"Belahs Augen" Nummero vier ...

Unser Freund Nash nähert sich dem Ziel seiner Träume. Seine Gefährtin Belah scheint ganz nah zu sein. Aber der Hang des Autors zu grausamen Schicksalen verhindert die Vereinigung der Beiden. Andererseits gibt es immerhin Leben zu retten und die Harmonie des "Alten Waldes" zu wahren.

Viel Spaß mit dem vierten Kapitel aus "Eisen und Magie: Belahs Augen!


PS. Dear friend Peter Jackson: This time there are spiders!

Eisen und Magie:


Belahs Augen



von Peter H. Brendt
Nash suchte eine geschützte Stelle und öffnete den Beutel. Sorgfältig untersuchte er die Holzwurzel, zog hier und drückte dort, bis die Wurzel mit einem sanften Klicken zwei kurze Stege entfaltete. Der unförmige Klumpen verwandelte sich in eine Armbrust, als er eine der Bogensehnen daran befestigte.

Dann huschte der Waldläufer so leise zum Uferrand, dass eine Eisente, die den ersten Brutversuch des Jahres unternahm, seine Anwesenheit erst bemerkte, als er ihr sorgsam getarntes Nest im Uferkies bereits passiert hatte. Der Vogel, unschlüssig ob er das allererste Ei der diesjährigen Brut aufgeben und das eigene Leben retten sollte, entschied sich, liegenzubleiben. Aufmerksam beobachtete er, wie der Eindringling Steine vom Flussufer gegen einander schlug. Einige der Splitter hob er auf, musterte sie sorgfältig und warf die meisten weg. Jedoch nicht in ihre Richtung, so dass die Ente liegenblieb.

Ihr Entschluss geriet ins Wanken, als der Neuankömmling ein kleines Feuer auf einem Stück Rinde entfachte. Ohne zu begreifen, was es bedeutete, beobachtete sie, wie er darauf einige Brocken schwarzen Pechs erhitzte und damit die Steinsplitter auf kurze Stöcke klebte, die er anschließend in einen unscheinbaren Korb am Gürtel steckte.

Der Vogel erkannte sie wieder. In seinem Gedächtnis formte sich das unheimliche Sirren, und die Erfahrung, dass diese Stöckchen den Tod von Artgenossen bedeuteten. Unfähig sich zu bewegen, duckte die Eisente den Körper noch tiefer in das Nest.

Starr vor Angst blieb das Tier liegen, als Nash ruhig näherkam. Mit der flachen Hand schob er den Vogel sanft weg. Kaum dass die Ente das Ei nicht mehr an der Brust spürte, flog es davon und ließ ihre Brutstätte im Stich.

»Du wirst bis zum Sommer einige Eier legen. Und die Chancen für deine Brut, den Winter zu erleben, werden größer sein. Womit willst du sie füttern? Alle Insekten und Käfer schlafen noch.«

Mit diesen Worten steckte Nash das zurückgelassene Vogelei sorgsam in seinen Beutel. »Aber mir wird es Kraft geben. Belah wartet auf mich!«

***

Belahs Augen erschienen nicht mehr in den Träumen. Er hatte den Ruf gehört und war auf dem Weg zu seiner Gefährtin. Jeder Schritt, jeder Atemzug brachte Nash näher. Es gab keinen vorbestimmten Treffpunkt. Eine unwiderstehliche Kraft lenkte die Füße und je weiter er sich vom Fluss entfernte, desto leichter wog das Herz in der Brust.

Dann roch er Rauch. Jemand verbrannte feuchtes Holz. Wer auch immer dort auf dem Hügel ein Lagerfeuer anzündete, kannte nicht den Unterschied zwischen guten und schlechten Ästen um diese Jahreszeit. Erst kamen die Käfer, die das Totholz für ihre Jungen benötigten. Wenn sie im Sommer schlüpften, fraßen sie ihren Anteil, bis sie auf Blätter und Aas umstiegen. Danach gehörte es dem, der es für den langen Winter brauchte.

Der Ort weckte einen Verdacht, er las die Zeichen auf dem Boden und den Baumstämmen und erkannte, dass die Unbekannten in tödlicher Gefahr schwebten. Doch die Strafe für ihren Waldfrevel erschien ihm zu hoch. Die Menschen kannten die Zusammenhänge und Regeln des »Alten Walds« nicht. Es gab niemanden mehr, sie ihnen zu erklären.

Obwohl er glaubte, vor Sehnsucht nach der Gefährtin sterben zu müssen, bat er in Gedanken Belah um Verzeihung und eilte auf das Lagerfeuer zu. Denn die tödliche Gefahr, die sie weckten, durfte noch nicht durch die Wälder streifen. Ihre Zeit kam erst in wenigen Wochen, wenn es genug Nahrung gab.

Nash schlich vorsichtig näher und beobachtete die Menschen, die um das kümmerliche Feuer hockten. Er zählte drei, es gab keine Gerüche oder Geräusche von mehr Personen.

Einer gehörte hier keinesfalls hierhin.

Die Kleidung des jungen Manns erinnerte ihn an die Leute auf der Fähre, die Handel trieben. Dünner, sehr feiner Stoff, aufwendig mit geometrischen Mustern, aber auch Nachbildungen von Blättern und Vögeln verziert. Wenig praktisch tief im Wald, weit weg von gepflasterten Straßen. Deutlich zu erkennen, dass die spitzen Zweige und Äste bereits ihren Tribut von dem edlen Zwirn forderten. Nur beim Fußwerk machte der Unbekannte eine gute Figur. Hohe, sorgfältig verarbeitete Lederstiefel erlaubten auf jedem Gelände einen sicheren Stand.

Aus seinem Versteck konnte Nash die Augen des Fremden beobachten, die wach und neugierig alles um ihn herum beobachteten. Bald nahm er ein Blatt vom Boden auf und steckte es zwischen die Seiten eines dicken Buchs. Zuvor schrieb er etwas auf die entsprechende Buchseite.

Ein seltsames Verhalten. Warum erfand der Unbekannte kein Lied, um sich Ort und Zeit des Funds zu merken. Wenn er seine Auszeichnungen verlor, verlor er damit auch das Wissen. Eine Melodie überstand Feuer, Flut und Winter. Ein Anderer würde es lernen und die Kenntnisse weitergeben. Geschabtes Leder jedoch, das die Menschen Pergament nannten, konnte sogar von einem hungrigen Tier gefressen werden.

Die Verwunderung über den ungewöhnlichen Mann verdrängte für einen Augenblick das Bild der Augen der gesuchten Gefährtin. Seltsam auf jemanden zu stoßen, der sich für die Natur interessierte, auch wenn er dabei falsche Wege einschlug.

Seine Begleiter wirkten dagegen wenig vertrauenswürdig. Grobe Kleidung, grobe Gesichter. Ungepflegt. Sie ähnelten den Holzfällern, die die alten Gesetze brachen und den Wald schändeten. Der Geruch von Harz und der Gesang toter Bäume, der sie begleitete, verstärkten den Verdacht, dass Nash Baumverbrecher beobachtete.

Damit standen sie auf der anderen Seite und er durfte sie jagen und bestrafen. Doch viel wichtiger war es, das Feuer zu löschen, bevor die Totspinnen erwachten und den Rhythmus der Jahreszeiten störten. Solange musste Belah warten.

Er tauchte wie ein Geist zwischen den Unbekannten am Lagerfeuer auf. Sofort griffen die Holzfäller zu ihren Äxten. Auch ihr Begleiter zog zwei lange Messer aus den Ärmeln. Die Eleganz der Bewegung zeigte, dass er mit ihnen vortrefflich umgehen konnte.

Nash hielt die Armbrust auf den Boden gerichtet. Die Zeit, die Frevler zu bestrafen, würde kommen. Jetzt galt es, das Feuer zu löschen und die Menschen fortzuführen. Denn der beißende Geruch nach Säure und das leise Knistern unzähliger winziger Beine bewies, dass die hungrigen Tiere sich schon auf dem Weg machten, die erste Mahlzeit des Frühjahres zu erobern. Später im Jahr gab es für den Waldbeschützer keinen Grund einzugreifen. Wer dumm genug war, einem Strom aus gierigen Totspinnen im Weg zu stehen, musste mit einem grausamen Ende rechnen. Das gehörte zu den Regeln, die im «Alten Wald» galten.

«Hey Kerl», brüllte ein Holzfäller nach dem ersten Schreck und schwang drohend die Axt. «Soll ich dich einen Kopf kürzer machen!»





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