Westernzeit. Jason Derringer: Der Pfad der Rache.

Der Kampf gegen die Skalpjäger geht in die entscheidende Phase. Zur Zeit sind die Banditen noch in der Mine eingeschlossen. Doch sie werden sich nicht kampflos ergeben.

Yerry Silver selbst kann nicht eingreifen. Das Gift der Klapperschlange bringt ihn an die Schwelle des Todes und verspricht einen Frieden, der er schon lange sucht.

Viel Spaß mit dem neusten Kapitel aus "Jason Derringer: Der Pfad der Rache"! Am nächsten Wochenende erwartet Euch die nächste Episode.

Anfang der Woche sind die Helden aus der Fantasy-Reihe "Thumberg: Der alte Gladiator" an der Reihe, gefolgt von Tom Taubers Abenteuer in Afrika.

Und denkt an das Preisrätsel!

Das letzte Kapitel von "Jason Derringer: Der Pfad der Rache" verpasst? Ihr findet es hier!





Silver öffnete die Augen. Da war kein Licht in seiner Welt. Ganz tief fühlte er einen Frieden, den er lange nicht mehr gespürt hatte. Vergessen die Schrecken des Kriegs, den Geschmack und den Geruch des Todes. Er war allein.

Er streckte die Hände aus, suchte nach einem Boden, nach Wänden. Irgendetwas, was ihm erklärte, wo er war. Der Untergrund war fest. Wie feiner Sand, in dem die Fingerspitzen einen knappen Millimeter eindrangen, bis sie Halt fanden. Silver stemmte sich hoch, erst auf die Knie, dann kam er auf die Beine. Der Atem ging sanft, der Geruch erinnerte ihn an die Schalen der Pecannuss, mit der er die Auffahrt seiner Pferdefarm bestreut hatte. Ihn erfasste das Gefühl, nach Hause zu kommen.

Leicht schwankend ertastete er einen Weg. Noch immer sah er nirgends ein Licht, doch er fühlte keine Angst mehr. Da war ein Luftzug und er beschloss, ihm zu folgen.

Mit jedem Schritt wurde das Gefühl stärker, nach langer Reise zurückzukehren. Er dachte an Sue und in diesem Augenblick erkannte er in der Ferne den Schein einer Kerze. Es rief mit seinem warmen Schimmern und er entschied, dem Versprechen von Frieden und Liebe zu vertrauen und dorthin zu gehen.

Bald wusste Silver, dass die Kerzenflamme das Ende eines langen Tunnels anzeigte. Dort würde die Reise einen Schlusspunkt finden. Unaufhaltsam lockten ihn die Sonnenstrahlen eines wärmenden Sommermorgens. Er erinnerte sich an die friedvollen Momente, wenn er mit dem Liebsten, was er auf dieser Welt besaß, zusammen frühstückte.

Denn Wind in den Bäumen, die Vogelstimmen, den Geruch von gebratenem Speck und Eiern. Und Sue konnte einen Kaffee kochen. Das trieb die Kälte der Nacht aus den Knochen und kitzelte in der Nase.

Silver glaubte, den Duft ihrer Haut zu riechen, hörte ihr glucksendes Lachen, wenn sie über einen Witz kicherte, den er ihr schon hundertmal erzählte.

Er erreichte das Ende des Tunnels. Hier drang das Licht durch die Ritzen einer alten Holztür, hinter der Gelächter und Gesang ertönte. Es gab keinen Griff, die Tür schwang auf, in dem Moment, in dem er daran dachte, sie zu öffnen. Der Frieden dahinter lockte und ließ Zweifel nicht zu.

Silver verließ den Ausgang und traf auf eine frohe Runde. Sue sah er nirgends, aber an einem großen Tisch mit einem fröhlich karierten Tischtuch warteten seine Kameraden aus dem Krieg. Seine toten Kameraden.

Er entdeckte Sergeant Beau, der ihm zuprostete und einlud, sich neben ihn zu setzen. Lachende klopfte er mit der flachen Hand auf den Platz zur Linken. Silver fand Tom Brotherford, Sean Cotton und den Rest des alten Trupps. Da waren die Offiziere, die sich wie immer um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten.

Sogar Giorgios Maskottchen Marcello, ein kleiner hässlicher Hund, spazierte kläffend auf dem Tisch und bellte jeden an...

Silver stutzte. Der Kläffer konnte in tausend einzelne Teile zerfetzt doch kein aktives Leben mehr führen können. Er schlief neben seinem Herrn, als das Munitionszelt durch einen Volltreffer explodierte.

Er schaute genauer hin. Einige, die er verstümmelt in Erinnerung hatte, bevor der Krieg sie ihm wegnahm, saßen dort, als ob nie eine Kugel, niemals ein Schrapnell getroffen hatte. Andere wiesen Kugellöcher auf, Gliedmaßen fehlten oder baumelten nutzlos an ihren Gelenken.

Er kam auf die Idee, an sich herunterzuschauen. Aber da war nichts. Sogar die beiden dunklen Punkte am Handgelenk waren verschwunden.

„Nun setzt Dich schon, Silver!“ Sergeant Beau unterstrich seine Forderung und klopfte heftig auf den freien Platz auf der Holzbank. „Wir müssen einen trinken!“

Niemand sonst schien ihn zu beachten. Keine Begrüßung für einen Neuankömmling, kein Hallo oder Schulterklopfen. Nur das laute Klatschen, wenn Beaus Linke, die er eigentlich am Mouse River verloren hatte, auf das alte Holz schlug. Bald dröhnte das Geräusch in seinen Ohren, füllte dem Kopf wie eine Kriegstrommel. Schnell übertönte es das Lachen und Lärmen der übrigen Kameraden.

Silver nahm Platz und fand sich im nächsten Augenblick in einer heftigen Umarmung des Sergeanten wieder. Aus dem Nichts erschien eine alte zerbeulte Blechtasse und Beau schob sie ihm hin. „Trink! Es wird Dir gut tun!“

Die dunkle, zähe Flüssigkeit, die wie Teer in der Tasse schwappte, weckte sein Misstrauen. Vorsichtig schnüffelte Silver und fand seine Befürchtungen bestätigt. Wenn das Zeug so schmeckte, wie es roch, ließ er besser die Finger davon.

„Trink!“ Aber er wollte nicht.

Plötzlich packte jemand mit gigantischen Kräften seinen Nacken und drückte ihn hinunter auf den Rand der Tasse. Silver wehrte sich, doch die Gegenwehr kam zu spät. Schnell benetzte die Flüssigkeit die Lippen.

„Trink! Trink!“

Aber Silver weigerte sich. Jemand zwang seinen Kopf nach hinten und die Kiefer auseinander. Unaufhaltsam füllte die bittere Flüssigkeit den Mund. Ihm blieb nur übrig als zu schlucken, wollte er nicht ertrinken. Dann wurde es wieder Schwarz.

***

Kennedy schwankte zwischen dem Willen, seinem Freund zu helfen und der Angst, ihn zu verletzten. Am Ende überwand er die Hemmungen. Fuchs hielt den alten Blechbecher mit einer trüben Flüssigkeit bereit. So wie das Getränk roch, wollte er es selbst ebenfalls nicht trinken.

Mit viel Mühe gelang es den Beiden, Silvers Kiefer zu öffnen und den Trank einzuflößen. Der weigerte sich zunächst, ihn zu schlucken. Aber der Kopfgeldjäger hielt ihm solange den Mund zu, bis das Heilmittel da landete, wo es seine Wirkung entfalten konnte.

„Wird es helfen“, wollte Kennedy wissen.

Fuchs wies auf den Hut ihres Freundes. In dem weißen Filz zeichneten sich zwei Stellen mit einer bräunlichen Verfärbung ab. In ihrem Zentrum erkannte er jeweils zwei kleine Löcher.

„Schlange biss zuerst hier rein“, antwortete der Indianer. „Viel Gift hier. Nicht im Körper unseres Freundes. Er hat eine Chance. Wenn Biss in Hand zuletzt. Wenn Fieber heruntergeht. Er steht an der Schwelle zum Tod. Die Nacht wird es zeigen!“

„Was ist das für ein Zeug?“

„Indianermedizin. Stärkt ihn.“

Kennedy roch an dem Rest, der in der Tasse übrig geblieben war. „Mein Gott. Das riecht wie die Hölle.“

„Besser trinken als Hölle.“

Der Kopfgeldjäger schaute sich um. Die Banditen hatten sich in die Mine zurückgezogen. Hinter den Fels- und Steinbrocken lagen die Mescaleros in Deckung und bewachten sie. Im Augenblick verhielten sich beide Seiten ruhig.

"Du warst im Krieg", sagte Fuchs. "Wie würdest Du an an Stelle von Synner reagieren?"

"Er hat nur zwei Möglichkeiten. Verhandeln oder alles auf eine Karte setzen und den Durchbruch wagen."

"Dieser Mann wird nicht reden. Er kennt allein den Weg des Blutes."

"Hohes Risiko. Aber es könnte klappen. Wird einen enormen Blutzoll unter den Skalpjägern fordern. Ein Teil wird es jedoch schaffen. Ich schätze, er schickt den Haupttross vor und hält sich im Hintergrund. Bevor wir nachgeladen haben, bricht er dann durch unsere Reihen. Werden nur die Vordersten erwischen. Hab ich im Bürgerkrieg selbst erlebt."

"Das Leben seiner Leute ist Synner gleichgültig."

"Kannte genug Offiziere wie ihn. Das Ergebnis zählt, nicht der Preis."

In diesem Moment wurde es am Eingang der Mine unruhig. "Wenn man vom Teufel spricht, klopft er an der Tür", erklärte Kennedy und nahm sein Gewehr. "Es geht los."

Auch die Indianer erkannten die Situation und machten sich schussfertig. Fuchs eilte zu Kennedys Pferd und schlug auf die Satteltaschen. "Ihr habt das Dynamit des alten Mannes hier?"

"Drei Pakete mit jeweils vier Stangen. Und Zündschnur."

"Werden wir nicht brauchen." Silvers indianischer Freund entnahm zwei Pakete und ging neben Kennedy in Deckung.

"Du kannst gut werfen?"

"Wir werden sehen."

"Gut!" Fuchs nahm seine und Silvers Gewehre. Schnell überzeugte er sich, dass sie geladen waren.

"Kennedy, siehst du den Kaktus. Die Hälfte oben ist weggeschossen. Daneben ein Busch."

"Seh ich!"

In diesem Moment brach der Sturm los. Die Skalpjäger eröffneten das Feuer. Ausgebildete Soldaten hätten mit ihrem Gegenfeuer gewartet, bis sich der Feind zeigte. Doch den Mescaleros fehlte die militärische Ausbildung und Disziplin. Es dauerte nicht lange und ihnen ging die Munition aus. Die Zeit, die sie zum Nachladen brauchten, nutzten Synners Männer für ihren Ausbruchsversuch.

"Schnell. Zum Kaktus. Zweites Paket zwanzig Meter daneben. Vor die Spitze. Ich sage wann!"

Die Skalpjäger stürmten wie eine Herde wilder Teufel aus der Mine. Nach Indianerart lagen die Banditen über den Pferdehals gebeugt, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Die Hufe ihrer Reittiere wirbelten den Dreck hoch und die Staubschwaden nahmen teilweise die Sicht.

Kennedy hielt eines der Dynamitpakete in der Hand und wartete auf Fuchs Zeichen.

"Der Kaktus!"

Der Kopfgeldjäger kam kurz aus der Deckung hervor, um genug Schwung holen zu können. Das Dynamit flog und fiel ein wenig vor dem verabredeten Ziel herunter. Das schmutzige Grau der Stangen hob sich kaum vom Boden ab.

Fuchs blieb hinter den Felsen, bis die ersten Banditen das Sprengstoffpakt erreichten, dann nahm er sein Gewehr hoch und zielte. Sein zweiter Schuss traf. In einer gewaltigen Detonation explodierte der Sprengstoff und warf eine hohe Staubwolke in die Luft.

Die vordersten Reiter stürzten, ein paar rappelten sich wieder auf. Doch die Explosion hatte ihnen allen Mut geraubt. Panikartig rannten sie zu Fuß zurück zur Mine.

"Zwei!"

Kennedy schleuderte das zweite Paket vor die angreifenden Banditen auf der anderen Flanke. Die Kerle ritten weiter, ohne sich um die erste Detonation und ihre Folgen zu kümmern. Er folgte seinem Flug und beobachte mit Entsetzen, wie die Stangen zwischen den Pferdehufen verschwanden. Fuchs schoss in dem Augenblick, in dem der Sprengstoff den Boden berührte.

Der Kopfgeldjäger meinte sogar, die Gewehrkugel im Dreck aufschlagen zu sehen. Doch die Explosion blieb aus. Die Dynamitstangen tanzten unter den Hufen hin und her. Der aufgewirbelte Sand raubte immer wieder die Sicht.

Ein zweiter Schuss. Ein Fehlschuss. Jetzt versuchte auch Kennedy, das Dynamit zu treffen. Die niedrig gezielten Kugeln trafen die Pferdebeine. Pferde stürzten, rissen im Fallen andere Tiere mit. Bald entstand an der Stelle ein kleines Chaos. Pferdehufe, Staub und Banditen, die mittlerweile das Feuer erwiderten, erschwerten es, den geworfenen Sprengstoff zu finden.

Plötzlich gab es eine ungeheure Explosion. Ob einer ihrer eigenen Gewehrkugeln, ein Querschläger oder einer der Gewehrschüsse der Mescaleros die Dynamitstangen traf, würde er nie erfahren.

In dem einen Moment wuchs eine Wolke aus Sand und Dreck in den Himmel und dann regnete es Blut und Teile von Menschen und Tieren.

Das reichte den übrigen ausbrechenden Skalpjägern. Sie flohen zu Fuß oder auf ihren Pferden zurück in die Mine. Da half auch kein fluchender Doc Synner, der verzweifelt versuchte, seine Leute aufzuhalten.

***




Kommentare

  1. Ich überlege.. habe ich etwas verpasst.. oder hat Fuchs tatsächlich mit Kennedy gesprochen ?
    Ich kann mich nicht erinnern, dass das vorher jemals der Fall war.

    Die Schilderung dessen, was Silver "erlebt" während seiner Vergiftung ist eindrucksvoll.
    Ich habe nicht erwartet, Dergleichen jemals in einem Buch zu lesen und ich bewundere die Tiefgründigkeit, die Vielfalt, die Ruhe und auch die Sehnsucht, die geschildert wird.
    Eigentlich kann ich es nicht recht greifen, was mir da besonders nahe geht, welche Gedanken dabei ihren Lauf lassen. Daher muss ich mich wohl mit dem Wort "bewundern" abfinden.
    Obgleich die "Aufwachphase" doch recht früh erahnen lässt, dass hier nicht ein Becher Manna geteilt werden soll, sondern dass Silver mit einem Becher voller Gegengift zurück ins Leben geholt werden soll. Und im Nu verfliegt das eben noch fasziniert Gelesene und man befindet sich wieder mitten drin, im Kampf um die Miene. Man sitzt wieder im trockenen Sand der Wüste und spürt die aufregung, die Unruhe, die sich überall breit gemacht hat.
    Dynamit und der damit verbundene Knall, herumfliegende Körperteile von Mensch und Tier tun ihr Übriges.
    Und doch möchte man sich verwundert die Augen reiben.
    Haben Fuchs und Kennedy wirklich nie miteinander gessprochen ? War Silver wirklich immer der Mittelsmann ?
    Ich muss es glatt nochmal lesen.
    Direkt, oder.. nach Veröffentlichung.
    So oder so siegt erst einmal die Neugier, wie es weitergeht.
    Also warten wir mal ab.

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