Neue Geschichten aus Thumberg!

Nach der "schlechtesten Diebin" Silgid taucht heute ein neuer Held auf. Sein Name lautet Pan Mochtgehrn. Eigentlich kein großer Kämpfer, eher Beamter. Aber gleich bei seinem ersten Auftritt hat er es mit dem "Ghoulkönig" zu tun.

Viel Spaß mit der ersten (kostenlos. wie auch die übrigen) Episode aus "Thumberg: Der Ghoulkönig"!






Leise, leise! Kieseln rascheln, knirschen. Gras stinkt. Nicht schlecht. Gras gut. Hilft. Schluckt das Geräusch nackter Füße und Kratzen horniger Zehen.

Auf ins Gras.

Es ist hoch, der Zweibeiner sieht dich nicht. Jedoch du kannst ihn riechen. Die Luft schmeckt nach ihm. Frisch. Blutig. So süß. Kein Schmerz hält dich auf. Aber beeil dich. Die Anderen folgen dir. Sie kennen dein Ziel. Denn du bist nicht der Einzige, der hier jagen darf.

***

Das alte Schwert, Erbstück seines Vaters, der es nach der großen Schlacht in den Kalkbergen erbeutete, fühlte sich, je weiter er zwischen die Grabsteine schlich, leichter an. Pan Mochtghern erfuhr nie, wie sein Erzeuger an das gute Stück gekommen war. Doch es hing seit seiner Jugend oberhalb des Kamins dessen Rauch die Schneide über die Jahre schwärzte. Mittlerweile glänzte der Überzug so fettig und ölig, dass das Metall wie bester, dunkler Stahl aus den Soro-Bergen aussah.

Aber er wusste es besser. Dank seinem ihm angeborenen Sinn für Pessimismus glaubte er, dass bei jedem Schritt eine kleine Portion Rost abblätterte. Irgendwann war es schließlich soweit. Die Schrauben lösten sich, bis die Klinge am Ende unbemerkt zu Boden fiel.

In seiner Umgebung raschelte das graue Gras, das zwischen den Gräbern wuchs. Täuschte ihn der Wind oder näherten sich dort die Gestalten, die er suchte.

Hoffentlich irrte er sich! Eine Brise zog vom benachbarten Ufer hinüber, kitzelte seine Wangen und vertrieb einen Moment lang den Geruch von Fäulnis und Verwesung.

Eine blöde Idee, ohne Begleiter im Dunkeln an diesen verrufenen Ort zu gehen. Wozu verfügte er über einen Leibwächter? Bittigh wirkte sehr gefährlich in seiner überschweren Rüstung, der mächtigen Streitaxt, seinem Helm unter gewaltigen Hörnern, die er angeblich einem Drachen abgenommen hatte. Zu dumm, dass er sich unterwegs verletzte. Andererseits fiel es auch schwer, mit dem ganzen Eisen am Körper die steile Treppe zu bewältigen. Ausgerechnet auf der letzten Stufe seinen Fuß zu verrenken. So ein Pech. Und nun schlich er alleine hier herum.

Mochtgehrn schnüffelte misstrauisch. Früher roch der Friedhof anders. Nach dunklem Stein, feuchtem Granit und den Weihrauchstäbchen, die zu Ehren der Verstorbenen an ihren Jahrestagen angezündet wurden. Und ein Windhauch vom Meer war mehr eine Erinnerung an die Welt außerhalb des umzäunten Areals. Heute half er immerhin, diesen widerwärtigen Geruch, der seine Kehle quälte, zu ertragen.

Noch einmal raschelte es im Gras. Nur kurz, eine Pause und dann erneut. Aber irgendwie strahlte das Geräusch nicht die Spontanität oder Zufälligkeit einer Brise aus. Wer auch immer es auslöste, er setzte es mit Bedacht und Absicht ein.

Knistern. Stille. Das leichte Reiben dürrer Halme aneinander. Und wieder Ruhe.

Pan Mochtghern spitze seine Ohren, versuchte seinen Ursprung zu lokalisieren. Je länger er lauschte, desto mehr verdichtete sich der Verdacht, dass sich dort jemand anschlich.

Höchste Zeit, den Friedhof zu verlassen. Es war eh keine gute Idee gewesen, diesen Ort alleine aufzusuchen. Aber was sollte er machen, die Vorgänge auf dem Friedhof lagen sehr weit oben auf seiner Prioritätenliste.

Alle Berichte über die unangenehmen, ja blutigen Ereignisse, die sich in den vorherigen Wochen häuften, stapelten sich auf seinem Schreibtisch wie ein kleiner Turm. An ihnen pappten wie eine Reihe bunter Wachsperlen die Siegel sämtlicher Ratsmitglieder. Daneben die Stempel der Wachoffiziere, der Gildenmeister und wer auch immer sich betroffen, jedoch nicht verantwortlich fühlte, dieser Sache nachzugehen. Jeder mit der Mahnung verknüpft, das Problem sofort zu erledigen und seinen Vollzug zu melden.

Allerdings viel es ihm schwer, seine Zuständigkeit für die Angelegenheit zu leugnen. „Sonderbeauftragter und geheimer Berater im Bezug auf die Sicherheit der Südmauer in Thumberg und der Angelegenheiten in unmittelbarer Nähe.“. Ein Titel, den er quasi in der Tombola gewonnen hatte. Die fünf besten Absolventen der königlichen Akademie durften in den Lostopf greifen. Und er hatte die Niete gezogen.

Sein Vorgänger war irgendwie, irgendwo in den Kerkern unterhalb der Wache gelandet. Niemand sprach darüber, aber Gerüchte flüsterten von persönlicher Bereicherung, ja Bestechung. Doch waren diese Phänomene nicht unüblich in der Stadt, kein Grund jemanden so tief unter der Erde praktisch zu begraben.

Allerdings machte man sich als Berater des für die allgemeine Sicherheit verantwortlichen Senators Bo de Koffel sehr schnell unbeliebt. Besonders dann, wenn die Anzahl der Siegel der Beschwerdeführer auf den Berichten wuchs und seinen eigentlichen Text mittlerweile überdeckte.

Und das Schreiben über blutige Zwischenfälle im Bereich der Südlichen Mauer war nur eins der Probleme, die in seinem Sektor für Arbeit sorgten.

Da stand immer noch das alte Katapult herum. Zu schwer, es wegzubringen. Versperrte dem Ehrenwerten Tolleg die Aussicht auf seine Lastkräne am gegenüberliegenden Kai. Doch die Hafenwache bestand auf das Ding, um die Südflanke des Hafens gegen Angriffe von See aus, zu sichern. Und Hauptmann Volkenstein, zukünftiger Schwiegersohn des zweiten Bürgermeisters, forderte mit Nachdruck die Präsenz der antiken Waffe, die ihren letzten Schuss vermutlich vor seiner Geburt abgefeuert hatte.

Auf der Beschwerdeliste stand ebenfalls das illegal errichtete Lagerhaus am Rand des Friedhofs. Mit großer Wahrscheinlichkeit ein Schmugglernest, aber im Besitz des Schwagers des Bruders des dritten Senatsvorsitzenden. Theo Dickbacke oder so ähnlich. Wie immer der auch hieß. Die Namen wechselten in jüngster Zeit so häufig, dass er die Übersicht verlor. Dennoch, eine heikle Angelegenheit.

Und damit waren seine Probleme nicht aufgezählt. Eine neue Sekte breitete sich in den Gassen des Südteils aus. Die Leute wollten auf keinen Fall Fleisch essen und durchsuchten in organisierten Gruppen den Müll nach Verwertbarem.

Dann die Berichte über Risse der Südmauer in der Befestigung am Hafen. Wohl noch Spätfolgen der Belagerung vor fünf Jahren. Irgendwie musste er Geld für die Reparaturen auftreiben. Doch die Schäden an den anderen Mauern schrien ebenfalls nach Geldmitteln. Und die verantwortlichen Berater für den Norden, Westen und Osten der Stadt übten ihr Amt schon wesentlich länger aus als er. Seine Kollegen besaßen mehr Beziehungen in dem sich stetig ändernden Geflecht wechselnder Interessen und Verpflichtungen, die die Stadtverwaltung prägten. Geldmittel aufzutreiben schien im Moment die vorrangigste Aufgabe eines Sicherheitsbeauftragten zu sein.

Dagegen sollte diese Untersuchung hinsichtlich verstörender Aktivitäten nahe dem südlichen Friedhof der leichteste Teil sein. Aber wenn er die Signale der kleinen Haare entlang seiner Wirbelsäule richtig deutete, gab es wohl Schwierigkeiten heil aus der Sache herauszukommen. Irgendetwas schlich, kroch und spähte in dem hohen Gras, das rechts und links des Kieswegs zwischen Grabstätten und Südtor wuchs.

In dem Augenblick, in dem sich die Rückenhaare plötzlich senkrecht aufstellten, zerrte er das Schwert von der Schulter und drehte sich um. Der Hunger auf frisches Fleisch hatte den Ghoul aus seinem Versteck geholt. Der bleiche Körper sprang mit erstaunlich weiten Sprüngen auf ihn zu. Schwarze Augen in einem weißen Gesicht, das ein bis zu den Ohren reichendes Maul teilte. Dazu kam eine Zielstrebigkeit, die im direkten Gegensatz zu seiner eigenen Entschlossenheit stand.

Zahnreihen, die Pan am Hafen schon einmal bei einem toten Hai gesehen hatte. Aber der Ausdruck von Gier in der Mimik des Leichenfressers alarmierte ihn. Mochteghern schwang die lange Schneide mit aller Kraft zwischen sich und dem Angreifer. Der Schwung riss ihn einen halben Schritt nach vorne. Gleichzeitig lösten sich die verrosteten Bolzen, die die Schwertklinge am Griffstücke hielten. Ein kurzer Knall hallte über den Friedhof, als das abgesprungene Schwertblatt davonflog und sich in den unergründlichen Schatten der Grabreihen verlor.

***






Kommentare

  1. Man hätte ihm gewünscht, dass die Schneide in Richtung des Ghouls, in seinen Leib fliegt...
    So klingt es ziemlich endgültig, das das Ableben des Mannes angeht.

    Ghoule also.
    Neues aus Thumberg und es geht um Politik, Schmiergelder, Beziehungstaten und.. Ghoule.

    Ein schöner einstieg und man ist geneigt, dem armen Kerl doch gerne noch mal zu begenen.
    Wozu eine bewaffnete Eskorte, wenn sie auf halbem Wege umkehrt ? Verletzungspech. Es hätte es daraufhin auf einen anderen Tag legen sollen, das Abenteuer.
    Schrecklich bekannt kommen mir die täglichen Probleme des Beamten vor. Hi und hergerissen, zwischen Forderungen, deren Befolgung anderen Ortes wieder zu Missmut führen würden, weil man dort ebenso sehr Vorgesetzter ist, wie auf der Seite der Fordernden.
    Weltgeschehen in Thumberg - wer hätte das gedacht ?
    Ich bin gespannt, wie es weitergeht..
    Ich bleibe am Ghoul nein.. Ball.. ich bleibe natürlich am Ball..

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