Unerwartetes Ende einer Totenbeschwörung.

Wie versprochen, heute das neuste Kapitel aus "Thumberg: Der Ghoulkönig". Endlich erscheint der Namensgeber dieser Folge von Geschichten aus der Stadt Thumberg. Doch wie das so ist,  wenn verschiedene Welten aufeinander treffen. Das kann auch schiefgehen ...

Die Lösung des Preisrätsels findet Ihr unten.

Viel Spaß!

Das letzte Kapitel verpasst? Ihr findet es hier.




Master Leym hob seinen Becher wie zu einem Toast. "Auf Dich, Vesper!"

Im gleichen Moment veränderte sich der Gewebeklumpen auf dem Tisch. Aus dem formlosen Fetzen schälte sich kaum höher als die Hand eines Mannes, die Figur eines Ghouls. Mochtgehrn erkannte sie sofort wieder. Ein größeres Exemplar hatte ihn vor wenigen Stunden auf dem Friedhof gejagt.

Das herbeibeschworene Wesen erschien niedlich, eher wie ein Kinderspielzeug als ein Abgesandter aus dem Reich des Toten. Wie ein Mensch hielt es sich zwei Finger über den Teil seines Gesichts, an dem ein Mensch seine Nase besaß.

„Stinkt. Stinkt fürchterlich. Ghoul hasst Geruch. Mehr Branntwein!“ Die Stimme piepste wie die einer kleinen Maus.

Master Leym schüttete mit den Fingerspitzen ein paar weitere Tropfen seines Drinks auf die Figur, die danach sichtlich anschwoll. Pan wollte es ihm nachmachen, doch sein Freund und Kollege hiel ihn auf.

„Zu gefährlich. Wenn er so weit wächst, dass seine Gestalt die magischen Bannlinien aus Kreide verwischt, dann ist hier die Hölle los. Wir müssen dieses Wesen stets durstig halten. Nur so wird es uns die benötigte Information geben.“
„Mehr. Mehr“, bettelte der Ghoul.

„Du bekommst Branntwein, wenn Du unsere Fragen beantwortest“, erklärte Master Leym.

„Frag. Frag!“

„Sehen wir den Ghoulkönig vor uns?“

„Dumme Frage. Leichte Frage. Nur Ghoulkönig kann wiederkommen. Mehr!“

„Du erinnerst Dich an den Vertrag mit der Stadt Thumberg? Was den Aufenthalt Deines Volkes auf dem Südfriedhof betrifft.“

„Mehr!“

„Antworte. Dann bekommst Du was!“

„Vertrag kenne. Besser für Thumberg. Besser für Meine.“

Master Leym versorgte den Ghol mit weiteren Tropfen seines Drinks.

„Ahh. Gut. Frag. Frag! Will mehr!“

„Warum hält sich Dein Volk nicht daran?“

„Meine hält. Mehr!“

„Dein Volk sucht seine Nahrung in der Stadt.“

„Meine hält. Meine hält.“

„Der Vertrag bindet Euch an den Friedhof!“

„Meine hält. Mehr!“

Master Lem nahm demonstrativ einen tiefen Schluck und prostete Mochtgehrn zu. Der erwiderte den Gruß und beschloss, diesmal eine größere Portion zu wagen. Kaum, dass die Flüssigkeit, seine Kehle passierte, überkam ihn ein heftiger Hustenanfall. Im letzten Moment gelang es ihm, den Becher auf dem Tisch abzustellen.

„Bei den Göttern. Ist der stark!“

„Mehr! Will mehr!“

„Warum bricht Dein Volk den Vertrag. Eher bekommst Du nichts!“

„Meine hält. Eure bricht!“

Jetzt beschloss Mochtgehrn einzugreifen. Wie konnte es sein, dass sie sich von dem toten Abbild eines Leichenfressers zum Narren hielten ließen? König hin oder her. Die Situation war eindeutig.

„Ihr lügt! Euer Volk sucht seine Nahrung in der Stadt!“ Empört beugte er sich nach vorne. Dabei übersah er seinen Becher Branntwein vor sich auf dem Tisch. Das Gefäß kippte und sein Inhalt ergoß sich über die Bannzeichen und tränkte den herbeibeschworenen Ghoulkönig.

Das Ergebnis würde Pan nie vergessen.

Der Alkohol sorgte dafür, dass der bleiche Ghoul weiter anschwoll, als ob er die Flüssigkeit aufsaugte. Der aufquellende Körper verdrängte und verwischte dabei die Bannzeichen aus Wachskreide, die Master Leym auf den Tisch zeichnete. Ohne die magischen Ketten, die den aus dem Totenreich gerufenen Leichenfresser an diesen Platz fesselten, verloren die beiden Beamten die Macht über den beschworenen Leichnam.

Aus dem Klumpen Ghoulfleisch entfalteten sich zwei starke Arme, sie ragten bald über den Rand des Tischs und, bevor jemand einschreiten konnte, legten sich totenweiße Hände um den Hals des Masters.

Mochtgehrn verfolgte das Geschehen mit weit aufgerissenem Mund. Keine Einzelheit des Unglücks kannte er aus irgendwelchen Lehrbüchern. Auch seine eigene Lebenserfahrung bot nichts Vergleichbares. Hilflos sah er zu, wie die Totenfinger seinen Freund mit unwiderstehlicher Gewalt würgten.

***

Master Leym kämpfte mit dem Ghoulkönig. Noch war der an den Tisch gebunden, doch seine Reichweite erlaubte ihm diesen tödlichen Angriff. Mit dem eingesogenen Branntwein verformte sich auch der Kopf des Ungeheuers. Bald erkannte er ein hungrig zuschnappendes Maul, dessen Rand ein Kranz scharfer Zähne schmückte.
Hilflos stemmte er sich gegen den Zug, die starken Arme zogen ihn mit jedem Atemzug näher heran. Schon raubte ihm der faulige Geruch, der aus dem Kiefer des Ghoulkönigs drang, den Atem. Er suchte den Blick seines neuen Freundes, der jedoch wie erstarrt, den Angriff beobachtete.

***

Endlich gelang es Mochtgehrn, den Schock über seinen Fehler zu überwinden. Er holte tief Luft und fasste sich ein Herz. Er griff nach einem Stuhl, nahm alle Kraft zusammen und hieb das Möbelstück dem beschworenen Leichenfresser über den Rücken. Doch der erwartete Erfolg blieb aus.

Der Körper des Ghouls wirkte wie ein festes Stück Gelatine. Er warf Pans improvisierte Waffe mit so großer Wucht zurück, dass sie ihm aus den Händen glitt und im brennenden Kamin landete. Die Sitzfläche aus geflochtenem Korb fing sofort Feuer und brachte Mochtegehrn auf eine neue Idee. Er schleuderte das glühende Ende eines abgebrochenen Stuhlbeins ein paarmal durch die Luft, bis die Flamme aufglühte. Dann presste er die heiße Spitze in den Rücken des Ghoulkönigs. Da, wo er bei einem lebenden Wesen die Wirbelsäule vermutete.

Das Holz drang zischend in den Fleischklumpen ein, doch sofort schloss sich das Gewebe um das Stuhlbein und löschte die Glut. Nur eine kleine verkohlte Stelle blieb zurück, die sich aber vor seinen Augen wieder in fahles Weiß verwandelte.
Master Leym strampelte mit den Beinen und versuchte, die Finger seines Gegners vom Hals abzustreifen. Allerdings erlahmten seine Kräfte zusehends. Atemnot und die unnatürliche Gewalt der beschworenen Kreatur gewannen die Oberhand.

Mochtgehrn eilte ihm zu Hilfe, packte mit beiden Händen einer der Arme des Ghouls, doch sein Griff löste sich sofort. Der mit dem Branntwein aufgeschwemmte Körper fühlte sich wie glitschige Gelatine an und erlaubte keinen festen Halt.

Er sah ein, dass er auf diese Weise den Ghoul nicht aufhalten konnte. In seiner Verzweiflung entschied er sich für ein riskantes Manöver. Auf dem Kaminsims standen die beiden Flaschen, aus denen Master Leym seinen Drink mischte. Kurzentschossen schüttete er mit der einen Hand den Branntwein über den Leichenfresser. Mit der anderen drückte er das immer noch glühende Ende des Stuhlbeins in die Flüssigkeit.

Der Erfolg warf ihn in die äußerste Ecke des Raums.

Der vollgesogene Körper des Ghoulkönigs stand sofort in Flammen. Der brennende Alkohol explodierte in einer gewaltigen Stichflamme, die den Ghoul in tausende glimmende Fetzen zeriss und deren Wucht Mochtgehrn durch das Zimmer schleuderte. Der Aufprall nahm ihm den Atem, doch er zwang sich, die Augen offen zu halten. Auf jeden Fall wollte er mitbekommen, ob die Gefahr beseitigt war.

Schnell stand er halbe Raum in Flammen. Der Tisch brannte, die Vorhänge verkohlten und ein wertvoller Teppich an der Wand verging in der Hitze spurenlos direkt vor seiner Nase.

Sein zweiter Blick galt Master Leym. Pan hatte den Alkohol auf dem Rücken des Ghoulkönigs entzündet. Zum Glück schirmte der Körper des Leichenfressers seinen Freund und Kollegen vor der Stichflamme ab. Er rappelte sich bereits auf und rieb fluchend seinen Hals.

Doch noch war die Gefahr nicht vorbei. Brennender Branntwein floss über den Boden, das Feuer drohte den ganzen Raum zu erfassen. Mochtegehrn litt immer weiter unter der Gewalt der Explosion. Seine Nase blutete, es flimmerte vor seinen Augen und in seinen Ohren klingelte es wie das Glockenspiel in der Fleischergasse. Er bemerkte kaum, dass Master Leym ihm etwas mitteilen wollte. Der deutete mit dem Finger auf irgendetwas im Zimmer, aber brachte kein Wort heraus. Offenbar quälten in die Folgen des heftigen Würgegriffs, nur krächzende Laute drangen aus seinem Mund.

So dauerte es eine Weile, bis Pan begriff, auf welches Möbelstück sein Mitstreiter zeigte. Da stand der große Kübel voll Badewasser. Es dampfte nicht mehr, aber es würde seinen Zweck erfüllen. Bevor Mochtgehrn ihn umstieß und beobachtete, wie die ölige Flüssigkeit auf die Flammen zulief, kam ihm der Gedanke, dass das Gemisch aus Wasser und A!mber vielleicht brennbar sei.

***

Nun die Lösung des Preisrätsels.

Master Leym nennt sie zum Beginn des Kapitels: "Vesper". Es handelt sich um den weltberühmten Drink aus Flemings Bond-Serie. Das Getränk wird auch in dem Film "007: Casino Royal" vorgestellt. Es findet dort großen Anklang, nur der amerikanische CIA-Agent verzichtet auf die Zitrone. "Ohne dieses Gemüse" bittet er.

Das Rezept stammt in verfremdeter Form aus dem Film bzw. dem entsprechenden Wikipedia-Eintrag. Wie auch in diesem Kapitel ist der Drink der Erinnerung einer toten Freundin gewidmet. Vesper, die am Ende des Films stirbt.



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