Weihnachten geht, der Wilde Westen kommt.

Weiter geht es mit "Jason Derringer: Der Pfad der Rache"

Klar, dass der Kampf um das Kloster nicht mit einem Kapitel zu bewältigen ist. Das Kapitel gibt zudem Einblicke in das Waffenwesen der damaligen Zeit. Far, far away von den Kult-Western der heutigen Zeit.

Ich hoffe, dass Ihr alle Weihnachten gut überstanden hat und viel Spaß mit der folgenden Episode aus "Jason Derringer: Der Pfad der Rache"!

Das letzte Kapitel verpasst? Ihr findet es hier.



Mit niedergeschlagenen Augen beobachtete Sarah die Frau Oberin, die gerade eine Papierpatrone von dem Tisch nahm. Auf dem zweckentfremdeten Möbelstück lagen die Teile, die sie brauchte, um ihre Waffen zu laden.

„Für das, was Du heute angestellt hast, Schwester, wird Dir Pater Miguel zehn Vater-Unser und genauso viele Gebete an die Jungfrau Maria zur Buße auferlegen.“

Um sie herum schossen die übrigen Nonnen aus den Schießscharten auf die Banditen, die das Feuer sofort erwiderten. Auch Juan feuerte mit seinem Gewehr, wobei er stets den Standort wechselte, um eine größere Anzahl Verteidiger vorzutäuschen.

Mit den Zähnen biss die Oberin das Papier auf und schüttelte das Pulver in der Papierhülle in den Lauf des Trappergewehrs. Es gehörte einmal alten Wolfjäger, der das kleine Hospital, das dem Kloster angeschlossen war, nach einem Sturz aufsuchte und an den Folgen starb.

Mit grimmigem Gesichtsausdruck drückte sie den Fetzen anschließend mit dem Ladestock fest. Dann suchte sie auf dem Tisch nach einer Kugel, einem Stück Baumwolle und rollte das Bleistück darin ein.

„Aber er stand direkt vor der Klappe. Und er war nicht alleine.“ Schwester Sarah füllte aus der Pulverflasche eine abgefüllte Menge in den Messbecher für ihr Schrotgewehr.

„Ich spreche nicht von dem Kerl, der eindringen und uns alle massakrieren wollte. Oder Gott weiß, was sie mit uns angestellt hätten.“

Die Oberin stopfte die Bleikugel in den Gewehrlauf und nutzte den Ladestock, um die Ladung fest vor das Pulver zu drücken. Dann füllte sie ein wenig Schwarzpulver in die kleine Pfanne vor dem Hahn und spannte ihn.

„Mach die Klappe auf, Schwester!“

Sarah gehorchte und zog den Kopf ein, als eine Revolverkugel der Banditen in das Holztor klatschte.

Die Oberin legte das Gewehr an, zielte und drückte ab. Gekonnt fing sie den Rückstoß ab.

„Daneben! Aber er hat den Luftzug gespürt. Klappe zu!“

Sarah gehorchte, nahm das Schrotgewehr und stopfte die Pulverladung noch einmal fest. Sie griff in eine Waschschüssel voller Nägel und Schrauben und füllte eine kleine Handvoll in den Trichter der Mündung.

„Da war keine Zeit, auf die Beine zu zielen.“ Die Schwester kämpfte mit den Tränen. Sie hatte einen Menschen getötet.

„Unsinn!“ Ihre Vorgesetzte griff eine weitere Papierpatrone und schaute die junge Frau an. Plötzlich wirkte sie sehr sanft. „Das meine ich nicht. Aber dass Du gegen meine Anweisungen, den drei Kerlen Schlafpulver in den Wein geschüttet hast. Das wird dem Pater nicht gefallen.“

Der Schusswechsel ebbte ab. Alle Beteiligten waren offenbar damit beschäftigt, ihre Waffen nachzuladen. Ihre Belagerer würden bald bemerken, wie lang die ungeübten Nonnen dafür brauchten.

„Entschuldigt Schwester Oberin. Können sie die Sichtklappe für mich öffnen.“ Sarah stopfte noch einmal nach und nahm das Gewehr an die Schulter. Schon jetzt fürchtete sie sich vor dem Rückstoß.

Dann legte sie den Lauf auf den Rand der geöffneten Klappe im Tor und suchte ein Ziel.

Die Banditen zogen sich schießend zurück. Sie erkannte zwei regungslose Körper vor der Mauer. Ihre Angreifer hatten Verluste erlitten. Hastig sprach sie ein Gebet für die Toten. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie einer der Männer die offene Luke bemerkte. Er hob seinen Revolver, zielte auf das Tor.

Sarah drückte ab, aber kein Schuss löste sich. Im selben Moment schoss ihr Gegner, doch das Geschoss schlug, ohne Schaden zu hinterlassen, in das Holztor. Schnell schloss die Oberin die Holzklappe.

„Kind. Du musst diese kleinen Dinger auf das Stückchen Metall stecken. Zündkapseln nannte sie Juan. Das ist ein Percussions-Gewehr. Da, gleich oberhalb des Abzugs. Da am Rand. Sonst kann das Pulver nicht gezündet werden.“

Erneut riss Oberin Augusta mit ihren Zähnen das Papier der Patrone auf und verzog das Gesicht, als sie etwas von dem Schießpulver auf die Lippen bekam. „Bäh. Fürchterlich. Und dann hast Du die bewusstlosen Männer durchsucht. Alles ohne meine Erlaubnis!“

Sara fummelte die kleine Kapsel an ihren Platz. Sie stellte das Gewehr mit dem Lauf nach unten ab, denn sie brauchte beide Hände, um den Hahn gegen die Federkraft zu spannen.

„Ich wollte alles über die Männer erfahren. Und ich hatte Glück. Die Klappe, bitte Schwester Oberin!“

„Dummes Kind. Schau, da sind Nägel und Schrauben rausgerollt. Du musst sie sorgfältger andrücken! Mit deiner ganzen Kraft!“

„Danke, Schwester!“ Sarah nahm ein paar Metallstücke und steckte sie in den Lauf. Diesmal stopfte sie so fest, dass ihr die Arme wehtaten.

Mittlerweile war ihre Vorgesetzte erneut schussbereit. „Die Klappe, Schwester!“

Sarah öffnete und Oberin Augusta bekam die Gelegenheit für einen neuen Schuss.

„Heilige Mutter Gottes. Wieder daneben. Klappe zu!“

„Erst bin ich dran.“ Die junge Nonne hob das Schrotgewehr, als eine Kugel durch die offene Luke hineinschoss und pfeifend als Querschläger im Hof weiterflog.

Da kniete der gleiche Kerl wie eben. Pulverdampf stieg von seinem Revolver auf. Sarah legte an, zielte auf seinen Oberkörper, aber nach dem Schuss stob eine Fontäne aus Dreck und Sand gut zwei Meter vor ihm auf. Die Nonne stöhnte vor Schmerz, als der Gewehrkolben auch diesmal schmerzhaft gegen ihre Schulter schlug.

„Das ist eine Nahkampfwaffe“, meinte die Oberin und schloss die Klappe. „Du musst höher zielen. Über ihre Köpfe.“ Erneut suchte sie nach einer Papierpatrone. „Falls Du den Pater gnädig stimmen möchtest, solltest Du Dir eine entsprechende Buße aussuchen. Eine lange Wallfahrt könnte helfen. Und beim Schießen den Kolben mit aller Gewalt gegen die Schulter drücken. Das hilft!“

„Aber wenn ich es nicht getan hätte, gehörte den Banditen bereits das Kloster.“ Sarah füllte Schießpulver in den Messbecher. „Und es war Gottes Wille, dass ich in der Tasche des Einen seinen eigenen Steckbrief fand. So wusste ich, dass wir keine Gesetzeshüter bewirteten. Walt Trepper heißt der Kerl. Wird gesucht in Arizona wegen eines Raubüberfalls.

Pulver in den Lauf und feste stopfen. Aber die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

„Pah. Gottes Wille. Was weiß so ein junges Kind vom Willen des Herrn.“ Auch Augusta stopfte Schießpulver und Papier in den Gewehrlauf. Sie hatte die Befehl über die Verteidigung etwas unwillig an Juan abgegeben. Doch sie musste einräumen, dass der Mexikaner geeigneter war, diese Aufgabe zu lösen. Sie bestand allerdings darauf, die Stellung am Tor zum Kloster selbst zu übernehmen.

Sarahs Waffe war wieder geladen. Langsam gewöhnte sie sich an die Handgriffe. Aber der Gedanke, dass jeder Schuss einen Menschen das Leben kosten könnte, ließ ihre Hand zittern.

"Seid Ihr so freundlich, Schwester Oberin", bat sie.

"Die Klappe? Aber natürlich!"

Sarah schob den Lauf ihres Gewehrs an den Rand der Luke. Diesmal gelang es ihr besser. Den Hahn zu spannen. Im Licht der aufgehenden Sonne suchte sie ein Ziel. Da kniete an der gleichen Stelle der Revolverschütze von eben. Er schien auf sie gewartet zu haben. Mit dem Revolver in der Hand visierte er ruhig auf die Öffnung im Tor, durch die die junge Schwester zielte.

Die Mahnung der Oberin schoss Sarah in den Kopf: "Das ist eine Nahkampfwaffe. Du musst höher zielen!"

Sie legte ihre Waffe so an, dass der Lauf etwa zwei Fingerbreit über den Hut ihres Gegners deutete. Danach hielt sie den Atem an, drückte den Kolben so fest sie konnte an die Schulter und zog den Abzug durch.

Beide schossen gleichzeitig. Die Revolverkugel traf den Rand der Luke, riss einige Handvoll Holzsplitter mit und taumelte als Querschläger weiter. Sarah sah noch, wie der Hut ihres Gegners wegflog und sein Besitzer zu Boden fiel. Dann wurde ihr schwarz vor Augen, den Schmerz des Rückschlags spürte sie nicht mehr.

***





Kommentare

  1. Ich hoffe, der Schwester Sarah ist nichts passiert, bis auf die Tatsache, dass sie sich des Treffers bewusst war..

    In diesem Kapitel tritt sie wieder deutlich hervor:
    Die Fähigkeit, auch im wildesten Getümmel eine Unterhaltung zu kreieren, die den Charakteren so passend auf den Leib geschrieben ist, dass man darauf wetten möchte, dass sie genauso stattfinden würde - oder in ähnlichen Situationen vielleicht auch stattgefunden hat. Bestimmt..
    Diese Unterhaltung zwischen der Oberin und Schwester Sarah ist derart gelungen, dass trotz des Schusswechsels, trotz aller Gefahren die den Nonnen und dem Kloster drohen, ein wichtiger Teil der Geschichte - das standhalten der Verteidigung, das Halten des Klosters, wie im Nu verfliegt.

    An anderer Stelle, nämlich im E&M-Universum, gab es schon ähnlich gelungene Dialoge.
    Hut ab, vor dieser Erzählkunst.

    Und wie geht es nun weiter ?
    Da kommen doch bald Indiander und ein seltsamer Kerl in Weiss.. dazu noch die zweite Hälfte der Ganoven, die auf dem Rückweg sicher davon ausgehen, im Kloster einen sicheren Unterschlupf zu finden...

    Die heutige fast heitere Erzählkunst dürfte wohl spätestens dann ein Ende haben..
    oder nicht ?
    Ich bin gespannt.. Es kann soviel passieren...

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