"Thumberg: Der Ghoulkönig" Die perfekte Waffe: Bürokratie

In den frühen Morgenstunden war es der heimtückische Angriff eines Ghouls. Jetzt muss Pan Mochtgehrn gegen einen weiteren Gegner antreten. Einen Feind aus den eigenen Reihen. Und er besitzt eine mächtige Waffe.




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„Es ist mir gleich, dass zurzeit keine Besuchszeit ist. Es handelt sich um eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit." Pan Mochtgehrn wünschte sich, er hätte sein verstümmeltes Schwert nicht in De Koffels Büro zurückgelassen. Er stellte sich in Gedanken vor, wie er diesem Wichtigtuer den abgebrochenen Griff langsam in den dicken Wamst drückte. Zu seinem Erschrecken bereitete ihm diese Vorstellung wirkliches Vergnügen. Gut, dass seine Eltern, beide Priester der grünen Flamme, die ihrem einzigen Sohn für viel Geld eine Ausbildung in der Schule der friedlichen Borke besorgten, nicht wussten, welche blutrünstigen Gelüste ihn gerade quälten. Ansonsten bekäme er mit Sicherheit bereits seinen dritten, reinigenden Einlauf verpasst.

Doch diese Zeit war vorbei. Heute standen andere Aufgaben an. Mochtgehrn schüttelte alte Erinnerungen ab und lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Problem vor sich. Dieses fette Exemplar eines Wachsoldaten schob hier im Gefängnis von Thumberg eine ruhige Kugel. Vermutlich würde es die zweite Runde treppauf und -ab auf der Südmauer, die vielen Stufen auf dem Wachgang über die Türme und die Katakomben nicht überleben. Dieser Kerl ließ es sich eindeutig gut gehen. Lehnte sich lässig auf seinem Stuhl zurück, die dreckigen Stiefel auf dem Tisch und betrachtete ihn mit einer Gleichgültigkeit, dass die Galle in die Kehle schoss.

„Besuchszeit ist erst wieder morgen. Da es sich um einen Gefangenen im Dienst der Stadt handelt, braucht ihr eine Erlaubnis des zuständigen Ratmitglieds!" Der Wachsoldat genoss die Situation sichtlich. Seine beiden Mundwinkel hatte er augenscheinlich an den Ohren eingehängt. Das breite Loch dazwischen offenbarte deutliche Zahnlücken und schwarze Zahnstumpfen. Die Augen schimmerten leicht feucht, so dass Mochtegehrn vermutete, dass er ihn auslachte.

Mühevoll zwang er sich zur Ruhe. Nie mehr würde er in Ratsgeschäften ohne eine Waffe unterwegs sein. „Ihr könnt mir bestimmt verraten, wer das zuständige Ratsmitglied ist."

„Aber selbstverständlich. De Koffel ist sein Name", lautete die selbstzufriedene Antwort.

„Von dem komme ich gerade!" Mochtegehrn entdeckte neue Seiten von sich. Nie hätte er geahnt, dass er in seine Stimme ein solches drohendes Grollen legen konnte.

„Das ist ja prächtig", kam das Echo. Offenbar musste er mehr an seiner Stimme arbeiten, denn die Wache schien unbeeindruckt zu sein. „Dann brauch ich euch den Weg ja nicht zu erklären."

Keinen Fingerbreit bewegte sich der fette Kerl dabei. Immer weiter feixend und grinsend hielt er Pans Blick mühelos stand.

Sollte er noch einmal in de Koffels Büro laufen und ihn um eine entsprechende Erlaubnis bitten? Als, wenn auch frischgebackener, "Sonderbeauftragte und geheimer Berater im Bezug auf die Sicherheit der Südmauer in Thumberg und der Angelegenheiten in unmittelbarer Nähe" dürfte das kein Schwierigkeit sein. Gleichzeitig könnte er seinen Unmut über dieses Schandexemplar einer Stadtwache loswerden.

Aber war das klug?

Welchen Eindruck würde de Koffel von seinem neusten Mitarbeiter erhalten. Wie schätzte der anschließend seine Fähigkeiten ein, wenn er mit solchen Lappalien zu ihm käme. Nicht, dass Mochtgehrn seine neue Aufgabe liebte und mochte. Vermutlich gab es bessere Tätigkeiten im Dienst der Stadt und ihrer Bürger. Doch gleich beim ersten Mal scheitern? Das kam nicht infrage!

„Ich kenne den Weg", antwortete er und schluckte seinen Zorn hinunter. „Ich komme direkt von ihm. Er gab mir die Information, dass Ihr Master Leym ähh ... beherbergt."

Gelogen. Zwei Runden für den letzten Rest der Nachtwache, die nach wie vor im "Silbernen Löffel" zechte, hatte es gebraucht, um den Aufenthaltsort des verschwundenen Gelehrten zu erfahren.

„Es wundert mich, dass er keine Erlaubnis erwähnte. Zumal er mir den Auftrag gab, ihn für dringende Aufgaben im Dienst der Stadt herauszuholen. Und er sicherlich wusste, welch pflichtbewusste Wache hier dient."

Das Grinsen im Gesicht gegenüber wurde breiter.

„Ihr kennt mich und meine Pflichten", wollte Mochtgehrn wissen.

„Ihr seid der neue Beauftragte für die Südmauer!" Das hatte sich offenbar schon in den Tiefen des Gefängnisses herumgesprochen. Wie auch immer. Immerhin lauerte jetzt so etwas wie Vorsicht in den Augen der Wache.

„Deshalb weiß ich euer Pflichtbewusstsein zu schätzen." Eine kleine kunstvolle Pause, die den Ausdruck von Misstrauen bei seinem Gegenüber verstärkte.

„Ich suche Soldaten wie euch für die Südmauer. Und De Koffel hat mir versprochen, dass ich zwei neue Männer aus den anderen Wachbereichen erhalte. Mehr noch, ich darf sie mir aussuchen!"

Langsam dämmerte im Mienenspiel der Gefängniswache die Erkenntnis, was sich da anbahnte. Aber es war zu spät. „Aus diesem Grund werde ich unseren gemeinsamen Vorgesetzten stören, um die benötigte Erlaubnis bitten und dabei so ganz am Rande euren Namen erwähnen. Und wir sehen uns heute Nacht auf den Gängen und Treppen der Südmauer wieder."

Es dauerte nur kurze Zeit, dann kannte Mochtegehrn den genauen Aufenthaltsort Master Leyms im Gefängnis.

***



Kommentare

  1. Perfekt gepokert, Herr Mochtgern..
    So gewinnt man mit einem Paar Siebenen gegen einen Royal Flash..

    Es ist ja bekannt, dass jemand, der den vermeintlich besten, arbeitsärmsten Job hat, ihn ungern wieder abgibt und tauscht, gegen ungemütliche, harte Arbeit.
    Wenn man sich dann noch das Mienenspiel vorstellt..
    Fühwahr, Herr Autor.. die perfekte Waffe.. Bürokratie, freilich gepaart mit ein wenig Rhetorik und Dreistigkeit.
    Von dieser Wache kann er heute Nacht alles haben. Vermutlich könnte er sogar sämtliche Gefangenen mitnehmen..

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