Komplott in Thumberg

Das neuste Kapitel aus "Thumberg: Die schlechteste Diebin der Stadt". Silgid erfährt, dass ihr Lehrmeister in eine böse Falle geraten ist.

Viel Spaß mit "Thumberg: Die schlechteste Diebin der Stadt"

Lust auf mehr Geschichten aus Thumberg? Die nächste Kurzgeschichte wartet schon. Ihr Titel lautet: Thumberg: Der Ghoulkönig"

Die ersten beiden Kapitel verpasst? Kein Problem Kapitel 1 findet ihr hier und Kapitel 2 dort.



Silgid packte ihre wenigen Habseligkeiten in einen kleinen Sack und verließ mit hängendem Kopf den schäbigen Turm, in dem sie die letzten zwei Jahre verbrachte. Sie verzichtete darauf, einen Blick auf ihr altes Leben zurückzuwerfen. Dieser Teil blieb endgültig hinter ihr. Ein Traum ging zu Ende. 10 Tagesreisen auf dem Fluss trennten sie von ihrer Heimat. Ihr Weg führte sie ins Hafenviertel, dort hoffte sie ein Schiff zu finden, das sie nach Hause brachte.

Zu ihrem Glück waren die Straßen und Gassen noch menschenleer. Kein Mensch sollte sie in ihrem verheulten Zustand und roter Nase sehen. Als ihr eine kleine Gruppe Betrunkener entgegenkam, verzog sie sich in eine schmale Nebengasse, von der sie wusste, dass sie sie ebenfalls zum Hafen brachte. Vorsichtshalber drückte Silgid sich in die Schatten, bis die Männer sie passierten. Niemand hatte sie bemerkt.

„Und dann ist der Trottel doch wirklich wie ein Sack Mehl in die Fallgrube gestürzt.“ Lautes Gelächter begleitete die leicht lallende Ansprache. „Beschreibt sein blödes Gesicht, als er merkte, dass Ihr ihn in eine Falle gelockt habt!“, forderte eine unbekannte Männerstimme. „Es sah etwa so aus!“ Die Stimmen überschlugen sich, das Gejohle wollte kein Ende finden.

Woher kam das? Wo war sie hingeraten? Silgid schaute sich um, versuchte herauszufinden, in welcher Gasse von Thumberg sie sich aufhielt. Es dauerte eine Weile, dann fand sie sich zurecht.

Hinter ihr lag die Rückseite der „Roten Schlange“, einer gerade bei der Diebesgilde beliebten Schenke. Nicht dass sie jemals einen Fuß hineingesetzt hätte. Dort durften niemals Lehrlinge hinein.

„Was habt Ihr mit dem Schwachkopf vor?“

„Er bleibt in der Grube, bis ihn die Egel finden. Sie bewachen das Labyrinth und die Schätze darin. Jeder Trottel weiß, dass es keinen Plan für diesen Irrgarten gibt. Er soll dort verrotten.“

Das Lachen steigerte sich noch einmal. Der Wortführer versuchte etwas zu sagen, doch es dauerte eine Weile, bis sich der Lärm legte.

„Aber da gibt es ein Problem“, kicherte der Sprecher. „Vielleicht verschonen sie ihn ja!“

„Wieso!“

„Erzähl!“

„Spann uns nicht auf die Folter!“

Die Stimmen überschlugen sich.

„Da ist dieses ... dieses ... PPrrfffff.“ Es knatterte und brummte, als ob eine kleine Herde Kühe furzte.

Der Lärm steigerte sich zu einem neuen Höhepunkt.

„PPrrrrrrrrrrrr!“

„BBrrrrrrrrrpp!“

„FFuuuuuuuuuuuts!“

Jeder versuchte, den Anderen mit einer neuen Parodie eines Furzes zu übertreffen. Plötzlich erkannte Silgid die Stimme des Wortführers. Es handelte sich eindeutig um Pashar, den intriganten Gegenspieler ihres Lehrers. Und damit war ihr klar, wen er hier vor den Zechern lächerlich machte. Sie verhöhnten Mussad, der in diesem Augenblick hilflos im Labyrinth auf seinen Tod wartete. Der angeblich Plan durch den Irrgarten gehörte zu einer Falle, die ihm sein Kontrahent gestellt hatte.

„Und wisst Ihr, was das Beste ist? Der Trottel hat für das geheime Pergament, das ihn zur Schatzkammer führen sollte, auch noch bezahlt. Ein hübsches Sümmchen. Und ich verrate euch ein weiteres Geheimnis, meine lieben Freunde. Ihr versauft es gerade.“

Diesmal wollte sich das Gelächter und Gejohle gar nicht mehr beruhigen.

Silgid stockte der Atem. Ihr Lehrer war das Opfer einer tödlichen Intrige geworden. Wenn sie die Probe bestanden hätte, säße sie mit ihm zusammen in der Fallgrube und wartete auf den Tod.

Die Egel, die diesen Teil des Labyrinths bewachten, besaßen einen schlechten Ruf. Länger und dicker als ein Männerarm, aber mit einem biegsamen Körper gelangten sie in jeden Winkel im Irrgarten. Sie rutschten auf dem Schleim, der sie umgab, durch die dunklen Gänge, immer auf der Suche nach lebender Nahrung.

In regelmäßigen Abständen trieben die Priester des oberen Tempels die ekligen Viecher für eine öffentliche Hinrichtung in die Arena. Dort schlugen sie ihre mit scharfen Zähnen bewehrten Saugmäuler in verurteilte Verbrecher. Sie fühlte erneut den Ekel, den sie bei dem widerlichen Anblick empfand, als sie ihre Opfer aussaugten. Nur eine leere Hülle aus Haut und Knochen blieb übrig, wenn man sie anschließend zurück in ihre unterirdische Welt zurückscheuchte.

Silgid überlegte, welche Mittel die Priester anwendeten, um die Egel zu treiben. Sie erinnerte sich an blaue Blitze, die die einsetzten und bei den blutsaugenden Würmern heftige Schmerzen hervorriefen. Zur Ausrüstung der Priesterschaft gehörten bunt angemalte Holzstäbe, die der Selbstverteidigung dienten. Offenbar wirkten sie auch bei den schleimigen Wächtern ihrer Schätze.

Sie musste ihren Lehrer befreien und dafür brauchte sie diese Blitzstäbe. Nur die Mitglieder des Tempels durften sie besitzen. Niemand wusste, woher die Stäbe ihre Kräfte erhielten und ob sie ebenfalls bei Normalsterblichen funktionierten.

Ihre einzige Chance bestand darin, in Thumberg einen passenden Priester aufzutreiben. Ihm anschließend seine mysteriöse Waffe zu stehlen, den Eingang zum Labyrinth zu betreten, dort ihren Mentor zu finden und die Egel zu vertreiben. Und das alles, bevor die Würmer ihn entdeckten und aussaugten.

Sie zermarterte sich den Kopf, wo man um diese Zeit einen der Blitzstäbe auftrieb. Die Tempelanlage war bereits geschlossen, die wenigen Zugänge entweder von menschlichen Wachen oder Magie schwer bewacht.

Es dauerte nicht lange, bis ihr klar wurde, dass sie dort keinen der erhofften Stäbe stehlen konnte. Doch wo hielten sich in dieser Nacht und zu so später Stunde Priester auf?

„Morgen werde ich Sepkos, meinen alten Bekannten aus dem Tempel besuchen.“ Silgid erkannte die Stimme von Pashar, dem Erzfeind ihres Lehrers. „Vielleicht erzählt er mir ja, in welchem Zustand sie unseren gemeinsamen Freund gefunden haben.“

„Dann geh nicht zu früh hin“, meinte ein Zecher, „der treibt sich bestimmt noch im Rosenviertel rum.“

„Ja“, ergänzte ein Zweiter. „Dort muss er junge Frauen bekehren und ihre Seelen vom Makel der Sünde befreien.“

Wieder kippte das Gelächter beinahe in Hysterie um. „Genau. Deshalb bringt er auch seinen Zauberstab mit!“

Silgid floh vor dem Lärm, der aus der Gaststube drang, aber dann blieb sie stehen. Unfreiwillig gaben die Feinde ihres Lehrers einen wertvollen Hinweis.





Kommentare

  1. Ea war fast zu erwarten, bei all der Rivalität und nach der Schilderung des Abstiegs ihres Meisters, dass es eine Falle war, in die man ihn lockte.
    Wenigstens Silgid hat genug vom Ehrenkodex der Diebe verinnerlicht, dass ihr erster Gedanke das Retten ihres Lehrers ist. Alle Gedanken an den Heimweg sind wie weggeblasen und ohne Zögern denkt sie nur an das Eine.
    Es ist wirklich ein glücklicher Umstand (es war ja fast unwahrscheinlich - den Göttern sei Dank), dass die gröhlenden Diebe ihr den Aufenthalt eines Priesters nennen, der zu so später Stunde noch in der Stadt unterwegs ist.
    Doch...
    Den Priester finden und in ein Gespräch verwickeln ist das Eine.. ihm auch noch den Zauberstab zu entwenden, zu entlocken, das bedarf schon wieder Diebeskunst. Es geht um das blitzschnelle Zugreifen, diesmal ohne Schlange, aber die Konsequenz könnte genauso tödlich sein. Was steht auf das Berauben eines Priesters ? Bestimmt mehr, als 2 Monate Kerker auf Bewährung. Diese Kaste hat gewöhnlich sehr viel Einfluss und weiss ihn auch ihrem Sinn nach auszunutzen.
    Es wird deutlich: Auch wenn es in der Stadt viele Geschehnisse gibt, die sich täglich zutragen, hier sind wir bei etwas dabei, dass spannend werden kann...

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