Es geht los: Ein neuer Kurzroman von "Eisen und Magie:"!

Heute startet "Eisen und Magie: Der Krähenbaum" mit dem ersten Kapitel. Sie knüpft locker an die Folge "Das Turnier" an. Aber wer zwischen den Zeilen lesen kann, wird feststellen, dass da einiges passiert sein muss. Vermutlich kommen wir bei anderer Gelegenheit darauf zu sprechen.

Was folgt als Nächstes: Nun, zunächst mal weitere Kapitel aus diesem Kurzroman, dann sind zur Zeit zwei weitere Kurzgeschichten in Arbeit: "Der Dieb, der sich verrechnete" (ein Fantasyroman) und "Der Zug der Toten" (eher ein Abenteuer für jugendliche Leser bzw. Junggebliebene. :-)

Schaun' mer mal, wer das Rennen macht.

Und nun viel Spaß mit "Eisen und Magie: Der Krähenbaum"!




Eisen und Magie:


Der Krähenbaum


von Peter H. Brendt
Mit geübtem Griff ihrer Krallen fand die Krähe Halt auf der aufgeschlitzte Wange des aufgehängten Söldners, der zweimannhoch an einem Ast baumelte. Der Vogel inspizierte neugierig die leere Augenhöhle, ob sich modernde Reste seiner Lieblingsspeise darin befanden. Doch sie und die übrigen Mitglieder des Krähenschwarms hatten ganze Arbeit geleistet.

Die Krähe wusste von früheren Besuchen an diesen Ort, dass auch in den Augen der beiden anderen Hingerichteten keine, noch so winzigen Überreste der Gallertmasse warteten, die sie so sehr schätzte. Daher beschloss der Aasvogel, weiter im Gesicht des Toten zu fressen. Den Rest des Körpers schützte im Augenblick die einfache Leinenkleidung vor scharfen Schnäbeln. Aber der Vogel kannte genug Stellen an der Leiche, wo er Zugang zu neuer Nahrung fand. Bald rissen außerdem Wind und Wetter das Leinen auf und gaben den Weg zu zusätzlichen Fraßstellen frei. Was widerstand, überwanden rasch gierige Schnäbel und spitze Krallen. Sie sorgten dafür, dass sich der Schwarm die nächsten Tage hier sattfressen konnte.

So war es immer an diesem Ort gewesen, seitdem der beschränkte Geist des Vogels zurückdachte. Und Zukunft existierte für ihn nicht.

Das Geräusch herankommender Reiter unterbrach ihr grausiges Mahl. Begleitet von dem Stöhnen und Protesten eines Ochsenpaars, die mürrisch einen mit Leinwand bespannten Karren vorwärts zerrten. Die Tiere brüllten, aber ihr Lenker, ein junger Mönch, dirigierte sie mit eiserner Faust in die feuchte Mulde unter dem Totenbaum. Hier zog er die Zügel so plötzlich und hart an, dass die Frau auf dem Sitzbock neben ihm beinahe herunterstürzte. Im letzten Moment fand sie ihr Gleichgewicht wieder. Schützend legte sie eine Hand über das kleine Bündel, dass sie vor der Brust trug.

Die Krähe besaß genug Intelligenz, um mit einfachen Zahlen umzugehen. Aber die Anzahl der Reiter zu zählen, auch wenn es nur ein knappes Dutzend war, überstieg die Fähigkeiten des Vogelhirns. Dazu kamen das Scheppern der Rüstungen, das Schimmern der Waffen und die Proteste der Zug- und Reittiere. Der Aasvogel beschloss, später zurückzukehren. Er beobachtete eine größere Staubwolke am Horizont. Vielleicht gab es dort etwas zu fressen.

***

Der Anführer der Reiter, ein junger Ritter, musterte die Mulde. Angewidert von dem Geruch von Aas und Verwesung rümpfte er die Nase. Seine Rüstung wirkte wie die der übrigen Männer mitgenommen, die Pferde ließen müde die Köpfe hängen, dankbar für die Rast.

«Sirg! Zurück auf den Weg. Den Hohlweg lang bis auf die Anhöhe. Schau nach! Und warne uns, wenn sie kommen. Eine kurze Pause für alle. Wir müssen so schnell wie möglich hier weg!»

Dann ritt er zu dem Karren. «Sheen. Ich schätze eure Fähigkeiten. Doch ich führe hier das Kommando. Und ich gebe den Befehl zum Halten!»

«Meine Fähigkeiten, was das Lenken eines Ochsenkarrens betrifft, sind sehr beschränkt, Herr Weyn von Mark.» Der junge Mönch senkte den Kopf. «Besonders bei so störrischen Viechern. Ich verlor die Kontrolle über den Wagen und befürchtete, dass er umkippte.» Er wies auf das Bündel, in dem schwache Bewegungen zu erkennen waren. Bald klang daraus ein hungriges Wimmern. «Ich fürchtete um die Sicherheit des Kindes.»

Der Ritter fixierte ihn mit einem bösen Blick. Er ballte für einen Moment die Fäuste, dann wurden seine Gesichtszüge weicher. «Verzeiht Sheen. Ihr habt Recht. Wie so häufig. Eine kurze Rast wird uns allen guttun. Hetters Schergen sind nah. Keine zwei Stunden und sie haben uns. Wir müssen das Mädchen zur Fähre über den Konth bringen. In Graf Benngens Reich ist es vor den mörderischen Klauen sicher. Dorthin wird er uns nicht verfolgen. Ein Krieg wäre die Folge.»

«Bitte!» Die Frau, eine müde aussehende dralle Bäuerin, unterbrach die beiden Männer. «Der junge Herr ist hungrig. Er braucht meine Dienste.»

Weyn von Mark schaute verlegen. «Erledigt das! Was immer dazu nötig ist, macht es schnell. Sonst war es die letzte Mahlzeit eures Schützlings!»

Die Amme stieg vom Karren und drehte sich um, um das Baby zu stillen. Der Mönch kletterte ebenfalls herunter und untersuchte die Beine der Ochsen. «Sie werden durchhalten. Aber vorher brauchen sie eine Rast. Wie wir alle!»

Der Ritter wollte antworten, doch der Ruf des Postens unterbrach ihn. «Drei Reiter! Auf unserer Spur. Leichte Kavallerie. Eher Scouts. Mit der Standarte eines Unterhändlers! »

«Verdammt! So nah!» Er gab seinen Männern ein Zeichen. Sie stiegen von ihren Reittieren und machten sich bereit, um zu kämpfen. Der Mönch suchte Deckung hinter dem Ochsenkarren. Er fingerte an einem Amulett, das er am Hals trug. Weyn von Mark sah die Geste und winkte ab. «Sheen! Wartet ab. Wir brauchen eure Fähigkeiten vielleicht noch. Es heißt, dass mit Hetters Soldaten ein Kampfmagier reitet. Ein erfahrener Magier. Er beherrscht die Kunst Blitze zu schleudern. Während der Belagerung der Burg am Drachsee brachte er die Entscheidung. Sie erzählen, dass er das Stadttor allein zerschmetterte. Ihn auszuschalten wird deine Aufgabe sein. Also halte deine Kräfte zurück! Ich weiß nicht genau, was die drei Reiter vorhaben. Zu wenig, um uns aufzuhalten. Unterhändler? Könnte ich mir vorstellen. Immerhin tragen sie eine entsprechende Standarte. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was es zu verhandeln gibt.»

***

Der Galgenbaum, an dem sie rasteten, lag in einer Mulde. Ein langer Hohlweg, an den Seiten mit kleinen Bäumen und Büschen bepflanzt, führte von der Straße dorthin. Sie boten einen guten Schutz vor ihren Verfolgern, zumal vor ihrem Versteck eine Kurve lag, die zusätzlichen Sichtschutz schenkte.

Der Schlamm auf dem Weg zwang die drei Neuankömmlinge die Pferde zu zügeln und das Tempo zu reduzieren. In ihren Mienen konnte Ritter Weyn Überraschung lesen. Vermutlich hatten sie den kleinen Trupp noch nicht erwartet. Ein schlechtes Zeichen, wie er feststellte.

Es hieß, dass sie keineswegs weit genug gekommen waren. «Verdammter Ochsenkarren», fluchte er lautlos. Aber die Amme weigerte sich hartnäckig, auf ein Pferd zu steigen. Und ohne die Frau besaßen sie nicht den Hauch einer Chance, das Baby in Sicherheit zu bringen.

Die Männer um ihn herum standen kampfbereit, auch wenn die drei Reiter, die die Uniform Hetters trugen, keine echte Gefahr bedeuteten. Er fürchtete mehr die Nachrichten, die sie brachten. Den Anführer erkannte er sofort. Baron Erht folgte gern der Flagge, die am Meisten Gewinn versprach. Dabei kannte er nie Skrupel, um seine Ziele zu erreichen.

Dennoch begrüßte er ihn höflich. Wie es sich unter Rittern gehörte. Doch dem aufmerksamen Beobachter entging nicht, dass beide Parteien, trotz der Standarte, eine Hand am Schwertknauf hielten.

Weyn von Mark begann das Gespräch. «Ich grüße Euch! Lassen wir unnötige Floskeln. Uns fehlt die Zeit. Ihr wollt verhandeln?»

Der Baron verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. «Mein Herr plant, Blutvergießen zu vermeiden. Ihr seid eine der besten Männer des Landes. Er möchte ungern auf eure Dienste verzichten. Denn das der Tag euer Ende bringt, wenn Ihr den verräterischen Plan weiter verfolgt, das Kind des Verräters über den Grenzfluss zu verschleppen, darauf könnt Ihr Euch verlassen.»

«Ich bin ein Ritter. Als ich das Schwert annahm, wusste ich, dass ich durch eine Klinge sterben würde. Es ist eine gute Sache, einen Säugling vor einer Mörderhand in Sicherheit zu bringen.»

«Mörderhand? Meint Ihr meinen Herrn. Für diese Beleidigung könnte er Euch zum Tode verurteilen. Aber er wird es nie erfahren. Das verspreche ich. Hört sein Angebot! Ihr werdet es für vorteilhaft einschätzen. Eure Klugheit ist bekannt!»

In selben Augenblick ritt der Wachposten, der die Umgebung im Auge hielt, heran. Ohne auf den drohenden Blick des Barons zu achten, dessen Miene verriet, wie er die Störung durch einen gemeinen Soldaten verabscheute, beugte er sich zu von Mark und flüsterte: «Am Horizont ist eine Staubwolke zu sehen. Es kommen Reiter. Eine große Anzahl. Weitere Verfolger! Der Haupttrupp, denke ich!»

Weyn nickte zum Zeichen, dass er verstand. Auch Erht wusste, welche Nachricht der Wachposten brachte. «Hört Euch den Vorschlag an! Mein Herr verspricht eurer Familie Reichtümer. Gold, das es dringend braucht. Jeder kennt die Situation. Die Schulden. Den Streit mit den „von Braggens“. All das ist Vergangenheit, wenn Ihr das Kind ausliefert!»

Weyn gab den Reitern ein Zeichen, sich auf den Aufbruch vorzubereiten. Doch der Baron hielt ihn mit einer plötzlichen Geste am Zügel fest. «Wartet!»




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