Die schlechteste Diebin: Im Labyrinth

Die Geschichte aus Thumberg um "die schlechteste Diebin der Stadt" kommt so langsam ins Finale. Wird Silgid es schaffen, ihren Lehrmeister aus dem Labyrinth zu befreien. Oder muss sie die Stadt verlassen und ihr Leben auf dem Land wiederaufnehmen?

Noch sind ihr die Wachen auf den Fersen, die sie für eine Prostituierte halten und ein Blitzstab, um die Wächter des Irrgartens in Schach zu halten, fehlt ihr immer noch. Und wie immer in solchen Geschichten drängt die Zeit!

Ihr habt den Anfang verpasst?

Der Start von "Thumberg: Die schlechteste Diebin der Stadt" findet Ihr hier. Die Folgekapitel da, dort und hier.

:-)

Viel Spaß!


Schnell verschloss sie die klapprige Holztür und schob den Riegel vor. Sie drückte mit dem Rücken dagegen, in der verzweifelten Hoffnung, damit die Wachen aufhalten zu können. Zu ihrer Überraschung ertönte zunächst ein eher zartes Klopfen.

„Edler Mussad. Seid ihr zuhause?“

Vermutlich fürchteten ihre Verfolger den Einfluss der Diebesgilde. Auch wenn ihr Lehrer immer weiter in der Rangfolge nach unten stürzte, so besaß er dennoch die Lizenz für einen anerkannten Beruf. Deshalb galten gewisse Regeln. Und für das Betreten der Wohnung eines Gildenmitglieds im Besonderen.

Aber nur, für den Fall, dass er zuhause war!

„Edler Mussad. Hört ihr mich?“

Silgid steckte in der Klemme. Obwohl die Wachen ahnten, dass sie ihr auf der Spur waren, durften sie die Kammer nicht betreten. Vorausgesetzt, ihr Besitzer befand sich da drinnen. Aber der wartete in diesem Moment auf seinen Tod im Labyrinth unter dem Tempel.

Das wussten die Ordnungshüter allerdings nicht, durchfuhr es seine Schülerin. Daher holte sie tief Luft und brummte mit der knarzigsten Stimme, die sie erzeugen konnte.

„Meine Herren. Was wollen sie um diese Zeit in meinen Gemächern?“

„Edler Herr, wir verfolgen eine Dirne, die unerlaubterweise ihren Beruf in den Gassen des Rosenviertels ausüben wollte.“

„Hierher?“

„Sie eilte die Stufen zu ihren Gemächern hinauf. Da sind wir uns sicher!“

„Schert euch weg. Was habe ich mit Dirnen zu tun!“

„Aber mein Herr ...!“

„Hört ihr nicht. Ihr dürft hier nicht sein!“

Leisea Gemurmel. Wortfetzen. Eine kleine Diskussion. Die Schritte entfernten sich. Silgid atmete auf. Das war geschafft.

Sie fluchte lautlos. Die Kerle kehrten zurück.

Ein sanftes Klopfen. „Edler Mussad! Seid Ihr es wirklich?“

„Was meint Ihr damit? Ich brauche meine Nachtruhe!“

„Es ist nur ...! Eure Stimme. Sie klingt anders.“

Silgid hustete rauh. „Ich bin erkältet. Verschwindet!“

Jetzt mischte sich die zweite Wache ein. „Wir meinen, da ist etwas. Etwas fehlt!“

„Was meint ihr? Lasst mich in Ruhe!“

„Sonst ist da immer so ein ...! Verzeiht. Es ist nur eine ganz natürliche Reaktion. Nichts Ehrenrühriges. Da ist nur so ein...! Wie soll ich es sagen. Nehmt es mir nicht übel.“

„Hör auf, drum rum zu reden!“ Das war wieder Stimmer Nummer Eins. „Ihr furzt bei jeder Gelegenheit. Wenn ihr morgens im Hafen ward, kann man es am Abend noch riechen! Und jetzt ist es so ruhig!“

„Na wartet“, dachte Silgid bei sich. „Das könnt ihr haben!“

Kurzentschlossen nahm sie einen der Töpfe mit dem Lhab-Brei, öffnete ihn und schüttete eine kleine Portion auf den Boden. Dabei imitierte die schlechteste Diebin der Stadt mit dem tiefsten Brummen, zu dem sie in der Lage war, einen der Fürze ihres Lehrers.

Das Ergebnis ähnelte allerdings mehr dem zarten Rülpsen eines Welpen. Aber das gab nicht den Ausschlag. Sofort verpestete der Gestank des gärenden Breis die Kammer. Er drang durch die Spalten und Ritzen der alten Holztür und erreichte die Wachen, die augenblicklich die Flucht ergriffen.

Der Geruch war unerträglich. Silgid besaß keine Fluchtmöglichkeit, und bevor sie das Bewusstsein verlor, galt ihr Gedanke ihrem Lehrer, der jetzt tief unter dem Tempel auf sein Ende wartete.

***

Mussad versuchte ein letztes Mal mit einem Sprung den Rand der Fallgrube zu erreichen. Wie bei ungezählten Versuchen zuvor, schaffte er es nicht, seine Finger auch nur annähernd an die Kante zu bringen. Enttäuschend tief darunter klatschten seine Fingerspitzen gegen die Mauer. Das Geräusch schien ihn zu verhöhnen. Doch es reichte nicht an die Demütigung heran, die von seinem größten Konkurrenten vor wenigen Stunden ausgegangen war. Begleitet von einem verbündeten Priester, dessen Blitzstab ihn vor angreifenden Egeln beschützte, erklärte er jedes Detail seines Plans. Und Mussad hatte sich wie ein Narr an einem Nasenring in diese Falle führen lassen.

Pashar schilderte in allen Einzelheiten, was die schleimigen Wächter des Labyrinths mit ihm anstellten, sobald sie ihn fanden. Er beschrieb sogar, wie er die ausgesaugte Hülle mit Stroh ausstopfen und in der Gildenhalle aufstellen wollte.

Am Ende erzählte er von dem Festmahl, dass er mit seinen besten Freunden in der „Roten Schlange“ anschließend feierte. Und dass er es mit dem Geld bezahlte, dass er von seinem Opfer für den falschen Plan erhalten hatte.

Wieder klatschte es in der Fallgrube. Doch diesmal war es nicht das Geräusch eines vergeblichen Sprungs, sondern der erste schleimige Wächter war in die Grube zu Mussad gefallen. Der Egel rieb seine Fühler aneinander, um seine Artgenossen herbeizurufen. Hier wartete eine hilflose Mahlzeit, meldete er mit einem Knarzen, so hoch, das es den Ohren seines Opfers schmerzte.

Der geschasste Dieb zog sich in die Ecke zurück, die von Neuankömmling am weitesten entfernt war. Aber es dauerte nicht lange, bis ein zweiter Körper hineinfiel. Das vordere, stumpfere Ende des Blutwurms öffnete sich und zeigte eine Reihe messerscharfer Zähne.

Während seiner Lehre bekam er im Archiv der Gilde die Gelegenheit, einen von Egeln getöteten und ausgesaugten Verbrecher näher zu begutachten. Die Lehrlinge sollten wissen, welche Strafe sie erwartete, falls sie sich nicht an die Regeln der Stadt hielten. Die Tiere bissen sich an einer beliebigen Stelle ihres Opfers fest, zerbissen die Haut mit den Blutgefäßen und saugten sich voll, bis ihr Hunger gestillt war. Dann ließen sie sich abfallen und machten Platz für den nächsten Artgenossen.

Ihr primitives Gehirn kannte nur zwei Ziele. Fressen und sich vermehren. Mussad brauchte aus diesem Grund nicht zu überlegen, welches Schicksal ihm zugedacht war. Es war an der Zeit Abschied zu nehmen. Von dem leckeren Essen in den Gasthäusern Thumbergs, dem Lachen der Freudenmädchen, seinen Studien und natürlich von Silgid, seinem Lehrling. Ein hoffnungsloser Fall, doch er ertappte sich dabei, dass er sie vermisste. Wie gut, dass sie den Test mit der Naht-Schlange nicht bestanden hatte. Sonst säße sie jetzt mit ihm in der Grube.

Klatsch! Ein weiterer Egel fiel hinein. Langsam aber zielstrebig machte er sich auf der Suche nach der versprochenen Beute. Seine Fühler zitterten leicht, als sie den Geruch des Menschen aufnahmen und anschließend aneinander rieben.

Mussad hielt die Fackel in seine Richtung, die Hitze der Flamme trieb seinen Angreifer zurück. Schnell preschte er vor und stieß die brennende Spitze in den geöffneten Zahnkranz. Schleim und Gewebe zischten, der Geruch des verbrannten Fleischs füllte die Fallgrube.

Doch erneut klatschte es im Rücken des verzweifelten Gefangenen. Neue Egel hatten ihr Opfer gefunden. Zu allem Unglück ließ die Stärke des Feuers an der Fackelspitze merklich nach. Schon viel zu lange brannte sie und spendete das einzige Licht im Labyrinth. Eigentlich wollte Mussad bereits um diese Zeit zurück in seinem Turm sein, um sich an dem erbeuteten Gold zu erfreuen.

Die Aufregung wirkte sich auf seinen Darm aus. Er spürte den Druck kommen und wusste, dass er ihn nicht aufhalten konnte. So ließ er der Natur ihren Lauf, doch mehr als ein fast klangloses, kaum duftendes Stöhnen gelang ihm nicht.

Klatsch machte es in seinem Rücken. Ein weiterer Egel hatte den Weg gefunden. Und dann klatschte es erneut. Diesmal fiel das Biest direkt vor seine Füße. Blitzschnell stieß er seine Fackel in den Kranz der Zähne, der sich augenblicklich öffnete. Als er sie herauszog, glimmte seine Spitze nur noch. Sofort wurde es dunkel in der Fallgrube.

Zu Mussad Ehrgeiz gehörte es, stets waffenlos auf seine Beutezüge zu gehen. „Sonst kannst Du gleich in die Gilde der Berufsmörder eintreten“, verkündete er seinen Schülern. Jetzt hätte er lieber ein Messer oder besser ein Schwert bei sich gehabt. „Eine weitere Fackel wäre ebenfalls hilfreich“, dachte er bei sich.

Hilflos ertrug er ein Klatschen nach dem anderen. Einmal streifte ein schleimiges Etwas sein Bein. Reflexartig trat er zu, traf einen weichen, nachgebenden Körper, der durch die Luft flog und hörbar gegen eine Wand der Grube prallte.

Dann zarte Bisse an einem Knie, wieder rettete ihn ein blitzschneller Tritt, allerdings hörte sich der Aufprall nicht so an, als ob er dem Egel damit ausgeschaltet hatte.

Lange würde er sich so nicht retten können. In Gedanken entschuldigte er sich bei Silgid. Sie war noch nicht reif genug für den Test mit der giftigen Natter. In seinem Inneren hatte er es gewusst, doch gehofft, sie könnte ihn auf seinem Beutezug begleiten.

So blieb ihr wenigstens der Tod durch die schleimigen Wächter des Labyrinths erspart.

Kommentare

  1. Die Zeit wird sehr knapp.
    Die Egel sind da, sie nehmen Kontakt auf, der erste knabbernde Biss ist erfolgt und Silgid liegt bewusstlos im Turm, weit davon entfernt, einen der Blitzstäbe auch nur gesehen zu haben.
    Gewiss, ihr Einfall, die Stimme zu verstellen und frech mit ihren Verfolgern zu sprechen ist genial und verwegen, aber es rettet sie nur vor einer ungerechtfertigten Strafe. Es bringt sie dem Ziel, ihren Meister zu retten nicht einen Meter weiter.
    Es wird also - sobald sie wieder wach ist - sehr, sehr schnell gehen müssen..

    Mussads Gedanken bestätigen es: Er mag die kleine Silgid.
    Genug, um sie zu vermissen, genug um sich einzugestehen, dass er den Test viel zu früh durchgeführt hat, genug um froh zu sein, dass sie ihn nicht bestanden und somit nicht bei ihm in der Grube ist.
    Wenn ihn doch nur seine Pfürze retten könnten..
    Ich bin gespannt, was da in der Grube und auf dem Weg zum Blitzstab noch passiert..

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das nächste Kapitel von "Eisen und Magie: Dämonenhand"

heute in "Eisen und Magie: Ewige Liebe" Ein Dieb wird zum Mörder