Heute: "Eisen und Magie: Der Krähenbaum" mit dem letzten Kapitel

Und wieder einmal geht eine Geschichte zu Ende. Heute spitzen sich die Ereignisse am Krähenbaum zu einem letzten Höhepunkt zu.

Nachdem Weyn von Mark den ersten Angriff von Hauptmann Hetter abwehren konnte, steht er jetzt mit dem Rest seiner abgekämpften Soldaten der ausgeruhten Nachhut gegenüber.

Schlimmer noch!

Mit den frischen Truppen trifft auch ein übermächtiger Kampfmagier ein. Master Holmes Fähigkeiten übersteigen die  Sheens um das Mehrfache. Wenn der Novize denn da wäre...


 Viel Spaß mit dem finalen Kapitel von "Eisen und Magie: Der Krähenbaum"!



Eisen und Magie:


Der Krähenbaum


von Peter H. Brendt

Baron Ehrt zögerte. Insgeheim hatte er gehofft, dass der Hauptmann den Kampf bereits entschieden hatte. Nun sah er sich einer deutlich geschwächten, jedoch entschlossen wirkenden Gruppe siegreicher Gegner gegenüber. Auch seine Soldaten warfen ihm unsichere Blicke zu. Statt eines vermeintlich leichten Siegs erwartete sie nun ein hartes Gefecht. Der Anblick der geköpften Leiche zu Füßen Ritter Weyns verstärkte die Zeichen der Unentschlossenheit in den Gesichtern der Reiter. Sie warteten auf eine Entscheidung des neuen Anführers.

Der brauchte Zeit, um die veränderte Situation einzuschätzen. Die Soldaten in der Mulde wirkten euphorisch. Der frische Sieg steigerte ihren Mut. Aber der Baron wusste, dass er und seine Männer immer noch in der Überzahl waren. Das Gelände vor ihnen ließ keine Kavallerieattacke zu. Sie würden wie ihre Kameraden zu Fuß kämpfen müssen. Das bereitete ihm Sorgen. Ihre Gegner hatten in dieser Lage bereits einmal gesiegt. Bei dem Gedanken an das Schicksal Hetters und dass er vielleicht in wenigen Minuten an gleicher Stelle liegen könnte, stieg Galle in die Kehle.

Die Spannung wuchs, als Ritter Weyn den Kopf des Hauptmanns packte und ihn in die Höhe hob. «Nur Mut», rief er. Hier ist noch Platz für mehr Schädel!»

Ehrt fühlte die Blicke der Soldaten auf sich. Dann bekam er Hilfe.

Im Rücken hörte er Huftritte. Nicht das schwere Stampfen eines Kriegsrosses, sondern das eher gemächliche Traben eines Reisepferdes. Der Kampfmagier erreichte den Kampfplatz. Erleichterung erfüllte ihn. Master Holmes magischen Kräfte würden das Problem schnell lösen. Und sie gewannen sogar Zeit, um die Verfolgung fortzusetzen.

Der Magier trieb sein Reittier nach vorne. Die graue, hagere Gestalt bildete einen deutlichen Gegensatz zu den in Stahl und Bronze gerüsteten Reitern. Er trug keine erkennbare Bewaffnung, aber allein die düstere Aura, die ihn umgab, verbreitete Angst und Furcht bei Freund und Feind. Die Kapuze des Mantels verdeckte das Gesicht vollständig. Ein schwarzes Gewand schluckte das Licht, als ob es den eignen Schatten auffraß. Ehrts Pferd scheute, als er direkt neben ihm anhielt. Die Augen traten dem Tier fast aus dem Kopf, so dass das Weiße im Inneren nach vorne klappte. Nur mit Mühe verhinderte der Baron, dass es durchging und in rasendendem Galopp die Mulde durchquerte. Ohne jede Regung musterte Master Holme den kopflosen Rumpf des Hauptmanns. «Ihr braucht Hilfe», flüsterte er.

«Hetter ist tot. Und ich verlor die Hälfte meiner Reiter. Kommt Ihr mit dieser Hand voll Gegner klar?»

«Wo ist der Feuermagier, den sie bei sich haben. Der junge Mönch?»

«Er ist wohl mit dem Kind unterwegs und versucht, die Fähre am Grenzfluss zu erreichen.»

Master Holme musterte die Mulde intensiv, er zog mit einem leisen Pfeifen die Luft durch die Nase und prüfte sie. «Er war hier», meinte er. «Aber er ist nicht da unten bei den Männern.» Der Magier stieg ruhig vom Pferd. Er übergab die Zügel dem Baron, der sie mit spitzen Fingern annahm. «Es dauert nur kurz. Ich töte den Anführer, dann habt Ihr leichtes Spiel!»

Er schlug die Kapuze zurück und fixierte Ritter Weyn. Der konnte zum ersten Mal den Kampfmagier aus der Nähe betrachten. Papierdünne Haut umspannte einen Schädel, der eher einem Totenkopf glich, als einem menschlichen Gesicht. Der Teint schimmerte in einem so unnatürlichen Weiß, dass jeder, der ihn sah, glaubte, er hätte ihn mit Kreide geschminkt. Umso widerlicher wirkten die im Gegensatz dazu die blutroten Lippen. Wer vermutete, die Farbe käme von den Blutopfern, die er einem grausamen Gott als Dank für seine geheimnisvollen Fähigkeiten brachte, lag gar nicht so fern. Instinktiv hob der Ritter die Schwertklinge, obwohl er wusste, dass die Klinge gegen einen magischen Angriff keinen Schutz versprach.

Master Holme stieg aus dem Sattel und nährte sich langsam der kleinen Gruppe Soldaten, die um Weyn von Mark einen Schutzring bildeten. Unwillkürlich rückten sie enger zusammen, vergaßen dabei, dass sie dadurch für die Blitze des Magiers ein leichteres Ziel boten. «Verteilt Euch», befahl ihnen ihr Anführer. «Wir möchten es ihm so schwer wie möglich machen. Denkt daran! Die Amme und Sheen brauchen jede Elle Vorsprung, die sie kriegen können. Also schindet Zeit! So viel Ihr könnt!»

Aber der Anblick des Kampfmagiers, der eher einem Toten glich, zeigte Wirkung. Mit einem dumpfen Klatschen fielen die Schwerter der Soldaten in den Schlamm. «Verzeiht Herr», stammelte Einer. «Gegen so einen mächtigen Gegner besitzen wir nicht den Hauch einer Chance.»

Master Holme grinste. «Dafür wird euer Tod schnell und schmerzlos sein. Du, junger Ritter solltest ihrem Beispiel folgen. Oder ich werde Dich in deiner Rüstung kochen!»

Er legte die Handflächen zusammen. Plötzlich verdrängte der Gestank von verbanntem Fleisch die alten, üblen Gerüche in der Mulde neben dem Krähenbaum. Als der Magier die Hände auseinanderzog, zuckten dazwischen blaue und grellweiße Blitze, die sich bald zu einer Kugel formten.

«Stirb Ritter Weyn von Mark», zischte Master Holme.

Im nächsten Moment explodierte sein Schädel.

Statt Blut schossen fingerdicke Blitze aus dem geköpften Rumpf, die fast senkrecht in den Himmel stiegen. Wütendes Fauchen begleitete den Tod des Magiers. Die Männer glaubten für einen Augenblick, dass um den kopflosen Körper die Köpfe riesiger Wölfe aus Feuer und Glut erschienen, die das, was von Master Holme übrig war, hungrig in Stücke zerrissen. Es dauerte nur zwei oder drei Atemzüge, dann lag die Mulde wieder so ruhig da, wie vor der Ankunft der Soldaten.

Ritter Weyn fasste sich als Erster. «Respekt, Sheen. Ihr habt ihn getäuscht und überraschen können. Euer Plan hat funktioniert.»

Wie abgesprochen, hoben jetzt auch seine Männer ihre Schwerter wieder auf und stellten neben ihrem Anführer Aufstellung.

«Ihr habt uns in eine Falle gelockt, Hundesohn», fluchte Baron Ehrt. «Wo ist dieser Kerl?»

«Dort, wo ihn niemand gesucht hat.» Weyn zeigte auf den Krähenbaum mit den gehenkten Verbrechern. Neben den drei alten Leichen hing ein neuer Körper. Aber durchaus lebendig. Sheen trug die Attrappe einer Henkerschlinge um den Hals. Jetzt erkannte der Baron, dass ein fester Strick unter seine Kutte führte.

«Seid so freundlich und holt mich runter. Meine Nachbarn hier stinken doch gewaltig!»

Einer von Weyns Männer fing ein Pferd ein und ritt direkt zum Krähenbaum an die Stelle, wo der Mönch baumelte. Er stieg auf den Sattel, hielt den Novizen an der Hüfte fest und schnitt das Seil durch. Vorsichtig ließ der Soldat ihn anschließend zu Boden gleiten. Sheen hob seine Kutte hoch und der Baron erkannte, dass der Strick um die Brust gebunden war.

«Ihr habt nur gesehen, was Ihr sehen wolltet», sagte Weyn von Mark. «Einen Galgenbaum mit Gehenkten. Das der vierte Körper noch lebendig ist, habt ihr übersehen. Master Holme war zu stark für unseren Feuermagier, deshalb konnte nur ein Angriff aus dem Hinterhalt gelingen.»

«Wo ist das Kind», wollte der Baron wissen.

«Wir mussten die Amme auf ein Pferd binden. Doch sie wird es schaffen. Einer meiner Männer hält ein Auge auf sie.»

Dann trat er näher. «Steigt herab und ergebt euch. Wir sind zwar etwas in der Unterzahl, aber nun ist ein Kampfmagier auf unserer Seite. Wenn Ihr und Eure Leute nicht ebenfalls die Köpfe verlieren wollt, gehorcht.»

«Was geschieht mit uns?»

«Wir nehmen euch Waffen und Pferde ab. Ihr könnt zu Fuß, doch lebendig, zurückkehren. Oder kopflos euren Kameraden Gesellschaft leisten. Die Krähen kennen diesen Platz. Ihr braucht also an die Beerdigung keine Gedanken zu verschwenden!»

Baron Ehrt betrachtetet nachdenklich den verbrannten Arm. Die magischen Fähigkeiten Sheens kannte er aus eigener Erfahrung. Selbst den berühmten Kampfmagier, auf den er so große Stücke setzte, konnte der Novize mit einer List besiegen. Und er rechnete damit, dass als Anführer als Erster den Kopf verlor, falls er sich nicht ergab.

Ihn beunruhigte noch der Zorn des Grafen, wenn er ohne das tote Kind zurückkehrte. Doch das würde er regeln. Lügen gehörte zu seiner Natur.

«Ihr habt gewonnen!»

***

Ritter Weyn schaute zurück und vergewisserte sich, dass dem kleinen Trupp niemand folgte. «Wir haben gesiegt. Gegen eine Übermacht, aber einen hohen Preis bezahlt», sagte er und dachte an die Männer, die er zurücklassen musste.

«Sie sind kein Krähenfutter», beruhigte ihn Sheen. «Wir haben sie ordentlich begraben. Tief und vor wilden Tieren geschützt.»

«Wenigstens das.» Er seufzte. «Wenn wir über den Fluss gehen, sind wir Ausgestoßene. Auf uns wird ein Kopfgeld ausgesetzt und wir sind auf die Gnade Graf Benngens angewiesen. Er ist ein alter Freund meines Vaters, daher brauchen wir uns vorerst keine Sorgen zu machen. Den Jungen müssen wir irgendwie verstecken, sonst fällt er früher oder später einem Mörder zum Opfer.»

«Wir werden für ihn da sein. Das haben wir den Eltern versprochen!»

«Besser auf der Flucht, als ein Kindermörder», schloss Ritter Weyn. «Wir leben in bösen Zeiten!» Dann schlug er sich auf die Schenkel. «Ach was. Lasst uns den Sieg genießen. Es kommen auch schlechtere Tage auf uns zu. In Thol, der Hauptstadt von Graf Benngen kenne ich ein Gasthaus, das den besten Ruf über die Grenzen des Landes hinaus besitzt. Sehr guter Wein, süße Mädchen und der Koch hat früher sogar im Haus des obersten Lord gekocht. Ich lade Dich zu einem Festmahl ein.« Er kiniff ein Auge zusammen. »Und mehr!«

Dem Novizen schien das Angebot peinlich zu sein. »Jederzeit. Was den Wein und das Essen betrifft. Du triffst mich jeden Tag dort in der Bibliothek. Eine größere Büchersammlung wirst Du nirgends finden.«

Ritter Weyn lachte aus vollem Hals. »Gut, so kommst Du mir beim Pflücken der Blumen nicht in die Quere. Sheen, Feuermagier und Bücherwurm. Und jetzt auch Kampfmagier. Wir werden alle dein Wissen brauchen. Denn der Baron wird nie aufhören, de Kind nachzustellen. Doch schau! Wenn mich meine Augen nicht täuschen, da stolpert da vorne die Amme. Sie wird wohl so lange gejammert haben, bis ihr Begeleiter sie vom Pferd gebunden hat. Aber das ist nun ohne Bedeutung. Wir haben unsere Verfolger abgehängt.«

Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Bei den Göttern. Werden wir was zu erzählen haben!«

***

Die Krähe horchte auf. Aus der Ferne vernahm sie bereits die Rufe der Artgenossen in der Luft. Bald trafen die ersten Mitglieder des Schwarms ein. Sie beeilte sich, möglichst viele Leckerbissen aufzufressen, bevor die Konkurrenz zu groß wurde und sie um jedes Auge kämpfen musste. Ihr Instinkt hatte sie nicht betrogen. Die nächsten Wochen brauchte sie keinen Hunger zu leiden.

***




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