Start eines neuen Kurzromans von "Eisen und Magie"

Es ist Zeit für den Start einer neuen Episoden-Folge aus der Welt von "Eisen und Magie". Die neue Folge trägt den Namen "Dämonenhand". Im Mittelpunkt steht ein Held aus einem früheren Roman: dem Kopfgeldjäger und Dämonen-Mörder Sandos.

Und wo beginnt eine gute Fantasy-Geschichte häufig? In einer Schenke.

Schauen wir mal ob "Eisen und Magie: Dämonenhand" auch dort endet!

Viel Spaß!



Eisen und Magie:

Dämonenhand


von Peter H.Brendt

Im "Einbeinigen Jäger"


Der Wein schmeckte nicht übel und er hatte schon schlechteren Braten gegessen, aber Sandos fühlte sich unbehaglich. Der Ort hier weckte unangenehme Erinnerungen. Sandrocks Geschichte als ehemalige Gefängnisstadt drang aus jeder Pore, jedem Riss im «Einbeinigen Jäger». Rasch und ohne einen Schnörkel aufeinandergesetzt, bildeten roh behauene Felsbrocken das Fundament der Schenke. Darauf zogen die Erbauer auf dickem Mörtelbrei die übrige Mauer mit roten Ziegelsteinen hoch.

Fenster gab es nicht, ihre Herstellung hätte den schnellen Ablauf der Bauarbeiten gestört. Die Insassen eines Gefängnisses brauchten keinen Ausblick in die Freiheit. Um Licht und Luft in das Gebäude zu lassen, bohrten sie außen tiefe Löcher in den Boden und stellten darin massive Holzstämme so auf, dass die Enden zwei Arme breit über den oberen Rand hinausragten. Darauf bauten sie das Dach aus Stroh und Knüppelholz. Der so entstandene Luftschlitz zwischen Mauerrand und Dachkante versorgte den Raum mit Frischluft.

Ein eisernes Gitter unter der Decke verhinderte, dass ein Insasse den Spalt nutzte, um in die Freiheit zu fliehen. Es hing Immer noch dort, doch nun verziert mit allerlei Krimskrams. Sandos erkannte Amulette, Andenken aus fremden Ländern und anderen Schnickschnack. Das bunte Durcheinander verlieh dem sonst eher deprimierenden Ort einen Hauch von Gemütlichkeit. Dennoch atmeten die Wände und der rissige Putz die Verzweiflung und den Wahnsinn der früheren Insassen aus wie ein düsterer Nebel aus.

Roh behauene Tische und Stühle, rund um eine kreisförmige Theke vervollständigten die Ausrüstung. Es gab keine Sitzmöglichkeiten an dem Tresen, der Wirt bestand wohl auf freie Sicht auf seine Gäste. Verständlich, wenn der Kopfgeldjäger daran dachte, welche Kundschaft regelmäßig in der Schenke am Ende der Welt verkehrte.

Sandos saß so, wie er es gewohnt war. Die Mauer im Rücken und ungehindertes Sichtfeld auf die Eingangstür und jeden Neuankömmling. Die Prüfung der bereits beim Eintreffen vor einem Horn anwesenden Männer und Frauen verlief ohne ein beunruhigendes Ergebnis. Bergleute der sterbenden Kohlemine im Ort, Soldaten in ihrer freien Zeit, ein paar Händler und Durchreisende formten den Kern. Dazu kamen eine Handvoll Dirnen, die Angestellten und der übliche Satz an Bettlern, Halsabschneidern und Raufbolden, die fast zwangsläufig den Bodensatz einer solchen vorübergehenden Gemeinschaft bildeten.

Der Kopfgeldjäger murrte leise. Sein Kontaktmann ließ ihn bereits eine Stunde schmoren. Er kannte Zesh von früheren Besuchen. Dabei zeigte er sich gelegentlich zickig wie eine Jungfrau, die für die erste Nacht den besten Preis heraus kitzeln wollte. Die Hinweise des Spitzels brachten jedoch in der Regel die Ergebnisse, für die er bezahlt wurde. Das ein oder andere Mal rechnete Sandos zu den üblichen Fehlerquoten, wie sie jeden regelmäßig trafen. Umso mehr, da der Informant stets den geforderten Lohn abzüglich einer geringen Aufwandsentschädigung zurückzahlte.

Die ehemalige Gefängnisstadt lag nah an der alten Kundra-Staße, die Norden und Süden verband. Aber weit genug von den Garnisonen der seit ewigen Zeiten verfeindeten Brüder Lorent entfernt. Beide beanspruchten das Gebiet um die Stadt für sich, scheuten jedoch davor, allzu viel Präsenz zu zeigen, um den anderen nicht zu provozieren. Als Folge herrschte der Stadtkommandant wie ein kleiner Fürst, der nur selten gegenüber einem der Gebrüder unbequeme Fragen beantworten musste.

In dem Durcheinander floss eine Menge Gold durch Schmuggel, illegalen Handel und Bestechung. In diesem Meer schwamm Zesh wie ein gerissner Hai, der von überall einen Brocken abbekam. Er hatte die Finger tief in den zweifelhaften Geschäften der Stadt stecken, kannte jeden miesen Dieb und Bandenchef. Ein Mann nach Sandos Geschmack. Denn der Kopfgeldjäger brauchte Informationen.

Die Anzahlung für Riesers Kopf verbrauchte sich auf dem Weg in die ehemalige Gefängnisstadt wie von selbst. Die Wagenladung Branntwein, die er kaufte, um seine wahren Absichten zu tarnen, verbrannte in Tush in der Scheune, in der er den Karren abstellte. Zusammen mit einer Hand voll Straßenräuber, die hinter dem kleinen Beutel mit Echsenerz aus waren, dass Sandos seit einigen Monaten durch die Gegend schleppte. Glasbläser zahlten einen guten Preis für das seltene Mineral und es stellte jetzt das einzige Kapital dar, das dem Kopfgeldjäger auf der langen Suche nach dem gesuchten Mörder blieb.

Dumm nur, dass es hier keine Glashandwerker gab und damit fehlten Abnehmer für das wertvolle Erz, das an anderen Orten ein mehrfaches seines Gewichts in Gold kostete.

Die entspannte Stimmung in der Schenke schlug um, als zwei Wachen sie betraten. Dem Grad ihrer Trunkenheit nach, befanden sie sich nicht mehr im Dienst, dennoch trugen sie volle Rüstung und das Breitschwert, das hier zur Standardausrüstung gehörte. Das Paar musterte streitlustig die Gäste, die im gleichen Augenblick versuchten, so unauffällig und harmlos wie möglich zu erscheinen.

Natürlich fanden die Augen der Soldaten den einzigen Mann, der es wert schien, der Wut, die der Branntwein freisetzte, freie Bahn zu geben.

Sandos seufzte schicksalsergeben. Der Zeitpunkt ihres Eintreffens kam zur falschen Zeit. Die rechte Hand in dem unförmigen Handschuh schmerzte, seitdem er das Geschenk vor einigen Monaten erhielt. Mittlerweile gehörte das Stechen und Beißen unter dem groben Leder zum Leben wie Durst, Hunger und Müdigkeit. Die Aussicht auf einen Kampf weckte jedoch die bösen Geister. die darin wohnten. Die Aggressivität, die davon ausging, fraß sich durch das Herz des Kopfgeldjägers und versuchte seinen Willen zu brechen.

«Du bist fremd hier. Wo ist die Bescheinigung, dass du die Aufen... die Aufs...die Steuer, dass du hier sitssen darfst, gezahl ... gezahlt hascht!»

Dem Geruch, der aus dem beinahe zahnlosen Maul des Sprechers kroch, verriet, dass die Wachen ihren Durst mit Pilzwein stillten. Das Zeug besaß den Ruf, nach dem Genuss ins Hirn zu kriechen und nur die Sinne anzusprechen, die auf Kampf und Streit hofften. Zusätzlich senkte es die Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, drastisch ein. Die Bereitschaft, Risiken einzugehen wuchs im gleichen Verhältnis. Es hieß, dass die wilden Barbarenstämme in den östlichen Wäldern den Wein vor einem Gefecht oder einer Schlacht tranken, um sich unbesiegbar zu machen.

Sandos schielte nach dem Schwert, dass an seinem Bein gelehnt, in Reichweite der Linken wartete. Die Finger der Rechten verlor er zusammen mit «Dämonenherz», der Waffe, die einst Lohan den Führer des Dämonenheers tötete. Den Klumpen, den er statt dessen erhielt, wagte er nicht, zu enthüllen. Der Sprecher des betrunkenen Duos erkannte sein Vorhaben und legte warnend die Hand an das Breitschwert im Gürtel.

«Bischt du auf Streit aus. Bürschen. Kannste haben!»

«Ruhig, die Herren.» Die Sache durfte keinesfalls blutig ablaufen. Sonst klebten die ganze Zeit die anderen Wachsoldaten der Stadt auf seiner Spur. «Darf ich Sie zu einem Schnaps einladen. Nur, um zu zeigen, dass meine Absichten friedlich sind?»

«Du hascht Geld?» Das Funkeln in den Augen der Wachen verriet, dass Sandos einen Fehler gemacht hatte. Die Beiden würden erst von ihm ablassen, wenn es für sie nichts mehr zu holen gab.

«Nein. Bin nur ein armer Wanderer auf der Durchreise.» Ein letzter Versuch. «Der Wirt gab mir auf ein Empfehlungsschreiben der Gilde hin Kredit. Er ist fast aufgebraucht, aber für drei Becher wird es noch reichen.»

«Eger gibt niemand Kredit. Schon gar keinem Fremden.» Sandos Hoffnung auf einen friedlichen Ausgang der Auseinandersetzung platzte. Dann die harte Tour.

Der Kopfgeldjäger stieß mit dem Knie das Schwert am linken Bein um. Laut klirrend fiel die Waffe auf den Boden. Die Blicke der Wachen folgten der Klinge, die polternd noch ein Stück weiterrollte. Im gleichen Moment glitten seine Hände unter den schweren Tisch und hob ihn ruckartig bis über den Kopf hoch.

Die Tischkante traf den Unterkiefer der beiden Soldaten fast gleichzeitig. Es knirschte beim Aufprall, den Männern blieb nicht einmal Zeit für ein leises Stöhnen. Dann lagen sie bewusstlos auf dem Boden, der Wortführer spuckte im Reflex ein paar Zähne aus, so dass der Kopfgeldjäger den Holztisch langsam wieder abstellte.

Mit einem Blick vergewisserte er sich, dass von den Betrunkenen keine Gefahr mehr ausging. Auch die übrigen Gäste starrten konzentriert auf ihre Becher und hielten den Kopf gesenkt. Niemand, der auf Streit aus war.

Sandos warf die letzte Münze über den Tresen, hob sein Schwert auf und verließ die Schenke. Er kam nicht weit.

***





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das nächste Kapitel von "Eisen und Magie: Dämonenhand"

heute in "Eisen und Magie: Ewige Liebe" Ein Dieb wird zum Mörder