Start einer neuen Geschichte aus der Welt von "Eisen und Magie".

Auf uns wartet das erste Kapitel des neuen Kurzromans "Eisen und Magie: Das Turnier!" Er wird uns durch diese Woche mit spannenden Episoden begleiten. Angekündigt habe ich ihn gestern unter dem Titel "Verrat". Aber als Ergebnis einer schlaflosen Nacht lautet er nun anders.

Wir begleiten  einen neuen Helden, der in dieser Geschichte an seinen Aufgaben wächst, auch wenn es am Anfang nicht so aussieht. Er erhält die Unterstützung eines Mentors, den wir aus früheren Ausgaben von "Eisen und Magie" gut kennen.

Diesmal geht es in Hauptsache um "Eisen", aber ein wenig "Magie" kommt auch vor.

Ich wünsche Euch viel Spaß mit der neuen Folge aus der Welt von "Eisen und Magie"!




Eisen und Magie:

Das

Turnier

von Peter H. Brendt

Plötzlich befand er sich in einer anderen Welt. Die Töne und Stimmen der Umgebung verstummten, nur ein leises Brummen, das jeden Laut zu einem einzigen Geräusch zusammenfasste.

Sein Kopf nahm die Schwingungen auf, so dass er schnell Kopfschmerzen bekam. Verzweifelt pendelten die Augen in dem engen Gefängnis hin und her, aber er schaffte es nicht, den gewohnten Blickwinkel zu finden.

Dazu der Gestank. Es roch nach Schweiß, Blut und Angst. Bertram von Weidenfels, Knappe des edlen Weyn vom Mark, stand kurz davor, in den geschlossenen Turnierhelm zu kotzen. Dabei durfte er heute zum ersten Mal auf den Spuren eines echten Ritters reiten.

«Na los!» Die Stimme des Ausbilders kam wie aus einem dichten Nebel. Er hörte, wie Thums flache Hand auf die Kuppe der alten Stute schlug und das Tier setzte sich gemächlich in Bewegung.

Endlich fand Bertram einen Weg, die Orientierung wieder zu finden. Wenn er den Kopf hin und her drehte, schaffte er es, wenn auch mühsam, nach rechts und links zu schauen. Der Grund für diese Konstruktion war einleuchtend. Der schmale Sehschlitz des Topfhelms sollte den Schädel des Besitzers vor einem Lanzenstich schützen. Anders als in der Schlacht konnte der Gegner bei einem Lanzenturnier nur aus einer Richtung kommen. Beide Kämpfer ritten in einem mit Holzbalken eingezäunten Bereich auf einander zu. Daher verzichteten die Rüstungsschmiede darauf, den Helms so zu gestalten, dass der Träger darin die Umgebung rundum im Auge behielt. Statt dessen besaß die Sicherung des Lanzenreiters den Vorrang.

Bertram trug nur einen leichten Übungshelm, dennoch drückte der Rand bereits nach wenigen Schritten auf den Nacken. Jetzt bekam er eine Vorstellung davon, wie sich ein Turnierreiter fühlen musste, wenn er heute Nachmittag mit einem echten Helm beim Lanzenstechen antrat.

Die Ritterüstungen der Familie vom Mark, bei der er als Ritter ausgebildet wurde, besaßen einen ausgezeichneten Ruf. Ihre Schmiede stellten kostbare Waffen und Panzerungen her, die im ganzen Reich begehrt waren. Von dem Kaufpreis der Rüstung, mit der sein Herr Weyn später das nächste finale Duell bestritt, konnte man ein Baronat ein Jahr unterhalten. Ihr Name lautete «Silberschwan», da der versilberte Stahl mit unzähligen kleinen Schwänen verziert war. Ein besonders prachtvolles Exemplar thronte auf dem Helm und schien mit dem hochgezogenen Vogelkopf den Gegner zu verspotten.

Bertram träumte davon, ein berühmter Lanzenreiter zu werden. Weyns Ansehen als Turnierkämpfer reichte weit über die Grenzen des Fürstentums. Dennoch trat Jeder gern gegen ihn an, denn dem Gewinner im Finalkampf des Turniers gehörte neben einem stattlichen Preisgeld die Rüstung des Verlierers.

Allerdings schaffte es in den vergangenen Jahren niemand, Weyn von Mark aus dem Sattel zu heben. Und Bertram schätzte auch den Finalgegner des nächsten Tages, Rod von Braggen nicht so ein, dass er den Sieg erringen konnte.

Doch es war an der Zeit, die heutige Übung für den Knappen anzugehen. Sie klang leicht. Er sollte in langsamen Trab auf das Ziel zureiten. Es handelte sich um ein großes Holzschild, dass mitten auf der Turnierbahn aufgestellt war. Der Junge trug eine dünne Übungslanze unter dem Arm geklemmt. Die Aufgabe bestand darin, mit ihrer Spitze den Schild im Lauf zu berühren.

«Ich verlange nicht viel von dir für den Anfang.» Die Worte des Ausbilders drangen durch den Helm in den Ohren. «Nicht umhauen, nicht fällen, nicht niederreiten. Lockerer Trab, die Holzplatte anvisieren und mit der Lanzenspitze anstoßen. Erst, wenn dir das gelingt, wagen wir uns an größere Aufgaben.»

Bertram versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Es bereitete bereits Schwierigkeiten, bei dem steten Auf und Ab des antrabenden Pferds das Ziel zu fokussieren. Der schmale Sehschlitz bot nur wenig Sicht, immer wieder verlor den Holzschild aus den Augen. Zudem wurde die Last der Lanze, die er unter dem Arm festklemmte mit jedem Atemzug schwerer. Dazu behinderten ihn die Bewegungen des Reittiers, das die Unsicherheit des Reiters spürte und in einen unregelmäßigen Trab überging. Endlich kam Bertram nah genug heran. Es schaffte es wirklich, den Schild mit der Lanzenspitze zu berühren. Doch im gleichen Moment fiel ihm die Übungslanze aus der Hand. Ihm fehlte die Kraft, sie festzuhalten.

Brüllendes Gelächter kam von den Rändern des Turnierplatzes, wo Zuschauer das Missgeschick des Knappen beobachteten. Vor Scham wäre der Junge am liebsten in den Boden versunken.

***

«Sag mir, dass es nicht wahr ist!» Mark von Weyn beugte sich über den niedrigen Tisch und fixierte sein Gegenüber mit wütenden Augen. «Mein Vater würde so etwas nie tun.»

Rod von Braggen lehnte lässig auf dem Schemel, nahm einen Schluck Wein und begegnete dem Blick ohne Furcht. «Ihr kennt die Unterschrift. Und ich bin sicher, Euer Vater hat davon erzählt!»

«Ich spreche nicht von der Anleihe bei der Handelsgilde von Thumberg. Wir brauchten das Gold, um die schlimmsten Auswirkungen der Hungersnot nach drei Missernten in Folge zu lindern. Wir gaben die wertvollen Rüstungen und Waffen der Familie als Pfand. Aber die Gilde erklärte, auf die Begleichung der Schuld zehn Jahre zu warten. Uns steht also noch ein weiteres Jahr zu.»

«Meine Familie hat die Schuldscheine aufgekauft. Das schien der Handelsgilde sicherer zu sein. Zugegeben, sie haben dabei gut verdient. Doch die Vereinbarung über die Rückzahlung galt nur mit ihnen. Durch den Verkauf ist die Absprache zwischen Eurem Vater und der Gilde ungültig geworden. Das Gold wird sofort fällig. Eine Abordnung ist bereits unterwegs, um Rüstungen und Waffen einzufordern. Und jetzt seid so freundlich und überlasst mir «Silberschwan», das einzige Stück außerhalb der Burg.»

Die Selbstzufriedenheit im Gesicht Rods steigerte Weyns Wut noch mehr. Hilflos schaute er den Mann zur Rechten an. Wersh war ein alter Freund der Familie, sein engster Vertrauter, er begleitete den jungen von Mark zu diesem Turnier und übernahm sonst die Pflichten eines Verwalters. Doch der hob ratlos die Schultern. «Die Abmachung mit der Gilde hat uns damals geholfen. Keiner kam auf die Idee, dass sie ihre Forderungen an jemand anders abtreten würden. Am wenigsten an die von Braggen, einem erklärten Erzfeind eures Hauses. Ich fürchte, da können wir kaum etwas machen.»

Weyn biss auf die Lippen, so dass es blutete. Er brauchte alle Selbstbeherrschung, um sich nicht auf den höhnisch grinsenden Rolf zu stürzen. Doch die Regeln bei einem Lanzenkampf zu Pferd galten als streng. Ein vorzeitiger Zweikampf mit dem Gegner des morgigen Finalkampfs bedeutete seinen Ausschluss aus dem Wettkampf. Als zusätzliche Bestrafung fiele die Rüstung kampflos an diesen Kerl. Schlimmer noch. Baron Braggen, der Herold und Schiedsrichter würde ihn für jedes weitere Turnier ausschließen.

Wütend übergab er das Dokument dem jungen Mann in der Kleidung eines Novizen hinter ihm. «Ihr kennt euch besser mit solchen Dingen aus, Sheen. Prüft es!»

Der Mönch nahm das Pergament an und hielt es gegen das Licht. Dann kippte er es und betrachtete Einzelheiten in einem unterschiedlichen Winkeln, beugte sich anschließend zum Ohr des Ritters und flüsterte. «Das Schreiben ist echt. Ich finde die geheimen Zeichen Eures Vaters und der Gilde! Unwahrscheinlich, dass es gefälscht ist. Aber mehr kann ich erst auf der Burg sagen. Hier fehlen mir dazu die Mittel. Doch wartet. Mir ist etwas aufgefallen.»

Er gab das Dokument an Rod von Braggen zurück. «Ich will nicht für die Familie vom Mark sprechen. Ich soll diesen edlen Ritter und die Knappen, die ihn begleiten, unterrichten. Aber Euch frage ich, werdet Ihr die Regeln der damaligen Absprache einhalten?»

«Wie kannst du das fragen, dreckiger Mönch! Willst du an meinem Wort zweifeln?»

«Selbstverständlich nicht. Doch ich glaube, Ihr unterliegt einem Irrtum!»

Dann fragte der Mönch Weyn vom Mark «Wann ist die Rüstung, die Ihr «Silberschwan» nennt, geschmiedet worden?»

«Vor fünf Jahren. Ihre Herstellung dauerte drei Jahre. Es handelt sich um ein Meisterstück. Zwei der besten Schmiede arbeiteten daran!»

Sheen sprach jetzt Rod von Braggen an. «Ich gehe davon aus, dass Euch die Geschichte dieses Meisterwerks bekannt ist. Es gibt keine Zweifel über sein Alter!»

«Jedes Kind weiß, dass Weyn die Rüstung «Silberschwan» zum ersten Mal beim Turnier in Selmen anlässlich der Hochzeit des Grafen Luxt getragen habt. Er tötete im Endkampf meinen Bruder Mehrd. Vor einem Jahr ist das gewesen.»

«Dann lest bitte den Absatz Nummer Dreizehn. Er lautet: «Und so gibt das Haus vom Mark alle edlen Rüstungen, wie sie die Gilde in der Rüstkammer unserer Burg besichtigt und für gut befunden hat, als Pfand für den Kredit, wie er heute vereinbart worden ist!»

Er grinste. «Da «Silberschwan» damals noch nicht geschmiedet war, ist sie kein Teil der Absprache. Ihr könnt sie daher unmöglich einfordern. Weder hier oder später!»

Mit großen Augen las Rod von Braggen den entsprechenden Absatz leise vor. Er lautete so, wie ihn gerade Sheen aus dem Gedächtnis zitierte. Er brauchte einen Moment, in dem sich sein Gesicht vor Zorn rötete. «Ihr werdet büßen», brüllte er. Speichel sprühte über den Tisch, ruckartig stand er auf, so dass der Schemel nach hinten kippte.

«Morgen ist «Silberschwan» mein. Und Mehrd gerächt! Und Eure Familie bankrott.»

Ohne weiteres Wort verließ er das Zelt. Wütend stieß er Bertram zu Boden, der gerade eintreten wollte. «Geh mir aus dem Weg, Wurm!»

Sheen half dem Jungen, dann kehrte er zu dem Tisch zurück und stellte den Schemel auf. «Was für ein Hass! Ich würde ihm nicht trauen. Ihr solltet euch gut auf den Endkampf des Turniers vorbereiten. Mit «Silberschwan» könnt ihr eurem Vater helfen. Verkauft sie oder gebt sie als Pfand für einen neuen Kredit. Doch ihr müsst morgen gewinnen!»

«Er hat keine Chance.» Weyn von Mark lächelte seinen Knappen an. «Was ist mit dir, Bertram. Wann kannst du mich im Lanzenkampf vertreten?»

«Ich fürchte», der Angesprochene senkte den Kopf zu Boden, «es wird noch eine Weile dauern!»

«Schau mir morgen beim Turnierkampf gegen Rod von Braggen genau zu. Dann wirst du erleben, wie man so einen Aufschneider besiegt!» Lachend klopfte er dem Jungen auf die Schulter. «Ich sehe nach dem Pferd. Öle und poliere «Silberschwan», mein Freund! Ich will, dass der Stahl jeden Zuschauer des Turniers blendet.» Lächelnd verließ er das Zelt.

Bertram blickte Sheen an. «Glaubst du, dass er gewinnt. Er ist doch besser als Rod von Braggen!»

Der Mönch schaute dem Ritter nach. «Ich fürchte, dieser Streit ist noch nicht zu Ende!»

***






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