?“

„Master Leym ist mein Name. Städtischer Beamter. Mein voller Titel lautet ...“

„Ich habe von Euch gehört. Erspart ihn mir. Ihr sagtet „Wir“!“

„Zusammen mit Pan Mochtgehrn. Wir suchen einen Platz, um dieses Mädchen sicher zu verwahren, bis wir ihre Unschuld bewiesen haben. Ich dachte ...“

Der Henker betrachtete Dundra genau. „Zieh Deinen Helm aus. Im Augenblick bist Du nur ein recht schmächtiger Soldat in einer Uniform, die Dir zwei Nummern zu groß ist. Ich will das Gesicht sehen.“

Master Leym nickte dem Mädchen zu, die die Forderung ihres Vaters sofort erfüllte. Ohne sein Schwert zu senken, beobachtete er sorgfältig, wie sie den Lederhelm abnahm und ihn neugierig anschaute.

Danach entspannte sich der Henker sichtlich, er ließ sogar die Waffe sinken. „Geht hinein. Macht schnell. Die Tür ist offen!“

Master Leym führte Dundra in ein überraschend gemütlich eingerichtetes Zimmer. Geschmackvolle Möbel, die er auch in seine Wohnung gestellt hätte, schmückten es. Selbst einen Teppich gab es. Kein besonders prachtvolles Stück, doch es bewies Geschmack und den Sinn für Proportionen und Farben.

Die Behausung eines Scharfrichters hatte er sich anders vorgestellt.

„Ihr habt sie befreit“, stellte der Henker sachlich fest. „Ich denke nicht, dass unser gemeinsamer Freund mit dem großen B am Anfang seines Namens sie entlassen hat.“

„Richtig. Ich erzähle Euch gleich mehr.“ Er wies auf einen Vorhang, der mit blauen Delfinen verziert war. „Befindet sich dahinter das Bad?“

„Gut kombiniert“, lautete die Antwort.

„Ich halte es für eine gute Idee, wenn die junge Dame es nutzt, um den Dreck aus dem Gefängnis loszuwerden. Wir beide können in der Zwischenzeit beraten, wie es weitergeht.“

Der Henker nickte und öffnete den Vorhang, hinter dem sich wirklich das Bad befand. Zu Master Leyms Überraschung stand dort sogar ein großer Bottich aus Holz. Er bot ausreichend Platz für einen Erwachsenen. Durch die Decke führte ein Rohr zur Wanne, aus dem langsam Wasser tropfte.

Der Scharfrichter bemerkte seinen verwunderten Blick. „Auf dem Dach gibt es ein großes Gefäß mit Regenwasser. Von dort aus läuft es direkt in die Badewanne. Ich brauche kein Badewasser zu schleppen.“

„Und im Winter“, fragte Master Leym. „Bade ich deutlich weniger“, lautete die Antwort. „Aber der Vorratsbehälter ist gut gefüllt. Und es war warm die letzten Tage. Mein Gast kann sich hier waschen, während wir unser Vorgehen besprechen.“

Der Henker führte Dundra hinein, erklärte ihr die Technik und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Dann schloss er den Vorhang, bot Master Leym einen Stuhl an und fixierte ihn mit kalten Augen: „Hat Ihr jemand im Gefängnis etwas angetan?“

„Wir kamen rechtzeitig. Ein paar Striemen, um ihren Willen zu brechen. Aber Pan Mochtgehrn und ich fanden sie m letzten Augenblick.“

„Ihr habt sie nackt gesehen?“ Die Frage begleitete ein unheilvolles Grollen, wie aus der Kehle eines wütenden Wolfs.

„Äh ja, aber ...“

„Dann müsst Ihr sie heiraten!“

***






Kommentare

  1. Was für ein unschöner Gedanke. Master Leym mit seiner offenkundig vollig anders gearteten Vorliebe von Menschen soll nun heiraten, da er die Tochter des Henkers nackt sah.
    Nun, auch Pan hatte sie nackt gesehen. Zwei Männer kann sie nicht heiraten. Vieleicht ist das ja ein Schlupfloch, für den armen Kerl.
    Was den Führer der Klinge angeht, bin ich froh, mich im ersten Moment geirrt zu haben. Nicht der Münzschneider, nein, der Henker - der Vater bedrohte das flüchtende Paar, insofern endete die Konfrontation glimpflich.
    Ein Bannkreis von 10 Metern um das Haus des Henkers...
    Ich weiss, dass der Autor gerne recherchiert und Wahrheiten mit in die Geschichten knüpft. Es brennt mir unter den Nägeln herauszufinden, ob das eine tätsächlich gängige Methode war - früher, zu Henker's Zeiten.

    Pan schaut sich im Zimmer um, wäht Möglichkeiten ab, Eventualitäten.
    Wie in modernen Serien, geht er dabei methodich vor, untersucht Spuren, stellt fest wo sie fehlen und macht sich seinen Reim darauf.
    Das Fenster war offen, andere Einbruchsspuren gibt es nicht. Gibt es Nachschlüssel ? Gibt es einen anderen Weg ins Zimmer ?
    Das Zimmer liegt weit entfernt von der Strasse, aber nahe unter dem Dach.
    Kam der Mörder vieleicht von oben ? Führte sein Weg über das Dach, von dem aus er sich abseilte, um in das Zimmer zu gelangen ?
    In Thumberg gibt es ja durchaus einen mehr oder weniger intensiven Verkehr auf den Dächern, wenn man sich an die Gilde der Diebe erinnert. Sollte jemand von ihnen ins Metier "Mord" gewechselt haben ?
    Im Moment wirft der Mordfall mehr Fragen auf, als er Lösungen anbietet.
    Es liegt ein hartes Stück Arbeit vor unserem Herrn Mochtgern.
    Ich bin gespannt, wie es weitergeht..

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