Geht es noch schlimmer?


An Händen und Füßen stramm gesfesselt, waffenlos, in einer unbekannten Stadt und von scharfäugigen Bewaffneten bewacht. Man sollte meinen, das war es wieder einmal für unsere Helden, 
Doch ihr seid hier in der Welt von "Eisen und Magie: Die Gefährten". Viel Spaß mit Kapitel 14 aus der beliebten Fantasy-Serie:



»Eine Stadt unter der Erde?« Der junge Theto konnte es nicht glauben. »Ihr erzählt ein Märchen. Das habt ihr erfunden!«

Der alte Geschichtenerzähler schmunzelte. »Dir wächst noch nicht einmal ein Bart. Was hast Du schon von der Welt gesehen. Kann dein einfacher Geist es fassen, dass unser Karawanenführer in dieser sich stetig ändernden Sandwüste das nächste Wasserloch, eine Oase, eine Karawanserei findet.

Es gibt Orte, da fällt Wasser aus einem Felsen. Große Ströme des kostbaren Nass fließen in ein Tal und füllen es. Und nicht nur für eine Stunde, ein Tag oder Monate. Nein, wenn man die Leute fragt, entspringt es schon seit den Zeiten ihres Großvaters und auch dessen Großvaters aus dem Fels.

Es gibt Orte, an denen ist das Wasser weiß und hart. Kälter als die Wüstennacht. In manchen Gegenden liegt es seit Menschen davon berichten konnten. In anderen Ländern kommt es nur für ein paar Wochen oder Monate.

Was weißt Du also von der Welt?«

***

Die Prozession aus Wachen und Gefangenen bewegte sich langsam. Ihre Fesseln ermöglichten Hark und Renetat nur kleine Schritte. Beide machten eine Menge Lärm, dabei. Sie stöhnten und fluchten, doch ihre Bitte, die Schnüre etwas zu lockern, lehnte Ihrsein ab. Die zwei Abenteuer waren zu gefährlich.

Sie verließen den Gang zum See und erreichten bald eine riesige Höhle. Über ihnen lag ein gewaltiges Gewölbe. Die Kuppel überspannte eine ganze Stadt, deren Größe der Traumstadt nahe kam. Sie leuchte in einem goldenen Glanz, einer Sonne nicht unähnlich. Ihr Licht strahlte bis in die letzten Winkel.

»Was ist das«, fragte Renetat. »Wie entsteht es?«

»Die Rattenstadt hat einen mächtigen Gönner« antwortete Ihrsein. Er lebt hier, schenkt uns Helligkeit für den Tag und Mondlicht in der Nacht.«

»Und dafür kann er sich bei euch verbergen«, entgegnete Hark. »Ich will nicht wissen, was er auf dem Kerbholz hat, dass er sich an einem Ort wie der Rattenstadt versteckt.«

Ihrsein stieß ihn vorwärts. »Spar Dir Deinen Atem für Anghis. Du wirst ihn brauchen. Er hat sich, so erzählt er, was ganz Besonderes für Dich ausgedacht.«

Die beiden Abenteurer verzichteten darauf, weitere Fragen zu stellen. Das ein oder andere Rätsel würde sich vor ihrem Tod vermutlich klären. Alle jedoch nicht. Die Wachten führten sie durch Straßen und Gassen. Gelegentlich begegneten sie sogar Bewohnern der unterirdischen Stadt. Doch sie huschten schnell in Seitenstraßen, wenn sie Ihrsein und die Wachen sahen. Nur wenige nahmen sie die Zeit, ein Auge auf die gefesselten Gefangenen zu werfen. Auf ihrem Weg passierten sie zwei Schenken, Backstuben, einem Weinhändler und einem Schmied. Offenbar war selbst die Rattenstadt aufgebaut wie ihre oberirdischen Schwestern. Die Luft roch nach Meer, Algen und vielen Menschen.

Als Baumaterial diente vorwiegend Holz, aber sie bemerkten auch Lehmziegel. Nach einer guten Stunde erreichte die Prozession ein Bauwerk, dass die Bewohner im Gegensatz zu übrigen Häusern teilweise aus Stein bauten. In Privileg, dass vermutlich allein der Herrscher in Anspruch nehmen durfte.

Und wirklich führte Ihrsein sie in dieses Gebäude. Sie betraten es durch ein kleines Tor, das zusätzlich mit einem schweren Fallgitter gesichert war. Stabil genug, um Angreifer draußen und Gefangene drinnen zu behalten.

Innen warteten weitere Männer des Rattenkönigs. Renetat zählte ein halbes Dutzend verwegen aussehender Gestalten. Stärker bewaffnet und gerüstst als die Wachsoldaten, denen er bisher in der »Dunklen Stadt« begegnete. Ihr Gehabe, die Art, wie sie die Wachen musterten, zeigte ihm, dass sie sich für etwas besseres hielten. Vermutlich eine Leibwache. Dafür sprach auch ihre Anwesenheit in diesem Haus.

Ihre Führerin befahl den Soldaten zu warten. Sofort umzingelten sie die Gefesselten und hoben drohend ihre Waffen. Die Sklaven, die den Besitz der Gefährten trugen, verdrückten sich in den Hintergrund.

Ihrsein schärfte ihren Leuten noch einmal ein, aufmerksam zu sein. Dann verließ sie die Gruppe durch eine schwere Tür am Ende des Raums.

Hark zog geräuschvoll den Atem ein. Gewohnheitsmäßig überprüfte er seine Fesseln, sie gaben nicht einen Fingernagel breit nach. Seine Gegner fürchteten seine außergewöhnlichen Kräfte und hatten die Stricke besonders fest angezogen. Das Blut staute sich, nun nachdem er sich nicht mehr bewegte und er fühlte, wie Hände und Beine prickelten.

Er zwang sich, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Trotz all der Erinnerungen, die ihn in diesem Moment quälten. Die Begegnung mit dem Rattenkönig stand unmittelbar bevor. Hinter der Tür dieses Wachraums wartete sein Peiniger, der vor Jahren seine Jugend tötete. Und stattdessen ein Leben voller Schmerzen und Narben schenkte. Heute würde er seinen größten Feind wiedersehen.

Grobe Stöße trieben den Hünen vorwärts, die Leibwache wolte ihren Spaß. Wegen seiner gefesselten Füße kam er ins Stolpern und fiel hin. Eine der Wachen wollte ihm aufhelfen, aber er erhielt dafür einen fiesen Kopfstoß gegen das Knie, so dass er hart zu Boden stürzte.

Plötzlich veränderte sich das Verhalten des Riesen. Der Wahnsinn verwirrte seinen Geist. Schaum und Speichel tropften von den vernarbten Lippen des Tobenden, seine Augen blitzen wie irre. Aus seiner Kehle drangen unverständliche Laute.

"Bei allen Göttern", schrie Renetat. "Haltet meinen Freund fest. Er dreht durch, er beisst dem Ärmsten in die Gurgel!" Und wirklich warf sich Hark über den gestürzten Soldaten und suchte knurrend und schnappend nach dem Hals seines Gegners.

Die anderen Bewaffneten eilten ihrem Kameraden zu Hilfe, doch der Narbengesichtige wehrte sich trotz seiner Fesseln wie ein Wütender. Immer wieder entwand er sich den Griffen, keiner wagte ihn zu verletzen. Sie wussten, der Rattenkönig wollte seine Gefangenen lebend haben.

Niemand achtete auf Renetat.

Gelenkig ging er in die Hocke, dann brachte er seine Hände unter seinen Füßen nach vorne. Seinen Gürtel hatten ihm die Wachen gelassen. Jetzt führte er die Handfesseln vor die Gürtelschnalle, offenbar befand sich dort eine verborgene scharfe Kante. Nach wenigen Augenblicken, in denen die Soldaten gegen den tobenden Hark kämpften, zerschnitt er unbemerkt die Schnüre an seinen Handgelenken. Anschließend riss er die Schnalle mit einem kräftigen Ruck ab. In einer fließenden Bewegung löste er mit dem gleichen versteckten Werkzeug die Fußfesseln.

Blitzschnell huschte er zu den Sklaven, die die Gegenstände vom Floß bei sich trugen. Zwei schnelle Faustschläge sorgten dafür, dass der, der ihre Waffen in einem Korb verwahrte, bewußtlos zu Boden fiel. Renetat griff hinein und dann flogen wieder schwarze Scheiben in den Wachraum und bald troffen die Wände vor Blut.

Seine Gegner waren so mit dem wütenden Hünen beschäftigt, dass sie gar nicht mitbekamen, was um sie passierte. Geschickt wählte Harks Freund seine Ziele so aus, dass seine Würfe unbemerkt blieben. Anreifer, die durch die Gegenwehr des Tobenden zu Boden geworfen wurden, standen beispielsweise nicht mehr auf, weil eine der Wurfscheiben oder ein Wurfmesser in ihrem Körper steckte. Das Gebrüll, dass der Hüne bei seinem Bodenkampf ausstieß, trug sein Teil zu der allgemeinen Verwirrung bei.

Am Ende bemerkte einer der letzten beiden Wachen, dass der Mann neben ihm Blut spukte und sich die Spitze einer Klinge durch die Kehle bohrte. Da Hark noch waffenlos und gefesselt auf dem Boden kämpfte, ließ das nur einen Schluss zu. Er warnte seinen Mitstreiter und wandte seine Aufmerksamkeit auf Renetat. Gemeinsam zogen sie ihre Schwerter und machten sich kampfbereit. Dank ihrer Erfahrung wählten die Soldaten die richtige Taktik. Bevor ihr Gegner seine Waffen werfen konnte, rannten sie brüllend auf ihn zu. Der stand mit einem schmalen Degen alleine gegen zwei Angreifer.

***




Viel Spaß!!

Kommentare

  1. Ein ungewohntes Format, aber wie gewohnt packend und prickelnd geschrieben.
    Die Frage ist, ob das Vorgehen des Hühnen einem Plan folgt, oder ob er tatsächlich dem Kampfrausch verfallen ist. Das wird wohl an anderer Stelle geklärt werden. Wichtig allein ist, dass Renetat einen gute Teil der Gegner schon ausschalten konnte.
    Der schmale Degen könnte reichen, wenn Hark entweder in ihren Rücken gerät.. oder wenn jemand unbemerkt verschwundenes vieleicht eingreifen würde..
    Vermutlich geht aber eher die Türe auf und ein jäher Ruf stoppt den Kampf - entschuldigung - versucht den Kampf zu stoppen..
    Wir werden sehen..

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