Nur ein Kapitel? Bruch der Tradition?

Der Leser erinnert sich, dass ich vor einiger Zeit beschlossen habe, keine ganzen Romane mehr auf diesem Blog zu veröffentlichen. Gesplittet auf mehrere Episoden dauerte es einfach zu lange, bis der Besucher die ganze Geschichte kannte. Romane aus der Welt von "Eisen und Magie" wird es weiter geben, aber mit der Konzentration auf E-Books bzw. Print.

Dieser Blog soll daher den Kurzgeschichten gewidmet sein, Informationen aus der Welt von "Eisen und Magie" und dem ein oder anderen Thema, von dem ich annehme, dass es meine Leser interessiert.

Die Geschichten hier werden daher nur 1 - 4 Kapitel lang sein. Und innerhalb einer Woche durchgelesen. Heute starten wir mal mit einer kurzen Episode aus der Welt von "Eisen und Magie".

Viel Spaß damit!






Leichte Beute



Eine Kurzgeschichte von Peter H. Brendt



Stagh hielt sich im Schatten. Der Vollmond warf genügend Licht in den Hinterhof des Mietstalls, um dunkle Fächer aus Dunkelheit und Mondlicht zu gestalten. Schatten, den er als erfahrener Straßenräuber zu nutzen wusste. Ein leiser Wind spielte mit dem Staub, den er bei einem vorherigen Spiel in eine Ecke geweht hatte. Er brachte den Geruch von Stroh, Pferden und Müll mit. Doch es gab keine Anzeichen von Magie, dem Element, das Stagh am meisten fürchtete.

Er spürte die Anwesenheit der Komplizen, die sich wie er leise durch den Hof bewegten. Es tat gut, mit Leuten zusammen zu arbeiten, die ihr Handwerk, so grausam es auch sei, beherrschten. Und außer Zauberei konnte ihn nichts schrecken.

Dennoch schmerzte seine Magengegend, als ob eine kalte Hand sie zusammendrückte. Dunkle Vorahnungen packten ihn und trotz der nächtlichen Kühle, fühlte er Schweiß auf dem Rücken. Stagh drückte sich noch tiefer hinter den alten Kisten und Gerümpel. Prüfend zog er leise die Luft durch weit geöffnete Nasenlöcher. Keine Anzeichen von Magie.

Die dünnen Haare auf den Armen sendeten Alarmsignale. Sie strahlten eine Kälte aus, die unsichtbare Gefahren meldeten. Doch Erfahrungen aus vielen Jahren eines gewalttätigen Lebens sprachen dagegen. Da war nur ein Mann dem baufälligen Schuppen. Und er war nicht alleine hier.

Then, der nach eigenen Erzählungen als Junge eine Zeit bei den Elfen verbrachte, lag links von ihm im Verborgenen. Seine Aufmerksamkeit galt dem Eingang zum Stall, in dem ihr Ziel schlief. Angeblich lehrten ihm die Spitzohren die Kunst des Bogenschießens. Wenn er den Anweisungen Brakos, ihrem Anführer folgte, und Stagh ging davon aus, dass er das tat, sicherte er mit einem gespannten Bogen ihren Angriff.

Rechts von ihm, so vermutete er, schlich Obrin mit seiner bronzenen Armbrust noch näher an die Stalltür heran. Die kleine Waffe besaß eine kurze Reichweite, jedoch zum Ausgleich eine hohe Durchschlagskraft. Bestens geeignet, um sie unter einem langen Mantel zu verbergen und ohne Ankündigung hervorzuholen. Gut für einen engen Raum, doch in diesem Hinterhof kam es darauf an, möglichst nah heranzuschleichen, um Deckung geben zu können. Stagh sah und hörte ihn zwar nicht, aber er vertreute seinem Instinkt, dass er sich auf den Thykaner verlassen konnte.

Brakos schlich nur zwei Schritte vor ihm. Perfekt, wie er jeden Schatten nutzte, um ungesehen näher an den Stall heranzukommen. Der geborene Anführer. Charismatisch, vorausschauend und meisterlich im Umgang mit dem Schwert. Eine war eine gute Idee, das eigene Schicksal mit dem des Bandenchefs verknüpfen, als er ihn vor drei Monaten dazu aufforderte. Sie hatten eine Menge Geld gemacht in der Zeit.

Stagh zog leise die Luft ein, als Schneewasser durch die Sohle seines Schuhs eindrang. Vermutlich sollte er das ein oder andere Geldstück aus der Belohnung für ihren Mord in einen neuen Lederstiefel anlegen. Der hier war so oft geflickt, dass ihn nur das Flickzeug zusammenhielt. Vielleicht schenkten ihm die Götter heute ihre Gunst und es passten die Stiefel des Mannes, den er und die Komplizen im Hof anschlichen..

Ein unerwartetes Geräusch vor ihm, ließ ihn erstarren. Staghs Hände suchten die beiden Dolche in seinem Gürtel. Den Größeren aus Sandar hielt auch nur noch der Rost zusammen. Er befürchtete, wenn er ihn beim nächsten Mal aus einem Opfer herauszog, brach er unterhalb des Griffs ab. Hoffentlich besaß der Fremde, der dort im Stall übernachtete, eine eigene Klinge. Dann könnte er die Waffen austauschen.

Das Kratzen und Scharren wiederholte sich, nahm einen unbekannten Rhythmus auf, wurde heftiger. Bald mischte sich das wütende Knurren eines Tieres dazu. Zwischen zwei Kisten schob sich der Oberkörper eines Hundes hervor, der mit aller Macht, an einem fleckigen Sack riss und zerrte. Vermutlich roch er etwas Fressbares darin, denn er steigerte seine Bemühungen noch. Zuviel Lärm, schoss es Stagh durch den Kopf. Der Köter störte nur.

Vor sich hörte das leise Klagen eines Kauzes. Brakos dachte genau wie er und gab Obrin ein Zeichen. Das knappe Schnappen der Armbrust ging in dem Eifer des Straßenhundes unter. Der Bolzen traf die Stirn und das Tier brach ohne einen Laut zusammen.

Alle verharrten für ein paar Minuten. Die Unruhe, die der lärmende Hund verursacht hatte, musste erst abklingen. Stagh nutzte die Gelegenheit, fingerte lautlos an seinem Gürtel und fand die kleine Tonflasche mit dem Branntwein. Ein kurzer Schluck sollte nicht schaden. Als er den Schnaps wieder absetzte, spürte er den bösen Blick, den ihm Brakos aus der Düsternis zuwarf.

Den Kerl hat wohl ein Dämon gezeugt. Wie konnte er in der Dunkelheit sehen? Die Wärme, die seinen Magen füllte, schaffte es kurzfristig die Kälte, die durch die löchrigen Schuhe nach oben stieg, zu verdrängen. Zufrieden leckte er die Lippen, um den letzten Hauch des getrunkenen Alkohols zu schmecken.

Brakos sollte sich nicht so anstellen. Als wenn ein kleiner Schluck aus der Flasche seine Fähigkeiten beeinträchtigte. Vielleicht war es am besten, er verlies diese Bande und ging wie früher auf eigene Faust seinen Geschäften nach. Der Lohn aus dem Auftrag heute dürfte eine Weile reichen.

Mit den Instinkten eines Mörders spürte er, dass die Mitkämpfer ihren Weg durch die Dunkelheit wieder aufnahmen. Stagh biss die Zähne zusammen, als immer mehr Schneewasser in die Stiefel drang. Er freute sich auf die anscheinend trockene Stelle unmittelbar vor der Stalltür. Sie schimmerte schwarz im Mondlicht. Gut möglich, dass der Schatten des Stalls den Schnee verhinderte, dass er wie im übrigen Hof kleine Pfützen bildete.

Er folgte Brakos Spuren. Fast unheimlich, wie der Kerl den leisesten Weg, trotz des Gerümpels und dem Abfall im Hof fand. Jederzeit bereit, sich in die Dunkelheit fallenzulassen, falls von unerwarteter Seite ein Angriff kam. Man konnte über die kompromisslose Weise, wie er die Männer anführte, unterschiedlicher Meinung sein. Aber alles, was er befahl, besaß Sinn und führte bisher jedes Mal zum Erfolg.

Vielleicht doch keine so gute Idee, sich selbstständig zu machen!

Und diesen Auftrag hatte Brakos ebenfalls eingefädelt. Ein Fremder machte den Fehler, ausgerechnet Pigh, dem Obersten der Glasergilde seltenes Echsenerz anzubieten. Was immer das auch war. Der Gildenführer wog wie so häufig die Ausgaben für eine Mörderbande und die Kosten für einen Kauf des ungewöhnlichen Metalls ab. Und da war ein Auftragsmord deutlich günstiger.

Allzu viele Münzen schien der Verkäufer eh nicht bei sich zu haben. Sonst übernachtete er komfortabler, als für ein paar Kupferstücke im Stall. Im »Roten Pferd« gab es bequeme Betten, Branntwein und williges Fleisch. Und das für wenig mehr als ein Handvoll Kupfermünzen. Vielleicht mochte der Kerl ja Pferdegeruch. Oder er hasste menschliche Gesellschaft.

In Throkas hatte er mal einen flüchtigen Piraten gekannt, der konnte ...

Wieder ließ ihn ein unerwartetes Geräusch erstarren. Ein schwarzer Vogel, ein Rabe landete nicht weit von ihm auf einem zusammengebrochenen Karren. Neugierig musterte er die Umgebung. Stagh meinte, dass die gelben Augen trotz der Dunkelheit den Hof und seine Besucher abschätzten.

Erneut krächzte leise das Käuzchen. Auch Brakos musste das Tier unheimlich erscheinen. Doch bevor Obrins Armbrust erklang, erhob sich der Unglücksvogel und verschwand lautlos in der Nacht.

Nervös suchte Stagh nach den Dolchen im Gürtel. Langsam beunruhigte ihn dieser Hinterhof. Was wäre, wenn ihr Opfer den gleichen Schatten nutzte, der sie beim Anschleichen verbarg. Beinahe stieß er in seiner Verwirrung gegen ihren Anführer, der unerwartet aus der Dunkelheit vor ihm auftauchte.

»Du besoffenes Schwein", zischte er. Der Ärger des hünenhaften Mannes leuchtete wie Glut in den Augen. »Kannst Du nicht ein paar Minuten ohne deinen Schnaps auskommen?«

»Niemand hat es gehört!«

»Ich hab‘s gehört. Das reicht!«

Er packte Stagh am Kragen und schüttelte ihn gefährlich sanft: »Stimmt das, was Du mir über den Kerl erzählt hast?« Er hielt die Lippen nah am Ohr seines Untergebenen und hauchte die Worte beinahe.

Der wagte es nicht, die kleine intime Geste nachzumachen, er nickte nur, wobei er Brakos furchtsam anstarrte.

»Er schläft heute hier? Bist Du dir sicher?« Der Atem des Hünen roch nach seiner letzten Mahlzeit. Fischeintopf, mit einem sauren Bier heruntergespült. Der Druck am Kragen wuchs und Stagh beeilte sich, erneut zu nicken.

»Was ist sonst in dem Schuppen?«

»Er hat die Zugpferde verkauft.« Die Antwort war ein fast unhörbares Flüstern. »Sein Wagen steht noch drin. Er hat alles darauf ebenfalls zu Geld gemacht. Nur die beiden Fässer mit dem Schnaps sind drauf. Der Wirt vom »Roten Pferd« meinte, das Zeug stinkt nach Pferdepisse und ätzt ihm den Lack von den Tischen. Das kann selbst er den Gästen nicht zumuten.«

»Wünsch Dir, dass es so ist, wie Du es erzählst!«

Brakos verstärkte noch einmal den Druck, dann ließ er ihn los. Stagh wollte erleichtert tief einatmen, aber er erinnerte sich rechtzeitig daran, kein unnötiges Geräusch zu machen. Stattdessen zog er die Luft in leisen, kleinen Atemzügen ein.

Er zog die Dolche, wobei er betete, dass der Ältere davon nicht ausgerechnet in diesem Augenblick abbrach. Mit einem unterwürfigen Blick deutete er, um seine Bereitschaft zu zeigen, mit den Klingen zur Stalltür.

Brakos winkte die beiden Schützen heran. Lautlos schob sich Oberin aus dem Dunkeln. Er hob wie zum Gruß den rechten Arm und die Bolzenspitze der Armbrust schimmerte matt im Mondlicht. Der Thykaner wartete links von ihnen, die Tür zum Stall ließ er keinen Moment lang aus den Augen.

Then erschien unmittelbar danach. Den Bogen gespannt, die Pfeilspitze zielte auf die Stalltür, bereit jede überraschende Bedrohung zu durchbohren. Er nahm eine Position auf der anderen Seite ein.

Stagh fühlte wieder Brakos Faust. Diesmal packte sie ihn am Nacken und dirigierte ihn zum Eingang. »Du gehst als Erster. Bete, dass der Typ nicht wachgeworden ist! Wir folgen Dir.«

Alle hielten den Atem an. Der entscheidende Moment war gekommen. Ihre Überzahl sollte den Ausschlag machen. Selbst wenn der Fremde nach der Beschreibung des Kontaktmanns einen durchaus gefährlichen Eindruck machte.

Stagh öffnete mit einem raschen Ruck die Stalltür und schoss gebückt hinein. Falls ihr Opfer sie mit einer Schusswaffe erwartete, bot er so ein kleineres Ziel. Er rollte über die Schulter vorwärts ab und stand wieder kampfbereit mit gezückten Klingen. Das trübe Licht einer Stalllaterne reichte kaum aus, die Umgebung zu erkennen. Furchtsam spähte er in ihrem Schein nach einer Bedrohung.

Schnelle Schritte hinter ihm verrieten, dass die Kameraden ebenfalls eindrangen. Die Schützen hielten ihre Waffen bereit und suchten den Gegner. Brakos hatte das Schwert blankgezogen und kündigte seine Kampfbereitschaft mit einem leisen Knurren an.

Doch ihre Suche blieb erfolglos. Der Stall war leer. Nur die einsame Laterne an einem Pfosten, der das löchrige Dach abstützte, gab etwas Licht. Ihre Flamme flackerte in dem Zug, der durch die geöffnete Stalltür zog. Lediglich der Karren des Fremden stand verlassen vor den Pferdeboxen. Die beiden Fässer warteten auf der Ladefläche auf einen Käufer.

»Durchsuchen!« Die Wut in Brakos Befehl war unüberhörbar.

Stagh beeilte sich, der Aufforderung zu gehorchen. Er hielt die Dolchspitzen oben und schlich in die Dunkelheit. Das Stroh auf dem Stallboden raschelte unter den Füßen. Es roch nach Pferd und wieder drang Feuchtigkeit durch die Löcher der Schuhe und ließ ihn zunächst nur erschauern. Doch dann begannen seine Zehen, übel zu schmerzen.

»Ihr sucht mich?« Direkt neben der Laterne tauchte das Gesicht des Gesuchten auf. Die Eindringlinge sahen nur den Kopf, der Rest blieb im Schatten verborgen. »Ihr seid so laut da draußen, wie eine ganze Hochzeitsgesellschaft. Weckt einen müden Schläfer, um mit ihm muntere Klingenlieder zu spielen.«

Ein Rabe flatterte durch ein Loch des Dachs und landete irgendwo im Gebälk. Neugierig musterte er die Männer unter ihm, die einander kampfbereit belauerten.

Der Fremde trat aus dem Schatten und öffnete das Glas der Laterne. Mit der anderen Hand zog er langsam eine Zwergenpfeife aus der Manteltasche und steckte sie sich in den Mund. Dann zauberte er eine dünne Rolle Zünderstifte hervor und zündete sie an der Kerze in der Stalllaterne an.

Gemütlich setzte er das Zergenkraut im Pfeifenkopf in Brand und erklärte: »Falls ihr den Schnaps vermisst, den der Wirt aus dem »Roten Hengst« nicht kaufen wollte. Ihr steht mittendrin!«

Stagh warf einen überraschten Blick auf die Fässer. Die Verschlüsse der Spundlöcher fehlten. Jetzt erkannte er auch, warum ihm die Zehen brannten. Der Geruch ließ keinen anderen Schluss zu. Sie standen in einer großen Lache Branntwein.

Noch bevor sie reagieren konnten, schleuderte der Fremde die Zünder ins Stroh und verschwand blitzschnell in den Schatten. Im gleichen Augenblick verwandelte sich die Welt um sie herum in helles, alles erfassendes Feuer.

Die Hölle dauerte nur wenige Atemzüge, zuvor schmolz die Hitze Staghs Lungen und Augäpfel. Die letzten Bilder, die in seinem Kopf entstanden, waren die eines in Flammen stehenden Brakos und die Sparren des Dachs, das auf sie herunterprasselte.

***










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