Das zweite Kapitel von "Eisen und Magie: Im Sumpf von Lorden" als Sonntagslektüre.

Nach einem kurzen Einstieg in die Welt um Ralph von Mosel lernen wir heute seine Begleiter näher kennen. Und welche Aufgabe vor ihnen liegt.

Doch es scheint, als ob  Ralph für diese Aufgabe noch nicht reif genug sei ...

Viel Spaß mit dem zweiten Kapitel von "Eisen und Magie: Im Sumpf von Lorden"!

Das erste Kapitel verpasst? Ihr findet es hier.


Eisen und Magie:

Im Sumpf
von Lorden


von Peter H. Brendt




Sein Pferd blieb plötzlich stehen und und der Ruck riss Ralph aus den düsteren Gedanken. Er schreckte hoch und stellte fest, dass ihr Anführer eine Offizierin, die ihren Weg auf unbekannte Weise ins Heer des Generals führte, angehalten hatte. Sie sah ihn mit kritischem Blick an.

Der junge Mann schaute in ihr Gesicht. Unzählige Linien, ein Netz aus dünnen blutroten Narben durchzog es. Er wüsste gerne, welches Erlebnis sie so zeichnete. Was für eine Waffe hinterließ solche Spuren? Hauptmann Steifurth hielt große Stücke auf Saltha und hatte beim Aufbruch des überhastet zusammengestellten Trupps, unmissverständlich klar gemacht, dass man ihr zu gehorchen habe. «Das gilt für euch zwei Grünschnäbel, selbst wenn ihr meint, euer frisch erworbener Rang als Ritter erlaube es, ihre Anweisungen in Frage zu stellen!»

«Ab jetzt kein Wort mehr», zischte sie. «Der Feind hat vielleicht eigene Kundschafter losgeschickt, um den Sumpf zu untersuchen. Später steigen wir ab und führen unsere Pferde. Es gibt hier tückische Löcher. Unsere Rösser sind zu kostbar, um zu riskieren, dass sie sich die Beine brechen!» Dann drückte sie ihrem Reittier die Fersen in die Flanken und lenkte es weiter.

Ralph wollte der Offizierin folgen, aber der dritte Teilnehmer des kleinen Spähtrupps hielt ihn am Arm fest. Gerwin von Gaya besaß ebenfalls erst seit kurzem die Ritterwürde. Das edle Ross, auf dem er saß und die stählerne Rüstung mit zahlreichen winzigen Verzierungen aus silbernen Löwenköpfen bewiesen, dass er aus reicherem Verhältnissen kam. Dazu passte das gewaltige Schwert, dass er am kostbaren Sattel trug.

«Ab jetzt kein Wort mehr!» Er ahmte den Tonfall Salthas leise nach. «Später steigen wir ab und führen unsere Pferde.» Seine hochgezogenen Augenbrauen deuteten an, was er von der Anweisung ihrer Anführerin hielt. «Mann, ist die hässlich. Und der Arsch des Gauls, auf dem sie sitzt, ist kleine als ihrer. In meiner Burg gibt es hübschere Putzfrauen.»

Er machte hinter dem Rücken der Offizierin eine obszöne Geste in ihrer Richtung. «Pennt wahrscheinlich mit Hauptmann Steifurth. Kein Wunder, ist ja die einzige Frau im Lager. Diese Herrschaften suchen immer was Warmes für die Nacht. Und nachts sind alle Katzen grau!» Mit einem geringschätzigen Grinsen trieb er sein Pferd an und folgte ihr.

Ralph erwiderte nichts.

Auch er wunderte sich, dass jemand von so offensichtlich niedriger Herkunft einen solchen Rang im Heer des Generals besaß. Vermutlich gehörte sie zu dem Bodensatz an Soldaten, die Perth zusammenkratzte, um die mageren Truppen aufzufüllen. Es gab keine Hinweise auf einen Titel oder einer Familie, von der sie abstammte. Selbst der Hauptmann nannte sie nur «Saltha». Nie erwähnte er einen Dienstrang, niemand beschrieb ihre Funktion in dem zusammengewürfelten Haufen, der morgen einen überlegenen Gegner aufhalten sollte.

Aufmerksam musterte er sie von der Position als letzter in der Reihe und versuchte an ihrer Kleidung einen Hinweis auf ihre Familiengeschichte zu finden. Dabei tat er grinsend alles, um sich nicht von Gerwins Vergleich  mit ihrem Pferd ablenken zu lassen. Hoffentlich war sie bei seiner Bemerkung schon außer Hörweite gewesen.

Ihre Rüstung bestand aus einer von Kämpfen und hartem Dienst gezeichneten Lederrüstung eines Wachsoldaten, die normalerweise Tore und Städte bewachten. Ihre Bewaffnung, eine schwere Axt, trug sie auf dem Rücken in einer Schlinge. Im Gegensatz zu den beiden jungen Rittern bildeten sie und ihr Pferd eine wohltrainierte Einheit, als sie den kleinen Trupp durch den tückischen Sumpf führte.

«Kein Wunder», dachte er. «Bei der Auflagefläche fällt das Zusammenspiel mit einem Gaul leicht!» Dann ballte er missmutig die Faust. Jetzt hatte er sich Gerwins Bemerkung doch ablenken lassen.

Nach kurzer zeit gab Saltha erneut das Zeichen zum Anhalten. «Runter von den Pferden. Seid leise und haltet Augen und Ohren offen.»

Ralph stieg ab und bemerkte sofort, wie der tückische Sumpf an seinen Stiefel zog und zerrte, sobald er versuchte, weiter zu gehen. Jetzt fühlte er Dankbarkeit, dass er nicht mit dem schweren Kettenhemd unterwegs war, sondern einen Schuppenpanzer trug. Ein altes, beinahe antikes Stück, dass der Rüstmeister aus irgendeiner Ecke der Rüstkammer zog. Dunkel lackierte Bronzeschuppen auf einem zähen, fast ausgetrocknetem Leder, das bei jeder Bewegung knirschte.

Ein Teil der Schuppen aus Bronze fehlten. In der Nacht vor seinem Aufbruch tauschte der junge Ritter zusammen mit dem Schmied gute erhaltene Segmente aus dem Rücken der Rüstung aus und brachte sie auf der Brust an. So bot sie wenigstens bei einem Angriff von vorne etwas Schutz. Damit niemand das Fehlen auffiel, ersetzten sie sie heimlich auf der Rückseite mit bemalten Holzschuppen.

Mit dem schweren Kettenhemd, wie es sein Bruder trug, wäre der Marsch im Sumpf, dessen Wasser an manchen Stellen bis zum Knie reichte, wesentlich mühsamer gewesen. Von Gaya, der vor ihm ging, schnaufte nach kurzer Zeit. Die prachtvolle Stahlrüstung behinderte Gerwein bei jedem Schritt. Bald hielt er den kleinen Trupp auf dem Weg durch Schlamm und flachen Tümpeln auf.

Saltha führte sie in ein Wäldchen aus verkrüppelten Kiefern. Nicht mehr als eine Hand voll dürrer Stämme auf einer niedrigen Sandbank. Dichtes Schilf umgab die Insel, bei ihrem Näherkommen tauchte ein Schwarm Mücken aus den Wasserlachen auf und begrüßte die Soldaten mit einem hungrigen Summen. Fluchend retteten sie sich zwischen die Bäume, wo Mensch und Pferd ein wenig Schutz vor den Blutsaugern fanden.

Saltha musterte die beiden jungen Ritter und schüttelte dann den Kopf. «Ihr seid zu laut, zu langsam und zu unbeweglich. Bleibt hier! Bindet die Gäule an und wartet auf mich. Ich werde den Weg alleine auskundschaften. Aber haltet die Augen offen! Möglich, dass die Rebellen hier ebenfalls unterwegs sind. Ich bin bald zurück!»

Ralph fand, dass ihre Worte und der Tonfall wie die einer besorgten Mutter klangen und ballte wütend die Fäuste. Zornig schaute er ihr hinter her, als sie ihr Reittier anband und die kleine Insel zu Fuß verließ. Missmutig versorgte er sein Pferd und suchte in der Satteltasche nach Trinkwasser. Doch da klopfte ihm von Gaya auf die Schulter und hielt ihm mit einem verschwörerischen Grinsen eine Tonflasche vors Gesicht.

«Ganer Goldwasser. Meine Familie verfügt über eine günstige Quelle. Die gute Sorte. Mit ordentlich Feuer. Wird uns besser dienen als pures Wasser. Wer weiß, wann die dumme Kuh wiederkommt!»

Ralph zögerte erst, aber am Ende gewann seine schlechte Laune die Oberhand. Mit einem dankbaren Lächeln ergriff er die Flasche und nahm einen tiefen Schluck. «Goldwasser! Das Zeug verdient den Namen zu Recht. Da schwimmt genug Zunder drin!»

«Man sieht es kaum, wenn man es aus der Flasche trinkt. Es ist die Sorte, wo kleine Goldfäden drin schwimmen. Der wahre Stoff» Dann setzte auch er an und bediente sich reichlich. Dabei übersah er, dass seinen Kameraden der Gedanke, dass er gerade echtes Gold geschluckt hatte, die Röte ins Gesicht trieb.

Von Gaya warf noch einen Blick über das Schilf in die Richtung, in der Saltha verschwunden war. «Hör mal, mein Freund. Wir müssen uns das nicht bieten lassen. Zwei Ritter von Rang und Namen. Wer weiß schon, mit wem das Weibsbild ins Bett gekrochen ist, um diese Position zu erreichen. Wir bringen den kleinen Ausflug hinter uns und dann spreche ich mal mit dem General. Meinetwegen soll sie einen Haufen Bauern befehligen, doch niemals ausgebildete Krieger!» Mit einer verschwörerischen Geste bot er Ralph erneut den Schnaps an.

Der zögerte zunächst. Der erste Probeschluck zeigte ihm, dass der starke Branntwein keinen Spaß vertrug. Schon jetzt bemerkte er, dass die Zunge Schwierigkeiten machte, den Worten voranzugehen. Aber der Stolz gewann über die Vorsicht. Gerwin sollte nicht auf den Gedanken kommen, er habe es mit einem Knaben zu tun. So nahm er das Angebot an und bediente sich, um keinerlei Zweifel an seiner Männlichkeit aufkommen zu lassen, mit einem tiefen Schluck.

«Was soll dieser Kundschafterritt eigentlich», fragte er, wobei er jede Silbe sorgfältig im Mund vorbereitete.

«Meine Quellen sagen mir, dass der General überlegt, einen überraschenden Flankenangriff auf die Rebellen zu wagen. Doch niemand weiß, wie sicher der Sumpf ist, und ob er von einer Kompanie Lanzenreiter betreten werden kann.»

«Wenn man mich fragt, so würde ich denken, dass das nicht klappen wird. Wir selbst mussten unsere Pferde führen. Für gepanzerte Reiter ist der trügerische Untergrund eine Todesfalle. Der größte Teil wird im Sumpfwasser steckenbleiben, bevor er die Rebellen erreicht. Und den zerschundenen und müden Rest machen sie mühelos nieder.» Ralph nahm einen weiteren Schluck. Aber der scharfe Schnaps heizte seine Wut noch mehr an.

«Meine Rede», antwortete von Gaya. «Ich habe das dem General gesagt, als wir aufbrachen. Doch der Hauptmann hat einen Narren an der Kuh gefressen. Man soll nichts unversucht lassen, hieß es. Und dafür stolpern wir durch dieses dreckige Stück Land und werden von den Mücken aufgefressen.»

«Was für eine Kuh», bestätigte Ralph. Dann schloss er die Augen. Wo kam auf einmal die Müdigkeit her? Wie Blei drückte eine schwere Last auf die Augenlider. Das kam vom Schnaps, erkannte er. Vielleicht hätte er etwas weniger trinken sollen. Das Zeug besaß eine überraschende Wirkung.

«Du bist müde», stellte sein Kamerad fest und gähnte herzhaft. «Ich mache einen Vorschlag. Leg dich hin und schlafe für ein paar Augenblicke. Derweil passe ich auf, ob Saltha zurückkommt. In einer guten Stunde löst du mich ab!»

Ralph nickte mühsam. Er konnte sich vor Müdigkeit kaum auf den Beinen halten. Soviel Branntwein am hellen Tag, das vertrug er nicht. Dankbar für den Ratschlag suchte er ein wenig Schatten unter den Bäumen. Im Moment, wo der Kopf den Boden berührte, schlief er tief und fest ein.

Vogelstimmen weckten ihn. Eine kleine Brise kitzelte in der Nase, die Welt um ihn schien friedlich. Von irgendwo kam das sanfte Grunzen eines zufriedenen Schweins, das glücklich in seinem Koben lag und leise verdaute. Er fühlte sich zurückversetzt in das winzige Dorf, das zu Füßen der Burg lag, in der er aufgewachsen war. Nur das stete Hämmern des Schmieds, der offenbar einen ganzen Haufen Hufeisen bearbeitete, lag wie ein drückender Ring um den Schädel des jungen Ritters.

Es musste auf den Abend zugehen, denn er hörte den Gesang der Vögel, mit dem sie den Tag verabschiedeten, bevor sie ihr Versteck für die Nacht suchten. Ralph schloss die Augen, um in dem Traum zurückzukehren, doch das Pochen in seinem Kopf holte ihn ein. «Ruhe», rief er. Konnte dieser verdammte Schmied nicht aufhören. Der Ruf weckte einen schrecklichen Geschmack in der Kehle, im nächsten Moment hing er über einem Busch und erbrach das wenige, was er am Tag gegessen hatte.

Verwundert betrachtete er die Goldfäden in dem Erbrochenem und ihr Anblick brachte ihn in die Welt zurück. Das sanfte Grunzen des Schweins verwandelte sich in das betrunkene Schnarchen seines Kameraden Ritter von Gaya. Der leichte Wind wurde zu dem Gestank aus Fäulnis, wie ihn der Sumpf um die kleine Sandinsel erzeugte.

Bei den Göttern! Sie waren auf der Wache eingeschlafen. Und der Abendgesang der Vögel bedeutete, dass sie hier schon seit mehreren Stunden schliefen. Am Himmel beobachtete er bereits die ersten Zeichen des Sonnenuntergangs. Höchste Zeit, ins Lager zurückzukehren.

Und wo war Saltha?

Vor Aufregung weckte er seinen Begleiter mit wenig sanften Fußtritten. Etwas, was er vor kurzer Zeit nicht gewagt hätte. Doch das Herz blieb stehen, als er nach den Pferden schaute.

Sie waren verschwunden!







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