Thumberg, eine Fantasy-Stadt mit modernen Problemen

Ghoule sind ein echtes Problem, aber Thumberg besitzt weitere Konflikte, die an eine Stadt unserer Zeit erinnern. Auch ihre Lösungen erinnern an so manches Phänomen in unserer Umgebung. (Zumindest in meiner)

In diesem Kapitel sind einige davon beschrieben und Anschläge auf Politiker gibt es dort auch!

Viel Spaß mit dem neusten Kapitel aus "Thumberg: Der Ghoulkönig"!

Das erste Kapitel verpasst? Ihr findet es hier.




Bo de Koffel, in Ehren und Jahren ergrauter Rat der Stadt Thumberg, zog seinen Mantel enger um seinen schlaffen Körper. Seit Urzeiten zog der Wind in der lausigen Kammer durch die Ritzen der Schießscharten in dem alten Turm, in dem er seine Amtsgeschäfte vom Beginn seiner Amtszeit betrieb. Damals schien es eine gute Idee zu sein, seinen Schreibtisch möglichst weit weg von den anderen Ratsmitgliedern aufzustellen. Fern von den dauernden Intrigen der restlichen Mitglieder, bei denen persönliche Interessen und Familienangelegenheit oft über den Interessen der Stadt Thumberg standen.

Ein paar hübsche Wandteppiche an den Wänden, eine anständige Portion Stroh in den Schießscharten, so dachte er beim Antritt der Amtsgeschäfte im Übermut der Jugend, und die Kälte bliebe draußen. Jedes Mal wenn etwas Geld übrig war, um die Ritzen und Löcher im Gemäuer zu schließen, meldeten sich andere dringendere Notwendigkeiten. Deshalb fror Bo der Koffel auch heute nach vielen Jahren, während er sorgfältig die Schiefertafel auf seinem Schreibtisch studierte.

„Hilfswächter Murth kam nicht zum Dienst.“ So lautete die erste Zeile. Er erkannte an den wackligen Kreidestrichen, wer letzte Nacht die Aufsicht über die Stadtwache führte. Sergeant Leuther, missratener Bastard von Baron Hengstbert, besaß diesen Rang und den Titel des Wachhabenden der Nachtschicht nur, damit sein Vater ihm am Tag nicht begegnete. Seine Fähigkeiten schätzte de Koffel eher als bescheiden bis unzureichend ein. Aus diesem Grund stellte er ihm kein teures Pergament für seine Berichte zur Verfügung. Schiefer und Kreide waren billiger. Doch als, wenn auch illegitimer Sprössling einer der angesehensten Familien in Thumberg, stand er unter dem Schutz seines Erzeugers. Das Ratsmitglied sah nirgends eine Chance, der Niete einen anderen Platz in der Rangfolge der Wache zu zuweisen.

„Wo ist Hilfswächter Murth abgeblieben?“ Unter dem Klang seiner Stimme zuckte sein Sekretär Esicht zusammen.

„Man sucht ihn,“ lautete die kleinmütige Antwort. „Doch ohne Erfolg. Ich habe ihren Leibwächter Cargho gebeten, in seiner Wohnung nachzuschauen. Dort ist er auch nicht.“

Bo de Koffel rümpfte die Nase. Noch so ein Problemfall. Die Zunft der Leibwächter produzierte in letzter Zeit immer mehr Ausschuss. Aber eine Übereinkunft mit dem Stadtrat garantierte ihr die Abnahme von mindestens zwanzig ausgebildeten Männern. Die teilte der Vorsitzende auf, bis alle Ratsmitglieder und Beamte mit Gefährdungspotential einen besaßen. Nicht selten konnten die zu Beschützenden besser auf ihr Leben und ihre Gesundheit achten, als ihre Beschützer. Der ihm zugeteilte Cargho sah in seiner Kettenrüstung und Breitschwert zwar gefährlich aus. Jedoch eine panische Angst vor Mäusen und Ratten ließ ihn bereits bei der Erwähnung der langschwänzigen Tiere bibbern und die Flucht ergreifen. Mit seinen Nachforschungen über den Verbleib des vermissten Nachtwächters tat er endlich mal etwas nützliches. „Sofern es in Murths Wohnung keine Nagetiere gab“, fügte er in Gedanken hinzu.

Er übertrug die Notiz mit präziser Handschrift von der Schiefertafel in das dicke Buch, in dem er sämtliche die Sicherheit der Stadt betreffenden Einträge festhielt. „Zieht ihm den Lohn für die letzte Nacht ab! Sollte er in Uniform und Lederzeug gefunden werden, stellt ihm die Leihgebühr für einen Tag in Rechnung.“

Am liebsten würde er den Kerl entlassen, aber Wachen für den Nachtdienst zu finden, war schwieriger, als Jungfrauen im Dirnenviertel aufzutreiben. Zum nächsten Problem auf seiner Liste.

„Ich warte auf den Bericht über die Schäden in der Südmauer. Die Spalte am Schwanenturm soll größer als ein Männerarm sein!“

Statt einer Antwort schob Ehsein schüchtern einen stattlichen Korb auf den Schreibtisch.

„Was ist das?“

„Erdbeeren.“

Bo de Koffel brauchte eine Weile, um den Sinn der Worte zu verstehen. „Erdbeeren?“

„Ein kleines Geschenk von der Obst- und Gemüsegilde.“ Der Sekretär schob den Korb näher an seinen Vorgesetzten heran und räumte die oberste Schicht aus Stroh beiseite. „Frische, leckere Erdbeeren, Euer Ehren!“

Bo de Koffel holte tief Atem. Dann stieß er langsam die Luft aus. Mit so was hätte er rechnen müssen.

„Sie haben es also wahr gemacht.“ Seine Augen stachen wie Dolche nach Ehsein.

Der wich seinem Blick aus und suchte seine Rettung in den wohlgesetzten Worten, zu die ihm die Abordnung der Obst- und Gemüsegilde geraten hatte.

„Die Mauer speichert die Wärme des Tages und in den Ritzen und Spalten finden die Erdbeerpflanzen ausreichend Platz zum Wachsen. Diese spezielle Sorte und der ideale Pflanzplatz garantieren beste Ernte bis in den Herbst hinein. Euer Ehren sollen sie probieren. Und selbstverständlich erhaltet ihr die ganze Zeit über euren Anteil an diesen wohlschmeckenden Früchten.“

De Koffel stützte seine Stirn mit der Hand. Er fühlte sich auf einmal sehr müde. Mittlerweile dürfte die Anzahl der bis in die kalte Jahreszeit mit Erdbeeren versorgten Ratsmitglieder zu groß geworden sein, um wirkungsvoll einschreiten zu können.

Allerdings, so fiel ihm rechtzeitig ein, hatte er die Probleme der Mauer im Süden doch vor kurzer Zeit diesem Neuen übertragen. Wie hieß er noch gleich? Sollte er mal zeigen, was er drauf hat.

„Pan Mochtghern!“ Er erinnerte sich im richtigen Moment an den Namen. „Die Angelegenheiten der Südmauer gehören zu seinen Aufgaben. Wo steckt er?“

Ehsein entspannte sich sichtlich. Eine gute Gelegenheit den Zorn seines Vorgesetzten in andere Kanäle zu steuern. „Er wartet draußen. Und er hat Ihnen eine Überraschung mitgebracht!“

Auf einen Wink öffnete der Sekretär die Tür und Mochtgehrn eilte mit schnellen Schritten bis an den Schreibtisch. De Koffel wich reflexartig zurück, zog den Mantel noch enger. Das Erscheinen des neuen „Geheimen Beraters“ glich eher einem Angriff, als einem Antrittsbesuch bei seinem Vorgesetzten. Der Anblick des Schwerts, das er über seine Schulter trug, wirkte bedrohlich. Er hatte gar nicht gewusst, dass eine Bewaffnung zur angeordneten Ausrüstung seines neusten Mitarbeiters gehörte. Wo blieb sein Leibwächter?

Zwei Handbreit vor dem Tisch hielt Mochtgehrn plötzlich an und führte die Waffe in hohem Bogen nach vorne. Im letzten Augenblick erkannte das Ratsmitglied, dass die Klinge fehlte, aber da steckte irgendetwas widerlich Weißes auf dem abgebrochenen Griff. Durch den Schwung glitt es von der Schneide und flog direkt vor De Koffel auf den Schreibtisch, wo es wie ein großer Haufen Schleim liegenblieb.

„Ghoule“, erklärte der Sonderbeauftragte mit überschnappender Stimme. „Der Friedhof scheint von ihnen zu wimmeln. Und der hier wollte mich auffressen!“

De Koffel erkannte, dass er Mochtgehrn lediglich mit einem abgebrochenen Schwert bewaffnet war. Es sah so aus, als ob sich die Stahlklinge gelöst hätte.

Der getötete Leichenfresser steckte nur auf zwei rostigen Haltebolzen, die vorher Klinge und Griff verbanden. Sein Respekt vor dem jungen „Geheimen Rat“ stieg ein wenig. Es gehörte vermutlich viel Mut dazu, mit so was auf eine gefährliche Erkundung zu gehen. Oder viel Dummheit.

Doch bevor er etwas sagen konnte, wuchs aus dem Klumpen auf dem Schreibtisch vor ihm ein bleicher Tentakel, dessen Ende sich um seine Kehle legte und ihm die Luft abschnürte. Gut, dass er auf heimtückische Attentate vorbereitet war. Es gab nicht wenige, die ihm seinen Rang neideten.

Er öffnete eine Schublade und packte sein langes, mit Silber ummanteltes Stilett und jagte es durch den Körper, dass es im Holz steckenblieb. Offenbar das richtige Rezept gegen den Leichenfresser. Es zuckte kurz, dann löste sich der Fleischklumpen auf und ließ nur einen feuchten Batzen auf dem Tisch.



Kommentare

  1. Respekt, Herr Mochtgern..
    Einen Ghoul erlegt.. scheinbar ohne Klinge.. oder wie ?
    Oh, ich hoffe auf einen Bericht, der dieses Rätsel auflöst. Ich bin wirklich gespannt, wie ihm das gelungen ist.

    Bo de Koffel freilich kann einem Leid tun.
    All diese Verflechtungen, all diese Intriegen, all dieses Wahren eigener Interessen.. Wenn man als Einzelner einem solchen Wust von absprachen entgegen steht, ist man auf verlorenem Posten.
    Es ist grausig, aber auch seltsam vertraut - wenn es auch nicht um Erdbeeren im Herbst geht..

    Was wird man nun tun, gegen die Ghoule ?
    Nimmt man diesen Bericht ernst ?
    Welche Interessen stehen dem Säubern des Friedhofs entgegen ?
    Und wie lange wird der Rahmenvertrag mit der Leibwächtergilde noch bestehen ?
    Fragen über Fragen..
    Ich bin gespannt.

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