Man macht so seine Pläne ...




... und dann schlägt das Leben zu. Deshalb hat es etwas gedauert, bis ich Euch heute Kapitel 18 aus "Eisen und Magie: Die Gefährten" anbieten kann.

Wieder einmal ist eine Zusammenfassung der Ereignisse um die Abenteuer von Hark und Renetat erforderlich. Ihr findet die ersten 15, Kapitel hier als .pdf oder unter diesem Link als komfortables Flip PDF.

Hier stehen Kapitel 16 bzw. Kapitel 17  ebenfalls als .pdf zum Lesen bereit.

Viel Spaß!




Anghis öffnete die dritte Kiste und zeigte Hark den Inhalt. Er bestand, bis zur Hälfte gefüllt, aus kleinen Halbkugeln. Sie schimmerten im Fackellicht in verschiedenen Farbtönen und erinnerten an Perlmutt. Gelegentlich klickte es aus dem Kasten, als wenn sich eine der Kapseln bewegte. Ein schleimiger Klumpen, wie der Fuß einer Schnecke, verschloss jedes Gehäuse. Obwohl die Perlmuttschalen auf dem ersten Blick harmlos erschienen, ahnte der gefesselte Hüne, dass sie zu den Folterwerkzeugen gehörten, die sein Erzfeind gerne einsetzte.

„Meine haarigen Freunde beißen, fressen, bis sie satt sind“, erklärte der und streichelte dabei die Ratte, die er, trotz ihrer heftigen Befreiungsversuche, nach wie vor in der Hand gefangen hielt. „Meine neuen Spielzeuge hier, besitzen diese Untugenden nicht. Sie reißen mit ihren kleinen Fresswerkzeugen winzige Stücke lebenden Fleischs heraus. Schlucken es herunter, verdauen im gleichen Moment und beginnen ihre Arbeit wieder von vorne.

Jede Bewegung ihres Opfers reizt sie erneut. Die Beer-Käfer, die unser allmächtiger Beschützer aus einer fremden Welt hierher gebracht hat, kennen nur ein Ziel: Nahrung zu verzehren. So lange, bis kein Stückchen mehr übrig ist. Und sie sind nicht wählerisch. Es muss nur Fleisch sein!“

Mit diesen Worten warf er die gefangene Ratte in den Kasten mit den Fraßkäfern. In dem Augenblick, in dem sie auf die seltsamen Gehäuse traf, wurde der kleine Hügel plötzlich lebendig. Rasselnd und knirschend begruben sie den Körper des Nagers unter sich. Ihr Opfer versuchte sich verzweifelt aus der Flut der Halbkugeln herauszugraben, doch vergeblich. Es versank und der Inhalt der Kiste bewegte sich an der Stelle, an der es verschwunden war. Aus dem Behälter klackte es, als die Schalen der Beer-Käfer aneinanderstießen. Nur gelegentlich klang der Schmerzschrei des Tieres aus der Masse der Fressenden.

„Und da siehst du einen weiteren Unterschied zu der Rattenfolter. Meine neuen Haustiere werden nur aktiv, wenn ihre Beute sich rührt. Bleibst Du also so bewegungslos wie möglich liegen, könntest Du darin ruhen, wie in Deinem eigenen Bett. Atmest Du sanft und gleichmäßig, hältst Du es lange mit meinen gefräßigen Freunden aus.“

Er beugte sich ganz nah an Hark heran. „Es gab ein paar Gefangene, die die ersten Bisse noch aushielten, sich nicht bewegten. Flach atmeten, um ihre Peiniger nicht zu reizen. Jedoch früher oder später schnappt die Falle zu. Da die Zähne der Fraßkäfer eher klein sind, dauert es Tage und Wochen, bis der Tod ihr Opfer erlöst.“

Auf seinen Wink hoben zwei Wachen den Hünen in die leere Kiste. „Zugegeben“, erklärte Anghis, „im Rattenkäfig konnte ich die Folter besser beobachten. Doch irgendwann einmal wurde es langweilig. Hier sehe ich nur von oben auf die Begegnung von Fressen und Fressern.“

Er zwinkerte seinem Gefangenen zu. „Aber das Wechselspiel von Schmerz und Hoffnung der Opfer zu betrachten, regt die Phantasie an. Und ich verrate Dir ein Geheimnis. Diese innige Verbindung zwischen dem Folterobjekt und seinem Peiniger ist noch enger, noch intimer, als Du es bisher kennengelernt hast.“

Auf seinen Befehl hoben die Wachen den Behälter mit den Fraßkäfern hoch und schütteten den größten Teil des Inhalts über Hark aus. Seine Kiste füllte sich schnell mit den Tieren und bald ragten lediglich sein Gesicht aus der Masse der Käfer heraus.

„Ich lasse Dich für eine Weile alleine, mein Geliebter. Der Rattenkönig verlangt meine Anwesenheit bei den Spielen. Tu mir einen Gefallen! Ein paar meiner Spielzeuge versuchten, durch heftige Bewegungen die Tiere zu reizen, um so den Tod früher als von mir gewollt herbeizurufen. Vertrau mir! Es klappt nicht. Die Bisse sind so scharf, aber so winzig, dass es selbst dann viele, viele Stunden dauert, bis das Ende kommt.“

Er ging bereits zur Tür, kehrte jedoch zu Hark zurück. „Zugegeben, es gab zwei Fälle, bei denen der Schrecken, der den Delinquenten bevorstand, dafür sorgte, dass ihr Herz sie im Stich ließ. Doch du, mein Freund hast ein starkes Herz. Wir werden uns noch oft sehen in den nächsten Tagen.“

***

Renetat fuhr zurück. Nie hätte er damit gerechnet, dass sich die große Raubkatze so leise an-schleichen konnte. Die erbeutete Metallstange schepperte laut über den Boden, ihre Spitze verhakte sich in der Dunkelheit im Gitter, als er sie zwischen sich und dem Tiger bringen wollte. Das Geräusch erschreckte das Tier und es schlug im Reflex nach dem Menschen. Obwohl blind ins Dunkle geschlagen, erwischte ihn der Hieb und warf ihn gegen die Eisenstäbe. Durch die Wucht blieb ihm die Luft weg, während er noch nach Atem rang, hörte er die zweite Katze, die jetzt aus ihrer Richtung einen neuen Angriff startete.

Verzweifelt tastete er nach der Stange, um wenigstens eine Waffe zu besitzen, aber er konnte das verfluchte Ding nicht finden. Ganz eng presste er sich an das Gitter und hoffte, dass er ge-nau die Stelle erwischt hatte, die außerhalb der Reichweite beider Tiere lag. Waffenlos und nackt kam er sich hilflos und verwundbar vor. Er wusste sich nicht anders zu helfen, als sich zu-sammenzukauern, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Die Krallen der Raubkatzen kratzten auf der Suche nach ihm bedrohlich über den gestampften Lehmboden. Der strenge Raubtiergeruch reizte seine Nase, Tränen trübten seine Sicht.

In diesem Moment füllte der Lärm polternder Wachen den Flur und Fackellicht erhellte das Verlies. Ein Gruppe Bewaffneter stürmte hinein, in ihren Augen brannte Wut. Vermutlich wollten sie ihren schwer verletzten Kameraden rächen, den auch die Gitterstäbe nicht vor den Pranken eines Tigers retteten.

Zu diesem Zweck hatten sie sich Armbrüste besorgt. Sie nutzen die Lücken im Gitter und feu-erten fluchend eine Reihe von Bolzen auf die Raubkatzen. Die Geschosse konnten auf die kurze Distanz trotz dem flackernden Lichts der Fackeln ihr Ziel nicht verfehlen. Bald lagen die prächtigen Tiere in ihrem Blut und die Wildheit in ihren Augen wich dem trüben Glanz des Todes.

Renetat warf einen bedauernden Blick auf die erschossenen Tiger. Im Gegensatz zu ihm waren sie nicht aus freien Stücken in die Dunkle Stadt gekommen. Sie hatten ein besseres Ende ver-dient, als hier tief unter der Erde wehrlos und ohne Chance auf Gegenwehr getötet zu werden.

Mit vorgehaltenen Armbrüsten zwangen sie ihren Gefangenen, sich erneut fesseln zu lassen. Diesmal ergänzte ein schwerer Halsring die Ketten an seinen Händen und Füssen. Renetat machte erst gar nicht den Versuch, Widerstand zu leisten. Für den bevorstehenden Zweikampf brauchte er alle seine Kräfte. Mit einer leichten Verbeugung verabschiedete er sich von seinen toten Zellenkameraden. Er hoffte, dass ihn im Sand der Arena ein ehrenvollerer Tod erwartete.

Die Wachen überboten sich auf dem Weg nach oben mit ihren Ankündigungen, was sein Kon-trahent mit ihm anstellen würde. Sie ließen keine Einzelheit aus früheren Kämpfen des in der Dunklen Stadt gefürchteten Arenakämpfers aus. Seine Angewohnheit, seine noch lebenden Opfer an den heraushängenden Eingeweiden durch den Sand der Kampfbahn zu schleifen, hatte sogar Nachahmer gefunden. Jeder Gladiator versuchte, mit ähnlichen grausamen Ritualen ihm nachzueifern.

Irgendwann hörte Renetat nicht mehr hin. Er überlegte, wie er so einen übermächtigen Gegner besiegen könnte. Er hatte da so ein paar Tricks auf Lager. Der ein oder andere dürfte hier unten unbekannt sein. Allerdings bezweifelte er, dass ihm die Herren der Arena seine Ausrüstung und die eigenen Waffen übergeben würden.

Für einen Moment beneidete er die Tiger, aber dann packte ihn wieder der alte Mut. Noch besaß er eine Chance, so gering seine Wachen sie auch einschätzten. In seinem Kopf und in seinen Reflexen steckte die Kampferfahrung vieler Jahre. Sicher, den ein oder anderen Kampf hatte er verloren, doch die wichtigen und entscheidenden Duelle siegreich überstanden.

Er beschloss, etwas für sein Selbstbewusstsein zu tun. „Hey, Jungs“, rief er. „Kann mir einer von euch ein Silberstück leihen. Ich würde gerne eine Wette abschließen. Auf meinen Sieg in der Arena. Fünf gegen einen, dass ich euren ausgestopften Fettwanst besiegen werde. Oder besser noch, ich setze zehn Silbermünzen!“

Hohngelächter antwortete ihm. „Wie willst Du als toter Mann das Geld zurückzahlen? Und wo hast Du die Münzen versteckt. Vielleicht sollten wir mal nachsehen. Es gibt da Stellen ...!“

„Narren. Das Silber ist in einem Geheimfach in meinem Gürtel. Bringt ihn mir und ihr bekommt es. Aber wer gegen mich wettet, muss auch bereit sein zu zahlen, wenn ich gewinne.“

Das Gelächter steigerte sich. Schnell wechselte das Thema wieder zurück auf die Gewohnhei-ten seines Kontrahenten. Die Wachen überboten sich noch einmal in Details, doch Renetat sah die Gier in den Augen des einen oder anderen Soldaten wachsen.

Ihr Weg durch die Gänge endete in einer weiteren Zelle. Sie lag direkt neben der Arena, ein Gitter gab den Blick frei auf die Kämpfe, die dort gerade stattfanden. Zumindest würde er nicht einsam in einem dunklen Verlies sterben, ein paar Tausend Zuschauer hätten ihren Spaß daran.

Die Wachen nahmen ihm die Ketten ab und ließen ihn allein. Zeit, nachzudenken und Kraft zu sammeln. Er glaubte nicht, dass der Rattenkönig ihn waffenlos in die Arena schickte. In seinem Leben als Abenteurer war ihm fast jedes Mordwerkzeug begegnet, mit den Meisten kannte er sich gut aus. Die eine oder andere Waffe beherrschte er sogar meisterlich. Das war seine Chance. Noch in Gedanken versunken überhörte er beinahe die Rückkehr eines Wärters, der jedoch außerhalb der Zelle am Gitter stehen blieb.

„Da ist kein Geld. Du bist ein Lügner“, beschwerte sich die Wache und hob anklagend Renetats Gürtel hoch.

„Es befindet sich in einem Geheimfach. Gib ihn mir, dann kann ich es Dir zeigen“, lautete die Antwort. Unschlüssig schüttelte der Soldat seinen Kopf, trat nervös auf der Stelle. Einerseits lockte die Aussicht auf leicht verdientes Silber, andererseits drohte ihm eine empfindliche Strafe, falls man ihn hier erwischte.

„Ohne meine Hilfe wirst Du es nicht finden. Ich bin sicher, Du hast es schon versucht!“

Renetat konnte den inneren Kampf, der sich in der Wache abspielte, in seinem Gesicht ablesen. „Entscheide Dich“, drängte er. „Sie können jeden Moment kommen, um mich zu holen.“

Der Soldat gab sich einen Ruck. In hohem Bogen flog der Gürtel in die Zelle. Renetat gelang es nur mit Mühe, ein zufriedenes Grinsen zu verbergen. Rasch hob er sein geliebtes Kleidungsstück auf. Schnell fanden seine Finger das verborgene Fach und zogen seine letzten Silbermünzen hervor. Lächelnd zeigte er sie dem Wächter. „Es sind zehn Stück. Die setzt Du auf meinen Sieg. Den Gewinn teilen wir. Vergiss es nicht.“ Lockend jonglierte er die Münzen, wie er es von seinem alten Lehrer gelernt hatte.

„Gib her“, forderte die Wache. „Beeil Dich!“

Renetat warf ihm die Geldstücke durch das Gitter zu. Gleichzeitig schob sein Fuß den Gürtel unauffällig unter einen kleinen Haufen Stroh. Er würde ihn gleich untersuchen, mit ein wenig Glück fand er etwas Brauchbares, was die Soldaten übersehen hatten.

Um zehn Silbermünzen reicher zog sich der Bewaffnete zurück, den Gürtel schien er bereits vergessen zu haben. Vermutlich überlegte er, was er von dem unerwarteten Geldsegen kaufen sollte.

Renetat verhielt sich ruhig, bis er außer Sicht war. Doch gerade in dem Moment, in dem er das wiedergefundene Kleidungsstück untersuchen wollte, betrat ein Trupp Wachen seine Zelle.

„Es ist soweit“, verkündete ihr Anführer. „Der Sand der Arena wartet auf Dich!“ Höhnisch öffnete er das Gitter und forderte ihn mit einer übertrieben höflichen Geste auf, ihm zu folgen.

Renetat blieb nur ein letzter sehnsuchtsvoller Blick auf den im Stroh verborgenen Gürtel, dann führten ihn die Wächter fort.

***




Kommentare

  1. Was für ein schlechtes Timing diese Wachen doch haben.. Die eine Wache, weil sie solange braucht, um den Gürtel zu bringen, die anderen Wachen, weil sie ihn holen kommen, ohne dass er den Gürtel untersuchen konnte...
    Nun bleibt abzuwarten, was in der Arena geschieht, ob es vieleicht doch Hoffnung gibt...

    Besonders mies hat es Hark erwischt...
    Diese Schnecken scheinen der Inbegriff des grausam langsamen Todes zu sein - zumal nur noch sein Gesicht aus der Schneckenmenge herausragt..
    Da wird überall gebissen.
    Es ist kaum zu glauben, was für grausame Dinge sich der Herr der Ratten einfallen lässt, um seine Gefangenen zu foltern.
    Wobei... der war das ja eigentlich nicht.. das war der Herr Autor, der wieder einmal mit einem genialen Gedankengang für etwas Schlimmeres gesorgt hat, als die ohnehin schon grausigen Ratten. Ich möchte nicht wissen, wie er auf diese scheussliche Idee gekommen ist...

    Nun liegt Hark also in den Schnecken, Renetat ist auf dem weg in die Arena.
    Das sieht so gar nicht nach gemeinsamer Flucht aus.
    Da Hark im Moment zum Nichtstun verdammt ist, müsste Renetat wohl mindestens eine Runde in der Arena überstehen, damit sie zeitgleich vorgehen können - unabhängig von einander.

    Ich bin gespannt, wie es weitergeht..

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