Einladung in den Sumpf von Lorden! Das dritte Kapitel.

Nach einer kleinen Pause könnt Ihr hier im dritten Kapitel von "Eisen und Magie: Im Sumpf von Lorden" die nächsten Erlebnisse unserer Protagonisten verfolgen. Eigentlich fehlt, wie der aufmerksame Leser bemerkt hat, der Gegner, der unsere Helden herausfordert.
Von den Rebellen war bisher nicht viel zu lesen.

Soviel sei verraten: Es gibt ihn nicht. Oder besser noch: Er lebt in jedem unserer Personen und wartet darauf, hervorzutreten und die Geschicke zu übernehmen. Wir werden zusammen erleben, welche Seite unserer Helden die Oberhand gewinnt.

Viel Spaß mit dem dritten Kapitel aus "Eisen und Magie: Im Sumpf von Lorden"!

Die ersten Kapitel verpasst. Ihr findet sie dort:
Kapitel 1: hier
Kapitel 2: hier



Eisen und Magie:

Im Sumpf
von
Lorden

von Peter H. Brendt

Ralph schleppte sich durch den Schlamm. Ein Schritt nach dem anderen. Es kostete jedes Mal mehr Willenskraft, den Fuß aus dem Sog des Sumpfs herauszuziehen und weiterzugehen. Zu ihrem Glück reflektierte der Himmel die Feuer in ihrem Heerlager, so dass es keine Schwierigkeiten gab, die richtige Richtung zu halten.

Sein Gesicht glühte. Einmal vor Anstrengung, aber auch durch die unzähligen Beulen. Andenken an die Attacken zahlreicher Mücken. Schonlange hatte er es aufgegeben, die Plagegeister wegzuschlagen. Er brauchte alle Kraft, um ihr Ziel zu erreichen.

Der junge Ritter wagte es nicht, stehenzubleiben, um sich auszuruhen. Er fürchtete, dass ihm danach die Energie für den nächsten Schritt fehlte. Und die Zeit drängte. Sie mussten im Lager ankommen, bevor die Schlacht gegen die Rebellen begann.

Hinter ihm stöhnte von Gaya. Für ihn dürfte es in der schweren Stahlrüstung noch schwieriger sein, durch den Sumpf zu marschieren. «Jemand hat die Flasche Goldwasser zertreten». Das waren die letzten vernünftigen Worte, die er sagte, als sie von der Sandinsel aufbrachen. Seitdem begleiteten nur seine Flüche und Verwünschungen ihren traurigen Marsch.

Ralph wusste nicht mehr zu sagen, wie lange sie durch den klebrigen Morast keuchten, bis sie in die Nähe des Lagers kamen. Er bemerkte es erst, als ihn plötzlich aus der Dunkelheit eine laute Männerstimme anrief: «Wer da! Parole!»

Verdammt, jetzt hatte er vergessen, mit welchem Erkennungssatz sie ihren Status als Verbündete bewiesen. Er wollte sich bereits zu seinem Kameraden umdrehen, um ihn zu fragen, da hörte er einen Wachposten erneut rufen.

«Alles in Ordnung. Ich erkenne sie. Es sind die Trottel, denen im Sumpf ihre Pferde weggekommen sind!»

Bei den Göttern! Das hieß: Jeder im Lager wusste Bescheid!

Als die beiden Ritter mühsam durch die Zeltreihen schlichen, hörte Ralph aus den Ecken und Zelten Kichern und leises Gelächter. Es begleitete das Klirren der Waffen und Knirschen des Leders, als sich die Soldaten für die kommende Schlacht am Morgen vorbereiteten. Zumindest waren sie noch rechtzeitig eingetroffen.

Der junge Mann ballte die Fäuste. Er beschloss, im nächsten Gefecht heldenhaft zu kämpfen und zu sterben. Er konnte den übrigen Rittern oder seiner Familie nach dieser Schmach nie mehr in die Augen schauen. Nur der Tod war in der Lage, ihn von der erlittenen Schande erlösen.

Unschlüssig blieb er vor dem Zelt stehen, dass er mit anderen Kameraden und von Gaya teilte. Was sollte er jetzt machen? Waffe und Pferd bleiben im Sumpf zurück.. Er musste froh sein, wenn er von irgendwo einen Spieß oder ein altes Schwert bekam und einen Platz bei den Fußsoldaten fand.

Aus dem Dunkel schälte sich ein kleiner Trupp, leichter Reiter. Nicht mehr als ein Dutzend müder Krieger. Ihre unterschiedliche Rüstung und Ausstattung zeigte ihm, dass sie zu den Resten an Menschenmaterial gehörten, dass der General für den entscheidenden Kampf zusammenklaubte. Zu seiner Überraschung ritt an der Spitze eine wohlbekannte Gestalt.

«Saltha! Wo kommt ihr her?»

Die Offizierin trieb ihr Pferd an Ralph heran. So nah, dass er einen Schritt zurückwich. Dennoch sah der junge Soldat die dünnen Goldfäden an ihren Stiefeln. Nun wusste er, wer die Flasche Schnaps auf der Insel zertreten hatte.

«Viel interessanter, was der Schlamm in unser Lager gespuckt hat», entgegnete sie.

Jetzt mischte sich Ritter von Gaya ein. «Das ist euer Pferd. Wie kommt ihr an das Tier. Meins ist ...» In dem Augenblick erkannte auch er die Wahrheit.

«Als ich von dem Spähtrupp zurückkehrte», erklärte Saltha, «fand ich zwei betrunkene, schlafende Soldaten vor. Ohne Probleme gelang es mir, unsere Reittiere loszubinden und sie ins sichere Lager zu bringen.»

Dann beugte sie sich weit vor, ihre Stimme trug über den ganze Platz, der plötzlich leise wie ein Grab geworden war. «Die Pferde schienen mir kostbarer zu sein, als ihr vollgesoffenen Idioten. Bis zum Rand mit Branntwein gefüllt, dass ihr es vermutlich nicht geschafft hättet, in den Sattel zu steigen. Ich kenne Söldnertruppen, da wärt ihr mit abgeschnittenen Eiern aufgewacht. Seid froh, dass wir jeden Mann brauchen. Selbst solche Grünschnäbel!»

Die dünnen roten Linien in ihrem Gesicht leuchteten in der Nacht. Aus ihren Augen strahlte Hass. «Ihr findet die Gäule am Ende des Reitertrupps. Mit euren Waffen und der Ausrüstung. Ihr reitet mit uns. Der General wollte euch hängen sehen.» Sie wies auf eine abgestorbene Eiche in der Nähe des Lagers. Trotz der Dunkelheit konnten sie die beiden toten Körper erkennen. Soldaten, die beschlossen hatten, vor der Übermacht und dem Tod in der Schlacht zu fliehen. Ihre Flucht misslang und nun zahlten sie den Preis dafür. Einzelne Krähen holten sich bereits ein spätes Abendessen und stritten krächzend um kleine Fleischbrocken. «Mit Rücksicht auf eure Familien hat er darauf verzichtet. Aber ich gebe euch einen guten Rat. Kämpft tapfer und sterbt auf dem Schlachtfeld. Anders könnt ihr die Schande nicht tilgen!» Dann führte sie ihre Leute in den Sumpf.

Ralph wartete mit hängendem Kopf, wie der Trupp an ihm vorbei ritt. An ihrem Ende hielten zwei Reiter die Pferde der jungen Soldaten. Er zögerte keinen Wimpernschlag lang, sondern stieg sofort in den Sattel. In seinem Rücken hörte er von Gaya stöhnen, als er mit steifen Gliedern aufstieg.

Sahlta führte sie zurück auf die kleine Sandinsel, auf der er heute so versagte. Sogar die zerbrochene Tonflasche lag noch da. Als niemand hinschaute, schob er sie unauffällig mit dem Fuß unter einen Stein. Aber er fühlte sich danach nicht besser.

Im Gegensatz zu ihm schien von Gaya die Sache leichter zu sehen. Als Ralph nach seinem Pferd sah, kam er dazu, zwinkerte ihm und flüsterte: «Da hat uns die Ziege ja schön auflaufen lassen. Ich wette, das hat sie mit Absicht so gemacht. Statt uns zu wecken, lässt sie uns hilflos zurück.» Er zog den jungen Ritter beiseite. «Ich kenne solche Leute. Um sich selber oben besser zu verkaufen, machen sie andere nieder. Und wir waren diesmal das Opfer.» Er schlug eine Faust aufmunternd auf die Schulter des Kameraden. «Ich verrate dir was. Eigentlich hatte ich mit dem General abgesprochen, dass ich diesen entscheidenden Angriff in die gegnerische Flanke anführe. So wie es meiner Familie zusteht. Aber ihr Stecher, der Hauptmann, plant, dass Saltha den ganzen Ruhm erntet. So hat sie die Gelegenheit genutzt, uns vor den Soldaten niederzumachen. Tut mir leid, dass du da mit hineingezogen worden bist.»

Von Gaya schaute sich verstohlen um, doch die übrigen Männer schienen mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Ihre Anführerin stand neben ihrem Pferd und flüsterte ihm irgendwas ins Ohr. Die Worte gefielen dem Tier, denn es knabberte verspielt an den wenigen Lederfransen, die die abgetragene Uniform der Offizierin schmückten.

«Hör zu!» Sein Mitstreiter drehte ihn an der Schulter von der Szene weg. «Noch ist die Sache nicht verloren! Niemand kennt ihren Rang oder ihre Herkunft. Wer weiß schon, wo diese Schlampe herkommt. Mir steht die Führung des Unternehmens zu. Deine Familie ist nicht so alt und wohlhabend wie die meine. Aber du bist mein Stellvertreter. Keine Frage. Der Rest ist hergelaufenes Gesindel! Schau sie dir an. Zerlumpt. Verdreckt. Aus allen Ecken des Landes zusammengezogen. Der Bodensatz. Sie werden sich wohl kaum gegen uns stellen. Wir übernehmen das Kommando und setzen Saltha ab. Wir führen den entscheidenden Schlag, retten dem General den Sieg und niemand wird jemals wieder von dem kleinen Abenteuer gestern reden.»

Ralph schmeckte Galle, so sehr widerte ihn das Verhalten des Ritters an. Er drehte ihm abrupt den Rücken zu. Morgen stand ihm sein erster Kampf bevor. Da wollte er die Nacht davor nicht mit so einem niederträchtigen Kerl verbringen.

Unterschiedliche Gefühle kämpften miteinander. Da war Stolz, Scham, Freude, aber auch jämmerliche Angst. Der Geruch des Sumpfs um die kleine Insel herum erinnerte ihn an Tod und Verwesung. Vor dem Auge tauchte das Bild der hungrigen Krähen auf, die auf dem Galgenbaum im Lager um Menschenfleisch zankten. Schnell warf er einen Blick auf den Sattel. Erleichterung durchflutete ihn. Der verbeulte Topfhelm hing noch dort.

Für einen Augenblick scharrte er unschlüssig mit den Füßen, dann ballte er die Fäuste und nahm allen Mut zusammen. Niemand auf der Insel beachtete ihn. Von Gaya erforschte hektisch die Satteltaschen. Vermutlich suchte er nach weiterem Branntwein.

Für einen Moment zögerte der junge Ritter. Wie sollte er die Sache angehen? Unterwürfigkeit würde ihre Verachtung wecken. Zu forsches Auftreten ihre Wut. Am Ende schlich er leise zu der Offizierin und sprach sie mit gesenktem Haupt an, ohne dabei die Augen von ihr zu lassen.

«Nehmt ihr eine Entschuldigung an», flüsterte er.

«Sterbt gut, dann seid ihr entschuldigt!»

«Das werde ich. Vielleicht morgen. Aber dieser Tag wird mir eine Lehre sein.»

Saltha schaute ihn amüsiert an. «Ihr sucht einen Gesprächspartner vor der Schlacht? Der Edle von Gaya ist nicht gut genug? Dann kümmert euch um euer Pferd. Ihr werdet in der Frühe zusammen kämpfen und sterben! Es trägt keine Schuld an eurer Feigheit!»

Ralph wollte ohne ein Wort weggehen, aber der Ärger packte ihn. «Habt ihr nie Fehler gemacht? In diesem Fall bitte ich um Entschuldigung. Doch ich nehme den Rat an. Das arme Tier verdiente ein Gnadenbrot auf einer saftigen Weide.» Er drehte sich um und ging zu seinem Reittier.

Das Pferd schien trotz der kurzen Zeit Freundschaft mit von Gayas Ross geschlossen zu haben. Beide beknabberten gegenseitig den Rücken und machten nicht den Eindruck, als ob die bevorstehende Schlacht sie beunruhigte. Sie begrüßten ihn, bettelten mit leisem Prusten um einen Leckerbissen. Traurig stellte der Junge fest, dass er nach seinem Fehler versäumte, etwas Fressbares mitzunehmen.

Ralph warf einen hilfesuchenden Blick auf von Gaya, aber der lag schnarchend unter einem dürren Strauch. Müde und niedergeschlagen senkte er den Kopf. Eine Mütze Schlaf würde auch ihm guttun. Sie erwartete ein harter Tag.

Da traf ihn etwas am Hinterkopf. Er wirbelte herum, doch da war nur Saltha, die auf den Boden vor ihm deutete. Dort lag eine Karotte. «Nehmt sie. Ihr habt nur noch diesen Gaul als Freund.»

Ralph von Mosel brauchte einen kurzen Moment, dann schluckte er und überwand seinen Stolz. Die Offizierin drehte ihm bereits den Rücken zu und überprüfte ihr Sattelzeug. Der junge Ritter hob die Futtermöhre auf, teilte sie und verfütterte sie an beide Tiere. Er kraulte zärtlich den Widerrist des eigenen Pferdes an einer Stelle, die es liebte und legte sich auf den nackten Boden.

Kurz bevor er einschlief, kam ihm ein neuer Gedanke. Saltha führte nur ein Dutzend leichter Reiter in die Schlacht. Wie sollte so ein schwacher Trupp einen entscheidenden Schlag gegen eine Formation gepanzerter Lanzenreiter führen? Die Frage quälte ihn nur wenige Atemzüge, dann forderten die Strapazen des Tages ihren Preis. Er schlief tief und traumlos ein.

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