Der Wochenstart: Eine neue Geschichte aus der Welt von "Eisen und Magie:"

Es ist wieder einmal so weit. Nach dem Ende von "Der Krähenbaum" geht es ab heute weiter mit einer neuen Geschichte aus der Welt von "Eisen und Magie".

In "Der Dieb, der sich verzählte" könnt Ihr die Abenteuer von Khen, einem ehrgeizigen Meisterdieb verfolgen. Unter Umständen, die ein höflicher Geist lieber verschweigt, und daher auch nicht Bestandteil der Episode sind, gelangte er in den Besitz einer Schatzkarte, die ihn zu einem legendären Schatz führen soll.

Doch der Weg dorthin ist mit Gefahren gepflastert. Auch wenn man eigentlich nur bis Vier zählen braucht!

Viel Spaß mit dem neusten Kurzroman aus der Fantasy-Serie: "Eisen und Magie: Der Dieb, der sich verzählte"! Werde ein Mitglied der Freunde der epischen Serie und lies auch in der kommende Woche neue Kapitel hier auf http://peterbrendt.blogspot.de/.


Eisen und Magie:

Der Dieb, der sich verzählte


von Peter H. Brendt 

Khen, genannt «Der Finger», spielte in Gedanken verloren mit der seltenen Münze, die an einer unzerreißbaren Schnur aus Drachenleder um seinen Hals hing. Jedenfalls hatte der Händler bei allen Göttern geschworen, dass sie aus solcher Art Leder bestand. Bei keinem der zahlreichen Diebeszüge der letzten Jahre gab es jedoch jemals Veranlassung, an diesen Worten zu zweifeln. Ob in den Feuergruben von Lakosh oder in den Sümpfen des Grauwaldes, stets hielt er den Glücksbringer so, dass er genau über dem Brustbein baumelte. Nie war er zerrissen, am Spiegelturm von Teteh vertraute er ihm das Leben an.

Das gleiche galt für das Geldstück, durch das die Schnur in einem viereckigen Loch gezogen war. «Sicher, es ist kein Gold oder Silber.» Khen klangen die Worte des Händlers wie heute im Ohr. «Doch es stammt aus der versunkenen Stadt Ghmen. Den Bewohnern neidete ein grausamer Meeresgott ihren Reichtum und ihre Klugheit, so dass er sie in sein unterirdisches Reich holte. Noch immer ist sie mit den Gedanken und Wissen des untergegangenen Volkes verbunden. Sie bringt Euch Glück und sorgt dafür, dass ihr in einem kritischen Moment die richtige Lösung findet.» Ein Versprechen, das sie bis zu diesem Tag eingehalten hatte. Nicht umsonst galt er als einer der erfolgreichsten Diebe des Westlandes.

Jetzt hockte er vor dem letzten Hindernis vor dem Eingang zum Thronraum des vergessenen Tempels von Hoah und fragte sich, ob er getäuscht worden war. Die geheime Karte, die ihm zur legendären Statue des Mondgottes führte, ließ keine Zweifel offen. «Vier Fallen warten auf den Ungeschickten. Den, den das trügerische Gold blendet und die Wahrheit verkennt.» Die Warnung stand zwar in der Schrift der Alten am Rand des uralten Pergaments, Khen lernte sie jedoch bereits in jungen Jahren. Das Zeichen «el’tand’deh» bedeutete nicht nur »Falle«, sondern außerdem «Schwierigkeit» oder «Herausforderung». Die eigentliche Bezeichnung ergab sich aus dem Zusammenhang, aber auch aus einem kleinen Haken über der vorletzten Silbe. Leider wies das geschabte Leder an dieser Stelle einen winzigen Riss auf, so dass die genaue Bedeutung des Wortes unklar blieb.

Jetzt lag das Objekt all der Mühen, die er in den letzten Tagen ertrug, vor ihm. Das Geld, die Zeit, und das Blut, dass er vergoss, um die Schatzkarte zu erhalten, führte endlich ans Ziel. Auf einem unscheinbaren Podest wartete die Figur des Gottes aus purem Gold. Ihre Augen bestanden aus Saphiren und blaue Rubine bildeten eine Art Gürtel um seinen dicken Bauch. Dazwischen lag eine ebene Sandfläche. Sie wirkte trotz der dunklen Linien auf dem Boden harmlos.

Zu harmlos, zu einladend, wie Khen fand. Es handelte sich augenscheinlich um das Wurzelgeflecht eines uralten Feigenbaums, der hinter dem Altar mit der Statue in den Kraterhimmel hinauf ragte. Er wuchs in einem alten Krater, in dem die Sesh, lange nachdem er erlosch, ihren Tempel errichteten. Hoch über ihm konnte der Dieb den breiten Spalt erkennen, durch den der Vulkan in aktiven Zeiten glühendes Lava ausstieß und das Leben, das an seinem Fuß existierte, peinigte. Jetzt fiel genug Licht hinein, um den Baum wachsen zu lassen. Und der Ascheboden düngte die Wurzeln, bis sie so dick und stark wie die Oberschenkel eines Mannes wucherten. Die dunklen Linien, die sie durch den Sandboden zogen, schimmerten wie altes Elfenbein.

Bestimmt wartete eine Falle auf den Leichtsinnigen, der nach der Statue griff. Khen zählte die Schwierigkeiten auf dem Weg in den Krater noch einmal durch. Besser, auf Nummer sicher zu gehen:

***

Schon der Aufstieg auf den erloschenen Vulkan barg etliche Gefahren für einen wagemutigen Abenteurer. Nebel und ewiger Regen machten die Pfade auf den Berg zu einem Spiel mit dem Tod. Ein falscher Schritt auf dem lehmigen Boden und der Unvorsichtige rutschte den steilen Hang hinunter. Auf dem Weg bergab warteten spitze Wurzeln und halbvergrabene Felsen darauf, ihr Opfer aufzuspießen oder ihn zu zerschmettern. Nirgends fand die Hand eines Wanderers einen festen Halt, um den müden Körper hochzuziehen. Nie sein Fuß einen sicheren Stand, um ihn näher an das Ziel, einen verborgenen Seitengang des ehemaligen Feuerbergs zu bringen.

Doch Khen schaffte es. Mehr als einmal bewahrten ihn die langen Stahlnägel, die er in die Sohlen der Stiefel geschlagen hatte, vor einem tödlichen Sturz. Mehrmals verdankte er es den eisernen Krallen in den Innenflächen der Handschuhe, dass er einen rutschigen Hang, der ihn von seinem Ziel trennte, überwinden konnte.

Und dann gab es noch den unbeirrbaren Willen des erfahrenen Diebes, der vor dem Aufstieg geschworen hatte, die legendäre Statue zu stehlen. Um jeden Preis.

Nach dem Untergang der Golgen pflegte niemand mehr den Pfad. Regen und Sturzbäche rissen die Pflastersteine in den Abgrund und verwandelten den sicheren Pilgerpfad in eine tödliche Falle.

Der Weg früher gepflastert und gepflegt, führte damals in einen engen Stollen, durch den der Vulkan in noch älteren Zeiten die glühende Lava ins Tal entließ. Dann nutzten ihn die Pilger, um den Tempel zu betreten und dort ihrem Gott zu huldigen. Heftig atmend musterte der Dieb den breiten Spalt in der Felswand. Es gab keine Zweifel mehr. Er hatte sein Ziel erreicht. Jetzt warteten statt der stattlichen Steinwächter, die einst Schwerter aus Jade in ihren Klauen hielten, nur abgebrochene Steinstümpfe auf den Übermütigen, der den Eingang suchte. Genau so beschrieb die Schatzkarte das Tor, das zu dem größten Schatz führte, von dem die Menschen wussten.

Im Rücken der geborstenen Wächter versperrte nur das Unkraut vieler Jahre und die Dornen kümmerlicher Stachelpalmen den Zugang in das Allerheiligste eines längst vergangenen Volkes. Doch dieses Problem stellte kein ernsthaftes Hindernis dar.

Khen schlug das Gestrüpp mit dem Schwert beiseite. Einige Schritte hinter dem Tor verbreitete sich der Gang so weit, dass einst mehrere Pilger nebeneinander gehen konnten. Sie mussten nur ihre Köpfe gebeugt halten, denn die Felsdecke hing tief herab.

Eine würdige Haltung für die Gläubigen, die dem im Berg verborgenen Gott ihre Wünsche und Gebete anvertrauen wollten. Doch der Dieb, der die schmale und niedrige Gestalt seines Volkes geerbt hatte, blieb aufrecht, wie ein freier Geist. Wachsame Augen musterten den Gang vor ihm. Der schwere Aufstieg bedeutete eines der kleinsten Probleme, die auf ihn warteten. Laut der Schatzkarte gab es noch mindestens drei mehr.

Wieder prüfte er das Pergament, das ihn hierhin führte. Es drang nur wenig Licht hinein, so dass er eine der mitgebrachten Fackeln anzündete, um die verblassten Zeichen zu lesen.

«Der schwere und lebensgefährliche Aufstieg dürfte das erste Hindernis auf dem Weg zum Schatz gewesen sein», murmelte er. Das Erste von vier, wie die Karte ankündigte.

Zweihundert Schritte vor ihm verschwand die Felsdecke in der Schwärze über ihm. Khen hielt die Fackel mit ausgestrecktem Arm, so hoch er konnte, aber das Licht erreichte den Felsen nicht mehr.

Er atmete tief ein und spannte alle Muskeln an. Nach den Gefahren des Aufstiegs wartete hier irgendwo die zweite Prüfung auf ihn!

***




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